Inhalt
Unabhängig produzierter dokumentarischer Spielfilm, in dessen Mittelpunkt der fast 100-jährige Taxifahrer Augusto Macedo steht, der seit einer Ewigkeit sein uraltes Taxi durch die engen Gassen Lissabons lenkt, einer Stadt, in der die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Ein poetisches Porträt auch der portugiesischen Hauptstadt, erzählt durch die Augen des greisen Macedo und die Geschichten der, zum Teil fiktiven, Figuren, denen er auf seinen Fahrten begegnet.
Kommentare
Sie haben diesen Film gesehen? Dann freuen wir uns auf Ihren Beitrag!
Jetzt anmelden oder registrieren und Kommentar schreiben.
Im Jahr 1928, als noch die Wagen von Pferden oder gar Eseln gezogen wurden, kam Macedo in die Stadt. Vor über siebzig Jahren, mit Beginn der Herrschaft Antonio Salazars, kaufte ihm ein Freund ein Oldsmobile, mit dem er bis zuletzt durch die abschüssigen Straßen fuhr – über zwei Millionen Kilometer mit dem ersten Motor! Zu seinen Fahrgästen gehörte einst der Dichter Fernando Pessoa, aber Macedos Leben beherrschen die Stammgäste - und das altertümliche Kofferradio, mit den er sich die Wartezeit vertreibt, und aus dem die Verse des portugiesischen Nationaldichtes Pessoa zu ihm sprechen.
Einige dieser Stammgäste porträtiert Wolf Gaudlitz zur stimmungsvollen Musik Gert Wildens: Zusammen mit seinen Kameraleuten Claus Langer und Roger Hinrichs ist dem Regisseur so auch ein Porträt der Stadt gelungen, die sich, obwohl eine geschäftig-pulsierende Hauptstadt mitten im Europa des ausgehenden 20. Jahrhunderts, ihren eigenen Rhythmus, ihre eigene Melodie bewahrt hat.
Da ist Herr Wajsberg, ein aus Prag deportierter Jude, der seit seinem sechsten Lebensjahr in Lissabon lebt und jeden zu kennen scheint. Da ist Josefina Lind, die Fremdenführerin, die in ihrer unsteten, rastlosen Art nicht nur Herrn Wajsberg manchmal auf die Nerven geht. Da ist Eduardo Rafael, ein versponnener Schuhputzer, der viel lieber im Staatsdienst arbeiten würde, sich aber mit seinem Schicksal abgefunden hat – und voller Stolz von seiner prominenten Kundschaft spricht.
Da ist Thorsten, ein Jongleur aus Sibirien, der mit Gauklern und anderen obskuren Gestalten so etwas wie den surrealen Humus der Stadt am Meer bildet. Da ist Antonio Torchiaro, der als 17-jähriger mittelloser Junge aus Südtirol nach Deutschland auswanderte, um das große Geld zu machen, was ihm auch gelang, und der nun im Vorfeld der „Expo“-Weltausstellung einen amerikanischen Sandwichladen eröffnen will. Antonio hat sich in die reizende Ana Teresa Sousa verliebt, die seit ihrem zehnten Lebensjahr zu Macedos regelmäßigen Fahrgästen gehört – und naturgemäß nur von ihm zur Hochzeit kutschiert werden möchte.
Da sind der Schriftsteller Vergilio Ferreire, der taubstumme Sergio Lo Verde, der „Nemo“ Jean Schlegel und nicht zuletzt die greise Hamburger Fotografin Leonore Mau, die Macedo vor dreißig Jahren erstmals ablichtete und nun neue Fotos von ihm und seinem Oldtimer-Taxi machen möchte.
Es sind die merkwürdigsten, aber immer liebeswürdigen Menschen, welche die Zeitläufte nach Lisboa verschlagen haben, wo sie zwangsläufig mit Macedo in Berührung gekommen sind. Das Leben, zeigt uns Wolf Gaudlitz in berückend schönen Bildern, ist ein langsamer Fluss. Aber manchmal kommt auch Bewegung in seine Fluten, etwa wenn der genervte Pizzabäcker Antonio sein Handy ins Hafenbecken wirft, um sich endlich ganz seinem süßen Mädel widmen zu können...
Pitt Herrmann