Inhalt
Fritjof hat sich im Leben nie richtig durchsetzen können, eher so ein bisschen "durchgewurschtelt". Als Angestellter in einem kleinen Architekturbüro wird er auch als erwachsener Mann bevormundet, herumgeschubst und mit subalternen, wenig kreativen Zuarbeiten abgespeist. Als die Firma den Auftrag bekommt, den neuen Anbau eines Sterbehospizes zu übernehmen, ist schnell klar, wer die unangenehme Aufgabe des Aufmessens übernehmen soll.
Mit sperriger Gerätschaft und gehöriger Angst vor der Begegnung mit den Sterbenden steht Fritjof also eines Tages vor der alten Villa mit Garten. Er weiß noch nicht, dass sich dort sein Leben ganz und gar verändern wird. Eine schüchterne Neugier auf die Poesie der letzten Dinge macht sich bei ihm erst bemerkbar, als er dort einen alten Schulfreund trifft. Hannes hatte ihm damals den abfälligen Spitznamen "Fritte" gegeben. Manchmal machte er aus "Fritjof" auch gleich bitterböse "Friedhof". Verbittert über seine Krankheit im finalen Stadium ist er ein noch größerer Zyniker geworden. Fritjof muss sich erst durch das Dickicht der Ablehnung arbeiten, um die warme und liebenswerte Seele seines Freundes zu entdecken. Und dass diese Entdeckung eine unerwartete Wendung in seinem Leben bedeuten wird. Plötzlich fallen ihm verrückte Dinge ein wie der Raub einer Kuh, und eine fast vergessene Liebesgeschichte aus Schülerzeiten wird auch endlich glücklich aufgelöst.
Keine Geschichte über den Tod. Eher ein fast heiterer Versuch über die Wonnen der Freundschaft, den Trost letzter Dinge und das Glück eines neuen Anfangs. Den Architektenjob braucht er danach wirklich nicht mehr.
Quelle: Festival des deutschen Films 2012
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Zu seiner Freundin Marie, die endlich mit ihm zusammenziehen und eine Familie gründen will, steht er nicht wirklich und seine Wäsche sowie die kleinen Alltagssorgen trägt er immer noch zu seinen Eltern Inge und Hans-Günther. Die es so gerne sehen würden, wenn sich Fritjof für die berufliche Selbständigkeit entscheiden würde – und für die ihnen bisher vorenthaltene Marie, welche so große Pläne hegt für ihr Leben an seiner Seite. Mit seiner Chefin, die auch um einen verhältnismäßig kleinen Auftrag wie die Sanierung eines baufälligen Hospizgebäudes mit gerade 'mal elf Zimmern kämpfen muss, unternimmt Fritjof einen ersten Besuch vor Ort. Doch aus dem Haus wird gerade ein Sarg herausgetragen, weshalb beide „Helden“ eine rasche Kehrtwendung vollziehen: auch die sich so tough gebende Corinna Mühlbauer kümmert sich lieber um den Neubau eines Spaßbades als um die letzten Dinge des Lebens.
Endlich muss es doch sein – und Fritjof begegnet im Garten des Hospizes seinem ehemaligen Mitschüler Hannes: immer noch Kodderschnauze, aber mit Blick für das Wesentliche über den eigenen Tellerrand hinaus. Zu Schulzeiten ein von allen bewunderter Mädchenschwarm, ja der „tolle Typ“ schlechthin, ist der erfolgreiche Anwalt unheilbar an Pankreaskrebs im Endstadium erkrankt. An den Rollstuhl gefesselt ist er auf Hilfe Dritter angewiesen, die des unkonventionellen, stets gelassenen, so offenherzigen wie einfühlsamen Pflegers Markus (Frederic Linkemann), aber auch die seiner attraktiven Schwester Sabine. Zu Schulzeiten der kaum zu verheimlichende Schwarm des seinerzeit naturgemäß völlig chancenlosen Fritjof, bricht sie im Schlussdrittel des Films – und bei Fritte – ein wie eine Naturgewalt.
Der vernachlässigt seinen Auftrag zunehmend, lernt er doch in der ihm immer vertrauter werdenden Umgebung, dass das Leben ein Geschenk ist, das man mit beiden Händen greifen kann. Bei Hannes, der ihm den Horror vor der Unvermeidlichkeit des Todes nimmt, und bei Lucie Fahrenholtz (Monika Lennartz) und ihrem leckeren, selbstgemachten Blaubeerwein. Die im Bewusstsein des nahen Endes nicht minder lebensbejahende Hospizbewohnerin hütet freilich ihr letztes Geheimnis, den Standort der leckersten Blaubeeren aller Zeiten: „Ihr Nachgeborenen macht euch gefälligst selbst auf die Socken!“
Es kracht hin und wieder zwischen den neuen alten Freunden. Aber wenn Hannes dann „seine“ Harfenistin (Susanne Brückner) zur Versöhnung schickt, schmilzt Fritjof dahin – und die Zuschauer von Rainer Kaufmanns sensiblem, so wunderbar leichtem und dabei so ganz unaufgesetzt-selbstverständlich berührendem TV-Drama „Blaubeerblau“, das die ARD in ihrer Themenwoche „Leben mit dem Tod“ am 21. November 2012 erstmals ausstrahlte, gleich mit. In Gesellschaft der von ihren Krankheiten Gezeichneten, aber nicht Besiegten lebt Fritjof förmlich auf. Schmeißt im Architekturbüro die Brocken hin, sagt seinen Billardkumpanen Adieu und findet zum ersten Mal in seinem Leben den Mut, auf eigenen Beinen zu stehen.
„Er bleibt nicht mehr lange. Ich muss noch was erledigen“: Als Fritjof den letzten Wunsch von Hannes erfüllt und einen Bauern (Heinz Josef Braun) dazu überreden kann, sein gutmütigstes Rindvieh zum Hospiz zu transportieren, ist für ihn selbst schon längst die Kuh vom Eis. Da hilft alles Zureden seiner früheren Chefin nichts – ein Erlebnisbad ist für den Architekten Fritjof nun keine Herausforderung mehr...
„Blaubeerblau“, „bestes TV-Drama“ beim 48. Hugo Award des Chicago Int. Filmfestivals, nimmt sich auf feinsinnige und humorvolle, vor allem aber sehr glaubwürdige Weise des zu Pathos neigenden schweren Themas an und erzählt mit einem Augenzwinkern nicht nur eine Geschichte über den Tod, sondern vielmehr über das Leben. Und das in hochkarätiger Besetzung, Stipe Erceg ist völlig zu Recht als bester Schauspieler mit dem Hessischen Fernsehpreis 2012 ausgezeichnet worden.
Pitt Herrmann