Hofer Filmtage: Jury-Kurzfilmpreis und weitere Auszeichnungen vergeben

Bei den 55. Internationalen Hofer Filmtagen 2021 wurde zum ersten Mal der von der Stadt Hof gestiftete Jury-Kurzfilmpreis verliehen.

 

Philipp Budweg (Produzent), Sylke Gottlebe (Co-Leiterin Filmfest Dresden) und Olaf Held (Regisseur, Autor, Dramaturg) bilden die Jury und haben sich nach der Sichtung aller 41 eingereichten Kurzfilme aus Deutschland, Österreich und der Schweiz für einen Sieger-Film entschieden. Der Preis ist mit 2.500 Euro dotiert.

Der Jury-Kurzfilmpreis 2021 geht an:
"Erwachsen oder sowas" von Marlena Molitor

Marlena Molitor wurde 1994 in der Nähe von Stuttgart geboren. Nach ihrem Abitur absolvierte sie ein sechsmonatiges Praktikum bei einer Filmproduktionsfirma in Kapstadt und entschied sich anschließend für ein Studium im Fach "Dokumentarfilm und Fernsehpublizistik" an der HFF München. Molitors erster Dokumentarfilm "Február" lief auf zahlreichen Festivals und gewann den Publikumspreis "UndBitte". Auch ihr zweiter Film "Prohlis" wurde mit Preisen gekürt. Sie ist als freiberufliche Dokumentar-Regisseurin und Produzentin tätig. Bei den diesjährigen 55. Internationalen Hofer Filmtagen präsentiert Marlene Molitor ihren dokumentarischen Kurzfilm "Erwachsen oder sowas".

Die Begründung der Jury:
"Der Film porträtiert Aimee, Anissa und Lea im Transitraum zwischen Pubertät und Erwachsensein. Die gelungene Auswahl der Episoden und unaufdringliche Kameraarbeit überwinden dabei den Abstand zwischen Leinwand und Kinostuhl und lassen uns unmittelbar den Alltag der Protagonistinnen durchleben. Dadurch gelingt es der Regisseurin, drei jungen Frauen einen filmischen Raum zu eröffnen, in dem sie offen und überraschend direkt über Sexualität, Instagram und Zukunft sprechen können. Die Jury des Kurzfilmpreises der Stadt Hof gratuliert Marlena Molitor zu ihrem herausragenden Kurzfilm."

 

Granit - Hofer Dokumentarfilmpreis

Der Granit - Hofer Dokumentarfilmpreis, gestiftet von der Hermann und Bertl Müller Stiftung, wird für den besten Dokumentarfilm verliehen und ist mit einem Preisgeld von 7.500€ dotiert. Dieses Jahr bilden Marcus Richardt, Cordula Kablitz-Post und Douglas Wolfsperger die Jury.

Der Preis geht an
"Luchadoras" von Patrick Jasim und Paola Calvo
"Luchadoras" thematisiert eines der wohl bedrückendsten und extremsten Verbrechen unserer Zeit: die massenhaften Femizide an der mexikanisch-amerikanischen Grenze in Ciudad Juarez. Mit eindringlichen, teils essayistischen und ästhetischen Bildern gefilmt, erzählen Patrick Jasim und Paola Calvo die Geschichte von drei mexikanischen Lucha Libre-Wrestlerinnen, die am eigenen Leib Gewalterfahrungen erlebt haben oder für ein besseres Leben und Frauenbild kämpfen. "Luchadoras" ist ein mutiger Film und ein kraftvolles Zeichen des Aufbruchs für Frauen innerhalb der mexikanischen Gesellschaft.

Außerdem wird eine lobende Erwähnung ausgesprochen für den Film
"Seaside Special" von Jens Meurer

 

Bild-Kunst-Förderpreis

Die Jury des Bild-Kunst-Förderpreises sind in diesem Jahr: Kostümbildnerin Susanne Roggendorf (VSK), die Szenenbildnerinnen Josefine Lindner (VSK) und Josina von Minckwitz sowie die Szenenbild-Studierenden Luisa Niederschuh (ifs) und Nele Seifert (Ludwigsburg). Seit 2004 besteht der Preis aus einer Auszeichnung für das beste Kostümbild und das beste Szenebild. Beide Preise sind mit jeweils 2.500€ Euro dotiert. In der Auswahl standen 15 deutsche Spielfilm-Produktionen, die bei den Hofer Filmtagen ihre Deutschland-Premiere feierten.

Der Bild-Kunst-Förderpreises für das beste Kostümbild 2021 geht an
Hannah Ebenau und Sabrina Krämer für "Trümmermädchen"
und der Bild-Kunst-Förderpreises für das beste Szenenbild 2021 an
Yvonne Leuze bei "Trümmermädchen"

Sabrina Krämer und Hannah Ebenau werden für die gut recherchierte und umgesetzte Kostüme der 1940er Jahre ausgezeichnet: Das Gesamtkonzept des Films erlaubt Abstecher in andere Zeiten, die sehr gefühl- und kunstvoll in die filmische Zeit eingefügt wurden, ohne sich hierbei aufzudrängen. Den beiden Kostümbildnerinnen gelang es, über Farben, Schnitte und Schmuck einen kunstvollen Bogen zu spannen und mit diesen gestalterischen Mitteln eine überzeugende Entwicklung der einzelnen Charaktere abzubilden. Yvonne Leuzes starke Konzeption zeichnet die schwarz-weiße Welt einer zerstörten und misogynen Gesellschaft, die bruchstückhaft in der Unendlichkeit eines abstrakt-dunklen Raumes aufscheint. Raffinierte Baukonstruktionen lassen Trümmerberge und Straßenzüge entstehen, die die Gratwanderung zwischen Realem und kulissenhafter Reduktion ausloten. Im Kontrast dazu stehen die aufwendigen und liebevoll ausgestatteten Sets des Theaters "Proto": Ort der schmerzvollen Konfrontation und befreienden Selbstermächtigung. Lustvoll bis schrecklich brennt sich die Visualität von "Trümmermädchen" in die Netzhaut.

 

Hofer Kritiker Preis 2021

Der Hofer Kritiker Preis 2021 wird vom Schweizer Kritikerverband SVFJ und dem Berufsverband deutscher Medienjournalisten gestiftet und zum ersten Mal bei den Hofer Filmtagen ausgelobt. Die Jury bilden die Journalist*innen Ingrid Beerbaum (Berlin), Rolf Breiner (Schweiz) und Katharina Dockhorn (Berlin).

In diesem Jahr wird der Preis geteilt und geht an zwei Filme:
für die beste Regie an
"The Saint of the Impossible" von Marc Wilkin und an
"Das schwarze Quadrat" für die Produktion Frisbeefilms GmbH & Co.KG

Die ständige Angst vor Entdeckung und Abschiebung prägt das Leben der Peruanerin Raffaela und ihrer Söhne in "The Saint of the Impossible". Sie flüchteten nach New York in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Mit dem Schicksal der kleinen Familie im Land der unbegrenzten Möglichkeiten illustriert der Schweizer Regisseur Marc Wilkins eindrucksvoll, mit hoher Authentizität und emotional nachvollziehbar das Schicksal von Millionen Geflüchteten und illegalen Migranten. Er bleibt dicht an der Realität ihres Alltags im Schatten der Glamourmetropole und zeigt mit ungeschminkten Bildern auch die Fluchtursachen in ihrer Heimat.
Bei der fulminanten Komödie "Das schwarze Quadrat" gingen das ambitionierte Drehbuch des Regiedebütanten und Autodidakten Peter Meister mit dem Mut einer Produktionsfirma eine kongeniale Liaison ein. Manuel und Alexander Bickenbach von Frisbeefilms GmbH & Co.KG unterfütterten die Geschichte um den Alptraum Kreuzfahrt für zwei kleine Gauner mit der passenden Finanzierung und legten so die Grundlage für eine handwerklich überzeugende und cinematografisch stimmige Umsetzung.

 

Hofer Goldpreis der Friedrich-Baur-Stiftung 2021

Der Hofer Goldpreis der Friedrich-Baur-Stiftung vergeben durch die Bayerische Akademie der schönen Künste in memoriam Heinz Badewitz wurde in diesem Jahr zum vierten Mal vergeben. Er ist einer der höchstdotierten Preise für Nachwuchsfilmemacher, die in Deutschland ausgelobt werden. Der Preis zeichnet die Erstlingsarbeit einer Regisseur*in für einen Langspielfilm deutscher Produktion aus, die in Hof Premiere feiert. Der Hofer ist mit einem Wert von zur Zeit ca. 36.000,- € in zertifiziertem Gold dotiert, verbunden mit einer einjährigen Mentoren-Beratung. In diesem Jahr hat Regisseur, Produzent und Leiter der Abteilung Film- und Medienkunst der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, Philip Gröning, die Aufgabe übernommen. Die Preisträger*innen erhalten zu dem Goldbarren auch eine Stehle "Heinz-Badewitz-Preis", die in der Designfachschule Selb entworfen wurde.

Der Hofer Goldpreis der Friedrich-Baur-Stiftung vergeben durch die Bayrische Akademie der schönen Künste in memoriam Heinz Badewitz 2021 geht in diesem Jahr zu gleichen Teilen an
den Regisseur Lukas Röder für seinen Film "Gehirntattoo"
und die Regisseurin Alisa Kolosova für ihren Film "Charly"

Jurorenbegründungen von Philip Gröning:
"Das Kino ist ein Messgerät. Hier misst das Kino – und nur das Kino kann das so tun – wie der Umgang mit den Bildern ein gleichzeitig radikal persönlicher und radikal öffentlicher wurde. Und wie dies alle Beziehungen ändert. (...) Ein Film, in dem es zum einen, um die psychischen Krankheiten geht, über die die drei Figuren definiert sind. Und ein Film, in dem zum anderen im Laufe der Tage die Rollen wandern. Die einen sich als gesünder definieren am anderen, den sie als kranker empfinden. Wo aus einem Gleichsein langsam auch Ausbeutungsverhältnisse, Abgrenzungsverhältnisse deutlicher werden: Die Bilder, auch im scheinbar privaten, folgen ihrer eigenen Logik, verlangen Steigerung, verlangen Gestaltung. Mediale Realität, die Sicherheit scheint, und zugleich paranoischer wird. Gegenseitige Anziehung die von Manipulation nicht mehr unterschieden ist. Angstgefühle, die gleichzeitig Machtfantasien sind. Die sozialen Medien sind vor allem eins: Beschleuniger und Kondensatoren. All dies ist so spannend, weil eigentlich nichts geschieht. Ein wenig wird gesprochen, und doch schaue ich gebannt zu. Weil es wirklich ist. Und ich zugleich weiß, dass es nicht wirklich ist. Genau dies ist die Beschreibung der neuen Wirklichkeit. Das Kino ist ein Messgerät. Die Messung findet im Zuschauer statt. In diesem Fall in mir. Selten habe ich prägnantere Figuren einer Erzählung erlebt. Sie sind mir geblieben."

"Das Kino ist ein Messgerät. Es kann alles messen. Das Herz der Messung aber ist der Zuschauer selbst. Wie Charly, nach dem Zerbrechen ihrer Lebensbeziehung traumartig durch Deutschland wandernd sich und ihre Weltsicht wieder aufbaut und heilt, das ist das eine, was hier erzählt wird. Wie aber ein Deutschland und Menschen, Situationen, die allesamt unter der medialen Ausbeutung verschollen sind, hier wieder langsam sichtbar werden, das ist das andere. Es ist nichts, was erzählt wird. Es ist eher etwas, was dem Zuschauer zustößt. Im besten Sinne des Wortes. Eine fast unmerkliche Öffnung der Sinne. Eine Öffnung kann man nicht wollen. Eine Öffnung geschieht. Und das ist das Problem. Zerrissen zwischen der Uneigentlichkeit ihrer Wünsche und ihrer persönlichen Stärke erlebt Charly das Zerbrechen ihrer Lebensbeziehung, und das ist nur konsequent. Aus der Uneigentlichkeit der eigenen Wünsche aufzutauchen ist umso schwerer, je stärker man ist. Auch die Personen, denen Charly begegnet folgen uneigentlichen Wünschen, leben in einer Gesellschaft in der das Uneigentliche die Norm ist. Charlys irrender Reise folgend bewegt sich schließlich auch die Form des Films: Fort von einer Logik des persönlichen und narrativen Funktionierens und hin zu einer Logik der Vernetzung, der Zufälle die nutzlos erscheinen, und doch in einen Sinn fallen. Dem schauen wir zu. Einer Häutung, die zum Wachstum wird. Langsam, vielschichtig, poetisch. Und es blieb mir. Blieb im Herzen dieses Messgeräts Kino, das ich als Zuschauer notwendig selber bin. Als Beschreibung unserer Gesellschaft. Und eines der möglichen Gegenmittel. Einer Abkehr vom Wollen."

 

Hans-Vogt-Filmpreis 2021 geht an Asteris Kutulas

Der mit 5.000€ dotierte Hans-Vogt-Filmpreis der Stadt Rehau ist an Filmschaffende gerichtet, die mit Innovation und Sorgfalt ihren Filmen besondere Qualität und Wertigkeit mit auf den Weg gegeben haben und dabei besonders auf ihre Filmmusik achten. In diesem Jahr geht der Preis an den Autor, Filmemacher und Produzenten Asteris Kutulas.

Asteris Kutulas wurde am 5. April 1960 in Oradea, Rumänien als Sohn griechischer Emigranten geboren. Nach dem Umzug seiner Familie in die DDR ging Kutulas in Dresden zur Schule und absolvierte dann ein Studium in Germanistik und Geschichte der Philosophie in Leipzig. Er war lange als Übersetzer tätig und bearbeitete dabei unter anderem diverse Schriften von Mikis Theodorakis. Im Laufe der Zeit veröffentlichte er als Autor eigene Werke und arbeitete als Musik- und Eventproduzent sowie als Manager. 2014 begann er mit der Produktion seines Filmprojekts "Dance Fight Love Die – Unterwegs mit Mikis", welches 2017 Weltpremiere bei den Internationalen Hofer Filmtagen feierte.

Bei den diesjährigen 55. Internationalen Hofer Filmtagen präsentiert er seine Liquid-Staging-Installation ELECTRA '21. "Schon lange hatte ich die Vision, die Welt des Kinos mit der Welt des Balletts und der Show-Welt zu verbinden: in einem Kunstwerk für das 21. Jahrhundert." Die Installation besteht aus vier gleichzeitig laufenden Filmen, die alle auf derselben Musik-Aufnahme derselben Electra-Opern-Musik von Mikis Theodorakis basieren. Absolut synchron werden dazu auf vier Leinwänden vier Filme abgespielt, die verschiedene Ballett-Szenen und Orchester-Proben zeigen.

Mit dem Hans-Vogt-Filmpreis soll an die Pionierleistung des 1890 im Rehauer Ortsteil Wurlitz geborenen Ingenieurs Hans Vogt erinnert werden, der entscheidend an der Erfindung des Tonfilms beteiligt war und für eine neue Ära in der Geschichte des Kinos sorgte.

Quelle: www.hofer-filmtage.com