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Volker Schlöndorffs Version eines Heimatfilms, der deutsche Zeitgeschichte untersucht. Die Geschichte der "armen Leute vom Kombach" beruht auf einem Gerichtsprotokoll aus dem Jahre 1825: Um ihrer Armut ein Ende zu machen, überfallen hessische Bauern 1825 einen Geldtransport des Fürsten. Für einen Augenblick scheint ihr Ziel erreicht, ihr Leben radikal verändert. Erst später erfahren sie, dass damit nichts an den Ursachen ihrer Misere geändert ist. Durch ihren plötzlichen Reichtum fallen sie auf, werden verhaftet und verurteilt.
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Ein Hausierer bringt Hans Jacobs Sohn Heinrich auf die Idee, doch das „Geldkärrchen“, den regelmäßig zweimal im Monat von Gießen nach Gladenbach verkehrenden Postwagen mit den kurhessischen Steuergeldern, zu überfallen, um endlich dem Elend zu entkommen. Heinrichs Bruder Jacob, der sich als Tagelöhner beim Posthalter verdingt und von diesem nach Kräften geschurigelt wird, ist von der Idee sogleich begeistert, auch Johann Soldan, Ludwig Acker und Jost Weger (Rainer Werner Fassbinder) sind dabei.
Die sechs Bauern und Tagelöhner aus Kombach suchen sich als Ort für den Überfall einen Hohlweg in der Subach aus, ein etwa dreißig Kilometer entferntes Waldstück, wo der Vierspänner-Zug aufgrund der Enge und der Unebenheiten des Weges nur ganz langsam vorankommt. Der erste Versuch scheitert – es ist zu viel Schnee gefallen. Ein Fingerzeig Gottes? Für solche Sprüche hat Johanna Soldan nur Spott übrig: Die Männer haben Hosenflattern gehabt, seien schon beim Abmarsch kreidebleich vor Angst gewesen.
Auch der zweite Versuch schlägt fehl, weil niemand das Zeichen zum Angriff gegeben und jeder sich auf den anderen verlassen hat. Beim dritten Mal, so die Auskunft eines mit dem Räubersextett verbundenen Soldaten, soll der Geldkasten leer sein, ein weiteres Mal begleiten frisch ausgehobene Rekruten den Postwagen. Und immer ist ein sechsstündiger Fußmarsch vergeblich gewesen, was an den Nerven der Beteiligten, aber auch deren Angehörigen zerrt. Erst im siebten Anlauf ist es soweit und die Bande ringt den Kutscher und einen Soldaten mühsam nieder.
Der große Tisch in der Stube von Hans Jacob Geiz ist übersät mit Dukaten, die sorgfältig gezählt und zu gleichen Teilen verteilt werden. So kann Heinrich Geiz endlich heiraten – und lässt sich wirklich nicht lumpen: der ganze Ort feiert mit. Auch die anderen begleichen Schulden, kaufen sich landwirtschaftliche Geräte. Sodass die Kunde vom plötzlichen Reichtum der armen Leute von Kombach bis nach Gießen dringt, wo der Kriminalrichter Danz mit der Aufklärung des Überfalls beauftragt ist: Dem Tathergang nach hat er von Anfang an keine professionellen Räuber unter Verdacht, sondern verarmte Bauern der Umgebung.
Weshalb sich seine Ermittlungen bald auf Kombach konzentrieren. Die Auslobung einer Belohnung von 300 Gulden tut ein übriges, um der Familie Geiz rasch auf die Spur zu kommen. Der Vater und seine beiden Söhne werden verhaftet und nach Gießen überstellt. Nur Ludwig Acker, auf den kein Verdacht fällt, kann zunächst entkommen. Doch er macht den Fehler, der Gänseliesel, auf die er schon länger ein Auge geworfen hat, einen Beutel mit 50 Gulden zu überlassen, nachdem sie sich ihm nicht anschließen wollte auf dem Weg nach Amerika. Von dem naiv-frommen Mädchen verraten und von der Polizei gesucht, stellt sich Ludwig Acker schließlich selbst, sodass am Ende ein Kombacher Quartett vom Gießener Hofgericht zum Tod durch das Schwert verurteilt wird...
Volker Schlöndorffs historischer, in Schwarzweiß gedrehter „Heimatfilm“, der auf dem Gerichtsprotokoll „Der Postraub in der Subach“ des Gießener Kriminalgerichtssekretärs Carl Franz aus dem Jahre 1825 beruht, beeindruckt durch ausdrucksstarke Bilder des Kameramannes Franz Rath, der in die Kargheit des so vormärzlich-geschichtsträchtigen Landes des Büchnerschen „Hessischen Landboten“ die Physiognomien der Protagonisten, darunter so berühmte Regie-Kollegen wie Reinhard Hauff, Rainer Werner Fassbinder und Margarethe von Trotta, wie in Stein meißelt. Während eine weibliche Erzählerstimme aus dem Off in die Handlung einführt und die Personen vorstellt, gleitet die Kamera über Land und Leute in stummen, mit der Musik Klaus Doldingers unterlegten Sequenzen.
„Ein jeder Stand hat seinen Frieden, ein jeder Stand auch seine Last“: Mit Gellert-Versen und Luther-Worten wird schon den Kindern in der Schule und vom Pfarrer Frömmigkeit und Obrigkeitshörigkeit eingepaukt. Bauernbefreiung, Bürgerfreiheit? Davon kann hier im tiefsten Osthessen keine Rede sein: Zum Untertanengeist gesellen sich Neid und Habgier, die Denunziation grassiert. Und die Dummheit: Es ist keineswegs nur die Gänseliesel, die vom Märchenprinzen träumt. Am Ende ist es der jüdische Händler David Briel, der sich zu Fuß in die Neue Welt aufmacht.
Schlöndorffs sozialkritische Historie ist vor allem im oberbayerischen Kloster Schäftlarn gedreht und erstaunlicherweise drei Tage vor dem Kinostart in der ARD erstausgestrahlt worden. Dennoch wurde er im Mai 1971 zum Festival nach Cannes eingeladen und holte im Juli 1971 gleich vier Preise beim Festival in San Sebastián.
Pitt Herrmann