Inhalt
Hélène, verheiratet und Mutter einer 15-jährigen Tochter, lebt mit ihrer Familie in einem kleinen Dorf auf der Mittelmeerinsel Korsika. Sie arbeitet in einem Hotel als Zimmermädchen und führt ein scheinbar glückliches, wenngleich recht eingefahrenes Leben. Dies ändert sich schlagartig, als sie eines Tages ein junges, attraktives Paar beobachtet, das auf der Hotelterrasse Schach spielt: Auf magische Weise fühlt Hélène sich von dem ihr fremden Spiel angezogen. Sie entwickelt eine unbändige Leidenschaft für die Welt des Schachspiels, sehr zum Unmut ihres Mannes, dem die Begeisterung seiner Frau für das seltsame Spiel peinlich ist. Allein der exzentrische Dr. Kröger, für den sie gelegentlich arbeitet, erkennt ihr Talent, fördert ihre Passion und ermutigt sie, an Turnieren teilzunehmen. Damit aber setzt Hélène nicht nur ihre Ehe, sondern auch ihren guten Ruf bei den engstirnigen Dorfbewohnern aufs Spiel.
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Mit dem Fahrrad fährt Hélène entlang der Küste zur Arbeit, die selbst im Morgennebel noch phantastischen Sehnsuchts-Bilder der französischen Mittelmeer-Insel kaum eines Blickes würdigend: Routine halt wie das Wechseln der Bettwäsche im Hotelzimmer. Doch diesmal wirft sie ganz voyeuristisch einen Blick durch den transparenten Vorhang auf den inzwischen sonnigen Balkon: Dort ist ein junges, verliebtes amerikanisches Paar in eine Schachpartie vertieft. Hélène fasziniert die Muße, die Harmonie und auch die Erotik, die beide Spieler ausstrahlen.
Eben noch mit sich und der Welt im totalen Einklang, merkt Hélène plötzlich, dass ihr etwas fehlt. Dieser noch sehr indifferente Eindruck wird zur Gewissheit, als Lisa beim Abendessen offenbart, an einem kostspieligen Praktikum in England teilnehmen zu wollen anstatt in den Ferien Geld zu verdienen. Und überhaupt wolle sie endlich 'mal 'raus aus diesen spießigen, ärmlichen Verhältnissen. Doch damit noch nicht genug: selbst im sexy Negligé kann Hélène ihren Gatten nicht becircen, welcher fürchtet, seine Arbeit auf der Werft zu verlieren und keinen Sinn für Zärtlichkeiten hat.
Hélène fährt am nächsten Tag mit dem Bus zu dem als verschroben und äußerst schwierig geltenden Doktor Kröger (Paraderolle für den hier herrlich kauzigen Kevin Kline) heraus, einem zurückgezogen lebenden Witwer, dessen Haushalt sie in Ordnung hält. Sie lässt sich durch die arrogante, oft auch verletzend-herablässige Art dieses Misanthropen nicht aus der Ruhe bringen, im Gegenteil: sie bittet ihn nicht nur um eine längst überfällige und nun auch dringend benötigte Lohnerhöhung, sondern auch um eine Einführung in die hohe Kunst des Schachspiels, bei dem die Dame die stärkste aller Figuren ist.
Es braucht einige Zeit, um den Griesgram umzustimmen. Aber bald kommt Hélène nicht mehr nur zum Putzen in Doktor Krögers Haus. Und der sonst so mundfaule Einsiedler sieht mit großem Erstaunen und beinahe noch größerer innerer Freude, welche enormen Fortschritte diese graue Maus von Putzfrau beim königlichen Spiel macht: Schon bald verwandeln sich die Lektionen zwischen Lehrer und Schülerin in spannende Duelle ebenbürtiger Partner mit sehr wechselhaftem Ausgang.
Die neue Leidenschaft Hélènes ist bald Dorfgespräch auf der Insel und im Friseursalon ihrer Freundin Marie-Jeanne brodelt die Gerüchteküche. Was den eh' schon eifersüchtigen Ange dazu bringt, heimlich seiner Gattin zu folgen. Und er wird Zeuge eines ganz unerhörten Geschehens: Hélène streift nach getaner Arbeit ihren Putzfrauenkittel nicht für ein Schäferstündchen, sondern für ein Schachspiel mit Kröger ab. Bald hängt nicht nur daheim der Haussegen schief, auch ihre Arbeitgeberin, die Hoteldirektorin Maria macht Zicken – und prompt landet das elektronische Übungsbrett im Müll.
Erst Jack Londons Roman „Martin Eden“, den auch Tochter Lisa begeistert verschlingt, gibt Hélène wieder neuen Mut und sie nimmt mit Kröger die Schachpartien wieder auf. Mehr noch: Ihr Lehrer ermutigt sie, sich für ein lokales Schachturnier anzumelden. Eine Ungeheuerlichkeit, wie der Präsidenten des Schachclubs findet, der sich aber Krögers Fürsprache beugt. Und sich selbst im Finale der in herausforderndem Rot gekleideten einzigen Frau des Turniers geschlagen geben muss.
„Wer Risiken eingeht, kann verlieren, wer keine eingeht, verliert immer“: Nun gibt es für Hélène kein Halten mehr. Mit Unterstützung der Familie und ihres mehr und mehr geschwächten, da unheilbar an Krebs erkrankten Mentors ist sie bereit für ein großes internationales Turnier in Paris...
Caroline Bottaros Langfilm-Debüt „Die Schachspielerin“ basiert auf dem gleichnamigen Debütroman der in Frankreich lebenden deutschen Autorin Bertina Henrichs, verlegt den Ort des Geschehens jedoch von einer griechischen auf die französische Mittelmeer-Insel Korsika. Die 1969 in Bielefeld geborene und ebenfalls in Frankreich lebende deutsch-italienische Drehbuchautorin und Regisseurin nimmt das Schachspielen als Metapher für die Leidenschaft und den Mut einer so genannten grauen Maus, über den eigenen Schatten zu springen und sich selbst neue Ziele zu setzen. Mit Sandrine Bonnaire und Kevin Kline hat Caroline Bottaro eine kongeniale Besetzung gefunden – und noch ein Debüt kreiert: der begnadete New Yorker Shakespeare-Bühnendarsteller hat erstmals außerhalb der USA gedreht – und dann auch noch in einer fremden Sprache.
Uraufgeführt am 25. April 2009 auf dem Tribeca Festival in New York startete „Die Schachspielerin“ am 7. Januar 2010 in den Kinos und wurde am 23. Juni 2013, mehr als ein Jahr nach der TV-Premiere in der Schweiz, von der ARD erstausgestrahlt.
Pitt Herrmann