Die Gewinner von goEast 2012

Mit der feierlichen Preisverleihung endete am Dienstagabend in Wiesbaden das Festival des mittel- und osteuropäischen Films, veranstaltet vom Deutschen Filminstitut.


"Neben dem aktuellen osteuropäischen Kino, dass wir präsentiert haben, stießen vor allem die filmhistorischen Programme auf ein reges Publikumsinteresse", betonte goEast-Festivalleiterin Gaby Babic in ihrem Abschlussstatement. Die Moderatorin von 3sat-"Kulturzeit", Cécile Schortmann, führte durch die Preisverleihung in der voll besetzten Caligari FilmBühne.

Zehn Spiel- und sechs Dokumentarfilme konkurrierten in der vergangenen Woche im Wettbewerb um die vier Hauptpreise. Die unabhängige Jury unter dem Vorsitz des rumänischen Regisseurs Cristi Puiu gab nun ihre Entscheidung bekannt: Der mit 10.000 Euro dotierte ŠKODA-Preis "Die Goldene Lilie" für den Besten Film, gestiftet von ŠKODA AUTO Deutschland, geht an "Leben" (Russland 2012) von Vasiliy Sigarev. Der Film hat den Mut, das Unaussprechliche auszusprechen – so wie es nur der Film vermag, begründet die Jury ihre Entscheidung.

Der Gewinner des Dokumentarfilmpreises "Erinnerung und Zukunft", ebenfalls mit 10.000 Euro dotiert, ist "Revision" (Deutschland 2012) von Philip Scheffner. Für uns zur Erinnerung daran, dass genuine Neugier, Leidenschaft und Solidarität im Dokumentarfilm entscheidend sind für eine sorgfältige Recherche und Exploration. Und dafür, dass wir als Zuschauer diese Neugier, Leidenschaft und Solidarität erleben und an der Recherche und Exploration teilhaben dürfen, so die Jury. Die Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" zeichnet mit dem Preis Filmschaffende für ihr kritisches Engagement aus und will zu weiteren Dokumentarfilmprojekten anstiften.

Den Preis der Landeshauptstadt Wiesbaden für die Beste Regie (7.500 Euro) erhält "Avé" (Bulgarien 2011) von Konstantin Bojanov. Die Jury zeichnet diesen Film für ein sicheres und bemerkenswert präzises Regietalent aus, dank dessen ein scheinbar bedeutungsloses Thema zu einem bewegenden Ereignis wird.

"Für Mutter der Himmel" (Kasachstan 2011) von Aktan Arym Kubat ist der Gewinner des Preises des Auswärtigen Amts "für künstlerische Originalität, die kulturelle Vielfalt schafft" (2.000 Euro).

Lobende Erwähnung der Jury fand der Dokumentarfilm "Wird es dort oben ein Theater geben?!" (Georgien 2011) von Nana Janelidze.

Eine eigene Jury der FIPRESCI, der internationalen Vereinigung von Filmkritikern- und Filmjournalisten, verleiht jährlich den "Preis der internationalen Filmkritik". In diesem Jahr ging dieser Preis an "Leben" (Russland 2012) von Vasiliy Sigarev.
 
Zum sechsten Mal verlieh die Robert Bosch Stiftung bei goEast den Filmförderpreis für Koproduktionen von NachwuchsfilmemacherInnen aus Deutschland und Ländern Osteuropas in den Kategorien Animations-, Dokumentar- und Kurzspielfilm. In der Kategorie Animation geht der Filmförderpreis für Koproduktionen 2012 an das bulgarisch-deutsche Projekt "Mango Manga" des Produzenten Samuel Weikopf, des Regisseurs Milen Vitanov und der Drehbuchautorin Vera Trajanova. Das Projekt stellt sich der Herausforderung, Misstände gegenüber einer Minderheit mit artistischer und kommerzieller Animationstechnik auszudrücken. Preisträger in der Kategorie Dokumentarfilm ist das armenisch-deutsche Filmvorhaben "The Chosen Ones" der Regisseure Arman Yeritsan und Yulia Grigoryants und des Produzent Fabian Gasmia. Die Jury lobte die inspirierende Geschichte, die beweist, dass Zuversicht und Optimismus unabhängig von Alter und Lebensumständen möglich ist. Den Preis in der Kategorie Kurzspielfilm erhält die kosovarisch-deutsche Koproduktion "I’ll go to war, but first make me coffee" der Produzenten Catharina Schreckenberg und Arben Zharku sowie des Regisseurs Ariel Shaban. Das Team überzeugte die Jury mit einem Filmprojekt, das den Alltag und die Gefühle einer kosovarischen Familie in Kriegszeiten in einen anrührenden Film voller Leben überträgt. Der Filmförderpreis ist mit bis zu 70.000 Euro pro Projekt und einer Gesamtfördersumme von bis zu 210.000 Euro eine der höchst dotierten Auszeichnungen für Nachwuchsprojekte in Deutschland.

Die schon Samstagnacht bekannt gegebenen Gewinner der Publikumspreise im Hochschulwettbewerb nahmen am Dienstagabend ihre Preise offiziell in Empfang. Der Förderpreis der BHF-BANK-Stiftung, dotiert mit 1.500 Euro, für den besten Beitrag einer osteuropäischen Hochschule geht an "Boys, where are you?" (Serbien 2011) von Jelena Gavrilovic, Studentin der Hochschule FDU Belgrad. Ausschlaggebend für die Entscheidung der dreiköpfigen Jury des Hochschulwettbewerbs waren die eindringlichen, kühl komponierten Bilder und der minimalistische Plot des Coming-of-Age-Dramas über die emotionale Leere einer Generation auf der Suche.

Die Mischung macht's, das zeigt die zurückliegende Festivalwoche: Reale Lebenswelten und Utopien, Aktuelles und Historisches, Drama und Komödie, Klassiker und Neuentdeckungen begeisterten Publikum und Festivalgäste gleichermaßen.

Der goEast-Wettbewerb präsentierte mittel- und osteuropäische Filmproduktionen des vergangenen und des aktuellen Produktionsjahres. Arbeiten von erfolgreichen Autorenfilmern waren ebenso vertreten wie die von Erfolg versprechenden Newcomern.

Das diesjährige Porträt zeigte die erste komplette Werkschau des Regisseurs Sergei Loznitsa in Deutschland. Die sowjetische Geschichte und der postsowjetische Alltag im russischen Hinterland sind die Themen seines Filmschaffens. In einem Werkstattgespräch stellte er die Arbeit an seinem zweiten Spielfilm "Im Nebel" vor, der seine Weltpremiere im Wettbewerb der 65. Internationalen Filmfestspiele dieses Jahr in Cannes feiern wird.

Das von Barbara Wurm und Olaf Möller kuratierte goEast-Symposium "RealAvantGarde – Mit Lenfilm durch das kurze 20. Jahrhundert" widmete sich dem ältesten (sowjet-)russischen Filmstudio und wagte eine filmgeschichtliche Relektüre: In Filmen, Einzelvorträgen und einer Podiumsrunde beleuchteten die Teilnehmenden die Entwicklungsphasen des Studios sowie die Wechselwirkungen von Zeit- und Filmgeschichte.

Mit Coming-of-Age-Geschichten, Bildern von Protestbewegungen oder einem Podium zum queeren Aktivismus auf dem Balkan versammelte die Festivalsektion Beyond Belonging verschiedene Perspektiven auf das Thema Protest. In historischen und neueren Werken fand dabei die filmisch vermittelte Sehnsucht nach einer besseren Welt ihren Platz.

Die zahlreichen Gäste der diesjährigen Matinée bewunderten Joachim Król in der für ihn maßgeschneiderten Hauptrolle des Matthias Bleuel in "Ausgerechnet Sibirien" (Deutschland, Russland 2012). Dank der Unterstützung von goEast-Partner ŠKODA AUTO Deutschland war er bei der Deutschlandpremiere dieser charmant-skurrilen Komödie persönlich anwesend.

Im Anschluss an die große goEast-Preisverleihung feierten Filmschaffende, Gäste und KinobesucherInnen bis in die frühen Morgenstunden das gelungene Festival, begleitet von den Interpretationen osteuropäischer Musik der polnischen Sängerin Karolina Trybala.

goEast – Festival des mittel- und osteuropäischen Films wird von zahlreichen Partnern unterstützt: Hauptförderer sind das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst, die Landeshauptstadt Wiesbaden, ŠKODA AUTO Deutschland, die Robert Bosch Stiftung, die Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft", die BHF-BANK-Stiftung, die Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen und die Nassauische Sparkasse.

Weitere Informationen finden Sie im Internet unter www.filmfestival-goEast.de