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Deutschland, 1957. Der Staatsanwalt Fritz Bauer erhält entscheidende Hinweise über den Aufenthaltsort des SS-Obersturmbannführers Adolf Eichmann. Dieser gehörte zu den führenden Köpfen im Hitlerregime und war federführend für die Massendeportation und Ermordung der europäischen Juden verantwortlich. Angeblich versteckt Eichmann sich in Buenos Aires. Bauer, selbst Jude, hat es sich seit seiner Rückkehr aus dem dänischen Exil zum Ziel gemacht, Täter des Nazi-Regimes vor Gericht zu stellen. Dabei werden ihm jedoch immer wieder und von verschiedenen Seiten Steine in den Weg gelegt – denn in Deutschland würde man am liebsten mit der jüngsten Vergangenheit abschließen und die zahllosen Verbrechen verdrängen und vergessen. Doch Fritz Bauer lässt sich nicht beirren. Mit Unterstützung des jungen Staatsanwalts Karl Angermann beginnt er, im Fall Eichmann zu recherchieren, wohl wissend, dass sie von Seiten ihrer Kollegen keine Hilfe zu erwarten haben.
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Frankfurt/Main 1957: Fritz Bauer („Oscar“-reif: der gebürtige Berliner Burghart Klaußner mit schwäbischem Dialekt, der seine Figur auch phonetisch von seiner Hochdeutsch sprechenden Umwelt abgrenzt) wird bewusstlos in seiner Badewanne liegend aufgefunden. Auf dem Rand ein fast leeres Rotweinglas und ein Röhrchen Schlaftabletten. Wollte der von allen Seiten und auch aus den eigenen Reihen der Justiz heftig angegriffene hessische Generalstaatsanwalt Selbstmord begehen? Ein Attentat kann jedenfalls ausgeschlossen werden, jubelt Paul Gebhard vom Bundeskriminalamt, als er mit dem ehrgeizigen, auf Bauers Posten scharfen Oberstaatsanwalt Ulrich Kreidler telefoniert. Haben sie ihr Opfer sturmreif geschossen?
Aus dem Krankenhaus entlassen führt Bauers erster Weg zu seinem alten Weimarer Kampfgenossen und aktuellen Schutzherrn Georg-August Zinn (kurzfristig für den erkrankte Hanns Zischler eingesprungen: der bravouröse Götz Schubert hat seine Rolle im Flugzeug gelernt) nach Wiesbaden. Um den hessischen Ministerpräsidenten zu beruhigen: Es habe keine Selbstmordabsicht bestanden. Der Qualm seiner dicken Zigarre kann freilich nicht vernebeln, dass Bauer zahllosen Altnazis und ihren karrierebewussten jungen Erfüllungsgehilfen ein Dorn im Auge ist: Deutschland solle die Vergangenheit endlich ruhen lassen. Weshalb selbst an Bauers Frankfurter Dienstsitz Akten verschwinden.
Fritz Bauer will den einstigen SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann, der sich nach Südamerika abgesetzt haben soll, dingfest machen und ihn als Verantwortlichen für die Massendeportationen der Juden in Deutschland vor Gericht bringen. Doch ein Auslieferungsbegehren für die zentrale Figur der „Endlösung der Judenfrage“ liegt weder im Interesse der deutschen Politik noch der von ehemaligen Nazi- und Gestapo-Funktionären durchsetzten Ermittlungsbehörden Bundeskriminalamt, Bundesnachrichtendienst und Verfassungsschutz. So plant Bauer, den israelischen Mossad einzuschalten. Und riskiert dabei eine mehrjährige Haftstrafe: Die Kooperation mit einem ausländischen Geheimdienst gilt als Landesverrat. Weshalb er nur Zinn und seinen engsten Mitarbeiter, den jungen Staatsanwalt Karl Angermann, einweiht.
Mit Hilfe des Journalisten Friedrich Morlach gelingt es Bauer, den Mossad auf die richtige Spur zu führen, sodass Adolf Eichmann in Buenos Aires auf offener Straße entführt und in Tel Aviv vor Gericht gestellt werden kann. Nun wollen Kreidler & Co sich an Fritz Bauer rächen und erpressen Karl Angermann mit einem Date in der Nachtbar „Kokett“ mit dem Transvestiten Victoria. Doch der stellt sich schützend vor seinen Chef – und wird selbst angeklagt. Als Oberstaatsanwalt Kreidler selbst den Fall übernimmt, stellt Fritz Bauer alle Ruhestandspläne zurück: „Solange ich lebe, hält mich niemand mehr von meiner Arbeit ab!“
Lars Kraumes Film, der durch das Buch „Heimkehr der Unerwünschten – eine Geschichte der Juden in Deutschland nach 1945“ seines Koautors Olivier Guez angeregt wurde, ist höchst spannende, durch überragende Darsteller bannende Zeitgeschichte und sollte Bestandteil des Schulunterrichts werden. Er räumt kräftig mit dem Adenauer-Mythos eines unbelasteten Neuanfangs der „Stunde Null“ auf und offenbart die enge Verflechtung staatlicher Führungskräfte auch in Polizei und Justiz mit der Politik.
Pitt Herrmann