Fleur Lafontaine

DDR 1977/1978 TV-Spielfilm

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Heinz17herne
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Das „angstvolle Heldenleben einer gewissen Fleur Lafontaine“, so der Romantitel Dinah Nelkens aus dem Jahr 1971, beginnt in der revolutionären Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Ihre Eltern Eberhard und Käthe Lafontaine schlagen sich zunächst eher schlecht als recht, dann aber doch erfolgreich mit zwielichtigen Immobiliengeschäften durch: Die Mutter mietet oder kauft Wohnungen an, um sie an Prostituierte unterzuvermieten. In der Weimarer Republik freundet sich Fleur mit einem jungen Proleten, dem Schlosser Philipp Pommeranz, an, der später einer ihrer Ehemänner werden sollte. Aber ihre Wege trennen sich in den Wirren der Nachkriegszeit zunächst wieder und Fleur gerät an einen adligen Taugenichts, Dr. Fritz Goldner, der sein ganzes und ihr kleines Vermögen am Spieltisch verliert. Alle seine Unternehmungen scheitern, obwohl er es immer wieder versteht, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Als Retter in der Not empfiehlt sich ein seriöser Geschäftsmann, der aber mit den aufkommenden Nationalsozialisten sympathisiert und schließlich gar zum SA-Obersturmbannführer avanciert. Erst der Röhm-Putsch und die Machtübernahme durch die SS machen seiner Karriere ein blutiges Ende. In das auch Fleurs proletarischer Freund von einst verstrickt ist.

Horst Seemann schildert mit großem Aufwand – und tollen Schauspielern - das gesellschaftliche Leben der Weimarer Republik, die „Tanz auf dem Vulkan“ genannte Unterhaltungsmaschinerie in der Hauptstadt Berlin (in einem Schwulenlokal ist auch Lothar Berfelde alias Charlotte von Mahlsdorf kurz zu erkennen) mit koksenden Nutten und Freiern, Charleston-Tänzern und der großen Tingeltangel-Welt auf der einen, dem verzweifelten Kampf von Künstlern und Sozialisten ums nackte Überleben auf der anderen Seite. Die Nazis kommen an die Macht, das Kinderheim einer Freundin Fleurs wird aufgelöst, weil sich die Leiterin weigert, nichtarische Kinder auszusondern. Auch Philipp ist betroffen und muss ins Ausland fliehen: Nach der falschen Anschuldigung, besagten SA-Mann getötet zu haben, ist er als Hausmeister im Kinderheim untergetaucht. Fleur „überwintert“ mit ihm in Italien, während Deutschland in Schutt und Asche gebombt wird.

Aber das „angstvolle Heldenleben“ kann keine Lösung auf Dauer sein: Schon als kleines Schulkind, noch in der Endphase der Wilhelminischen Ära, hat Fleur das daheim ungeniert geäußerte Bekenntnis eines Onkels zum Sozialismus ausgeplaudert. Und mehr noch: Sie hat ihn an die Obrigkeit ausgeliefert, als er sich auf dem Dachboden des elterlichen Hauses versteckte. Jetzt hat sie ihren Freund bewusst ins Exil geschickt, um selbst überleben zu können an seiner Seite – auf Kosten Philipps Untergrund-Agitation gegen die Nazis. Nach Berlin zurückgekehrt, ihre Mutter ist in den Trümmern ihres Hauses umgekommen, gerät Fleur erneut an den Falschen, einen windigen Geschäftsmann, der schon vor dem Krieg ihren Weg auf verhängnisvolle Weise kreuzte. Doch nun stellt sich Philipp, ein Vorzeige-Sozialist im neugegründeten Arbeiter- und Bauernstaat, dem Spekulanten und damit seinem Denunzianten in den Weg. Und abermals offenbart sich Fleur als Lügnerin – und es scheint alles aus, noch bevor sie von der Ruine stürzt und in einer neurologischen Klinik landet.

Weitgehend der Erinnerung beraubt und fast vollständig gelähmt erkennt Professor Bardekov, dem ersten Eindruck nach ein rechtes Ekelpaket, die psychischen Ursachen für die Lähmung der Patientin mit dem hugenottischen Namen und beginnt eine langwierige Therapie: Fleur soll sich ihrer seelischen Blockaden stellen, indem sie ihr Leben noch einmal Revue passieren lässt. Am Ende kann sie als geheilt entlassen werden – in die Arme des durch die Zeitläufte ungebrochenen Sozialisten Philipp. Horst Seemanns hochkarätig besetzte Literaturverfilmung eines durchaus auch autobiographischen Romans, auch die Sozialistin und Antifaschistin Dinah Nelken (1900-1989) hatte hugenottische Wurzeln und emigrierte mit ihrem Mann Heinrich Ohlenmacher 1943 nach Italien, ist eine Auftragsproduktion für das DDR-Fernsehen. Sie gilt als früher Amphibienfilm mit einer knapp zweistündigen Leinwandversion, die am 29. Dezember 1978 erstmals in die DDR- und am 22. Oktober 1979 in die BRD-Kinos kam. Und einer 200-minütigen Fassung als Zweiteiler, erstmals ausgestrahlt am 25. und 27. Dezember 1978 im Fernsehen der DDR.

„Fleur Lafontaine“ vertritt einen klaren Klassenstandpunkt, auch und gerade weil die Titelheldin einen solchen vermissen lässt. Entsprechend der SED-Ideologie vom „Neuen Menschen“, der aus den Ruinen des Zweiten Weltkriegs zumindest in der Sowjetischen Besatzungszone entstehen kann, kommt der Erziehung, und hier speziell der medizinischen und psychologischen Therapie, eine entscheidende Bedeutung zu. Angelica Domröse begeistert in der Titelrolle als mädchenhaft-flatterndes, liebesbedürftiges Wesen, das lange braucht, um seinen Standort im Leben zu finden. Horst Seemanns überaus erfolgreiches, da so unterhaltsames wie anspruchsvolles Zeitpanorama über das Leben einer Frau zwischen 1918 und 1948 arbeitet mit Rückblenden, an seinem Ende steht eine geradezu kathartische Reinigung und eine zumindest körperlich vollständige Genesung. Und der Mann ihres Lebens wartet nach all' den Umwegen bescheiden und rücksichtsvoll mit Blumen im Park auf die Titelheldin...

Man könnte aus heutiger Sicht „Fleur Lafontaine“ durchaus als Parteifilm abstempeln, zu deutlich ist seine ideologisch unterfütterte Aussage. Aber Horst Seemann hat wie fast alle Defa-Regisseure immer wieder zwischen den Zeilen lesbare Verweise eingebaut. Dennoch: Die psychogene Lähmung und Teilamnesie, die Fleur diagnostiziert wird, bildet sich erst zurück, als sich die Titelheldin von den Traumata ihrer Vergangenheit befreit und sich zum proletarisch-sozialistischen Weg bekennt, der anno 1978 Glück auf Erden verheißt, auch wenn dieses immer wieder neu erkämpft werden muss.

In der Rückblende auf das römische Exil klagt Philipp, dass er heimatlos gewesen sei in dieser Zeit - bezogen auf die pazifistische, antifaschistische Agitation der kommunistischen Genossen in Nazideutschland, die für sie nicht nur Parteiauftrag, sondern Herzensangelegenheit war. Nun erst hat er, haben letztlich beide, ihre Bestimmung, ihre Heimat gefunden: in der Deutschen Demokratischen Republik.

Pitt Herrmann

Credits

Kamera

Darsteller

Alle Credits

Regie-Assistenz

Dramaturgie

Kamera

Bauten

Kostüme

Mischung

Darsteller

Produktionsleitung

Aufführung:

Uraufführung: 25.12.1978

Titel

  • Originaltitel (DD) Fleur Lafontaine

Fassungen

Original

Aufführung:

Uraufführung: 25.12.1978