Der Staat gegen Fritz Bauer

Deutschland 2014/2015 Spielfilm

Inhalt

Deutschland, 1957. Der Staatsanwalt Fritz Bauer erhält entscheidende Hinweise über den Aufenthaltsort des SS-Obersturmbannführers Adolf Eichmann. Dieser gehörte zu den führenden Köpfen im Hitlerregime und war federführend für die Massendeportation und Ermordung der europäischen Juden verantwortlich. Angeblich versteckt Eichmann sich in Buenos Aires. Bauer, selbst Jude, hat es sich seit seiner Rückkehr aus dem dänischen Exil zum Ziel gemacht, Täter des Nazi-Regimes vor Gericht zu stellen. Dabei werden ihm jedoch immer wieder und von verschiedenen Seiten Steine in den Weg gelegt – denn in Deutschland würde man am liebsten mit der jüngsten Vergangenheit abschließen und die zahllosen Verbrechen verdrängen und vergessen. Doch Fritz Bauer lässt sich nicht beirren. Mit Unterstützung des jungen Staatsanwalts Karl Angermann beginnt er, im Fall Eichmann zu recherchieren, wohl wissend, dass sie von Seiten ihrer Kollegen keine Hilfe zu erwarten haben.

 

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Falk Schwarz
Kein Staat mit dem Staat zu machen
Burghart Klaußner ist ein großartiger Schauspieler. Wie er sich in die Körperbewegung des Generalstaatsanwalts Fritz Bauer hineingefunden hat, in seine Gestik, in sein Sprechen und seine Körperhaltung - das setzt ein hohes Maß an Empathie und schauspielerischem Können voraus. Er gestaltet diesen Mann von innen heraus, sodass die Enttäuschung, die Wut, aber auch sein Ehrgeiz und seine Unerschrockenheit deutlich werden. Bauer suchte Eichmann. Er war überzeugt davon, dass dieser Massenmörder, der die Deportationen der Juden befahl, noch irgendwo lebte. Aber er wusste nicht wo. Er erhielt auch keine Unterstützung - weder in seiner eigenen Behörde, noch beim BND oder dem BKA. Im Gegenteil: alle versuchten verdeckt, ihn daran zu hindern, diesen Eichmann zu finden. Man wollte die Vergangenheit nicht zurückholen. Die Verbrechen kamen zu nahe an diejenigen heran, die nach dem Krieg etwas zu sagen hatten in der BRD. Doch Bauer fand sich nicht ab und wagte sich über alle Grenzen. Er wandte sich an den Mossad, den israelischen Geheimdienst. Mit einem raffinierten Schachzug gelang es ihm, Eichmanns Identität in Argentinien aufzudecken. Der Mossad griff zu und stellte Eichmann vor Gericht. Leider nicht in Deutschland, wie Bauer resigniert feststellen musste. Filmisch ist diese wahre Geschichte brillant aufgearbeitet. Regisseur Lars Kraume verzichtet auf jeden Firlefanz, erzählt in packenden Bildern, verlässt sich ganz auf die Präsenz von Klaußner und seinem Adlatus Angermann (eindrucksvoll: Ronald Zehrfeld). Die Bilder lenken nicht ab, die Dialoge sind sparsam und lassen Raum für Assoziationen. In vielen Details entsteht eine Zeit, die nicht einmal 50 Jahre her ist. Die spartanischen Möbel, die häßlichen Sitzecken, die gedrungenen Fernseher - die BRD, wie sie damals war. Und wie sie sich verschwor gegen Aufklärer, gegen Unruhestifter wie Fritz Bauer. Er versuchte, Gerechtigkeit herzustellen. Er wurde daran gehindert. Und das Alles im deutschen Namen? Ein Film zum Schämen.
Heinz17herne
Heinz17herne
Lars Kraumes Porträt beginnt mit einem O-Ton: Fritz Bauer zeigt sich in einer Fernsehansprache, die im Kontext des Eichmann-Prozesses steht, davon überzeugt, dass die jungen Deutschen nun dazu bereit sind, die ganze Wahrheit über den Holocaust – und damit über die unmittelbare Vergangenheit, über das Leben ihrer Eltern, zu erfahren. „Wenn ich mein Dienstzimmer verlasse, betrete ich feindliches Ausland“: Bauer, der bewusst, aber ohne Illusionen in seine Heimat zurückgekehrt ist nach dem Zusammenbruch des Tausendjährigen Reiches, glaubt fest daran, dass die Zukunft Deutschlands davon abhängt, ob und wie sich die junge (Nachkriegs-) Generation zu den Taten ihrer (Groß-) Eltern stellt. Und stellt sich unter der Frage „Worauf kann man als Deutscher heute noch stolz sein?“ selbst der Diskussion – in der Talkshow „Heute Abend Kellerclub“ des Hessischen Rundfunks, die Lars Kraume in seinem Film nachgestellt hat.

Frankfurt/Main 1957: Fritz Bauer („Oscar“-reif: der gebürtige Berliner Burghart Klaußner mit schwäbischem Dialekt, der seine Figur auch phonetisch von seiner Hochdeutsch sprechenden Umwelt abgrenzt) wird bewusstlos in seiner Badewanne liegend aufgefunden. Auf dem Rand ein fast leeres Rotweinglas und ein Röhrchen Schlaftabletten. Wollte der von allen Seiten und auch aus den eigenen Reihen der Justiz heftig angegriffene hessische Generalstaatsanwalt Selbstmord begehen? Ein Attentat kann jedenfalls ausgeschlossen werden, jubelt Paul Gebhard vom Bundeskriminalamt, als er mit dem ehrgeizigen, auf Bauers Posten scharfen Oberstaatsanwalt Ulrich Kreidler telefoniert. Haben sie ihr Opfer sturmreif geschossen?

Aus dem Krankenhaus entlassen führt Bauers erster Weg zu seinem alten Weimarer Kampfgenossen und aktuellen Schutzherrn Georg-August Zinn (kurzfristig für den erkrankte Hanns Zischler eingesprungen: der bravouröse Götz Schubert hat seine Rolle im Flugzeug gelernt) nach Wiesbaden. Um den hessischen Ministerpräsidenten zu beruhigen: Es habe keine Selbstmordabsicht bestanden. Der Qualm seiner dicken Zigarre kann freilich nicht vernebeln, dass Bauer zahllosen Altnazis und ihren karrierebewussten jungen Erfüllungsgehilfen ein Dorn im Auge ist: Deutschland solle die Vergangenheit endlich ruhen lassen. Weshalb selbst an Bauers Frankfurter Dienstsitz Akten verschwinden.

Fritz Bauer will den einstigen SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann, der sich nach Südamerika abgesetzt haben soll, dingfest machen und ihn als Verantwortlichen für die Massendeportationen der Juden in Deutschland vor Gericht bringen. Doch ein Auslieferungsbegehren für die zentrale Figur der „Endlösung der Judenfrage“ liegt weder im Interesse der deutschen Politik noch der von ehemaligen Nazi- und Gestapo-Funktionären durchsetzten Ermittlungsbehörden Bundeskriminalamt, Bundesnachrichtendienst und Verfassungsschutz. So plant Bauer, den israelischen Mossad einzuschalten. Und riskiert dabei eine mehrjährige Haftstrafe: Die Kooperation mit einem ausländischen Geheimdienst gilt als Landesverrat. Weshalb er nur Zinn und seinen engsten Mitarbeiter, den jungen Staatsanwalt Karl Angermann, einweiht.

Mit Hilfe des Journalisten Friedrich Morlach gelingt es Bauer, den Mossad auf die richtige Spur zu führen, sodass Adolf Eichmann in Buenos Aires auf offener Straße entführt und in Tel Aviv vor Gericht gestellt werden kann. Nun wollen Kreidler & Co sich an Fritz Bauer rächen und erpressen Karl Angermann mit einem Date in der Nachtbar „Kokett“ mit dem Transvestiten Victoria. Doch der stellt sich schützend vor seinen Chef – und wird selbst angeklagt. Als Oberstaatsanwalt Kreidler selbst den Fall übernimmt, stellt Fritz Bauer alle Ruhestandspläne zurück: „Solange ich lebe, hält mich niemand mehr von meiner Arbeit ab!“

Lars Kraumes Film, der durch das Buch „Heimkehr der Unerwünschten – eine Geschichte der Juden in Deutschland nach 1945“ seines Koautors Olivier Guez angeregt wurde, ist höchst spannende, durch überragende Darsteller bannende Zeitgeschichte und sollte Bestandteil des Schulunterrichts werden. Er räumt kräftig mit dem Adenauer-Mythos eines unbelasteten Neuanfangs der „Stunde Null“ auf und offenbart die enge Verflechtung staatlicher Führungskräfte auch in Polizei und Justiz mit der Politik.

Pitt Herrmann

Credits

Regie

Kamera

Schnitt

Darsteller

Produktionsfirma

Produzent

Alle Credits

Regie

Regie-Assistenz

Kamera

Kamera-Assistenz

Standfotos

Kamera-Bühne

Szenenbild

Ausstattung

Außenrequisite

Innenrequisite

Kostüme

Schnitt

Ton-Assistenz

Darsteller

Produktionsfirma

Produzent

Co-Produzent

Produktionsleitung

Produktions-Koordination

Dreharbeiten

    • 23.10.2014 - 11.12.2014
Länge:
105 min
Format:
DCP, 16:9
Bild/Ton:
Farbe, Dolby
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 20.08.2015, 153743, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (CH): 07.08.2015, Locarno, IFF;
Kinostart (DE): 01.10.2015

Titel

  • Arbeitstitel (DE) Die Heimatlosen
  • Originaltitel (DE) Der Staat gegen Fritz Bauer
  • Weiterer Titel (eng) The People Vs. Fritz Bauer

Fassungen

Original

Länge:
105 min
Format:
DCP, 16:9
Bild/Ton:
Farbe, Dolby
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 20.08.2015, 153743, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (CH): 07.08.2015, Locarno, IFF;
Kinostart (DE): 01.10.2015

Auszeichnungen

Deutscher Filmpreis 2016
  • Lola, Bestes Kostümbild
  • Lola, Bestes Szenenbild
  • Lola, Beste männliche Nebenrolle
  • Lola, Beste Regie
  • Lola, Bestes Drehbuch
  • Lola in Gold, Bester Spielfilm
Preis der deutschen Filmkritik 2016
  • Bester Darsteller
  • Bester Spielfilm
Bayerischer Filmpreis 2016
  • Pierrot, Bester Darsteller
Günter Rohrbach Filmpreis 2015
  • Preis des Oberbürgermeisters
  • Darstellerpreis
  • Hauptpreis, Bester Film
Hessischer Filmpreis 2015
  • Bester Spielfilm
Festival del Film Locarno 2015
  • Publikumspreis Prix du Public UBS
FBW 2015
  • Prädikat: besonders wertvoll