Inhalt
Der Berliner Straßensänger Bruno Stroszek ist seit jeher ein Außenseiter. Nachdem er, wieder einmal, aus dem Gefängnis entlassen wird, beschließt er, ein neues Leben zu beginnen. Mit der Prostituierten Eva und dem Nachbarn Herrn Scheitz geht er nach Amerika. Dort angekommen, fährt das Trio zunächst nach Wisconsin, denn dort lebt Scheitz' Neffe, der ihnen Arbeit verspricht. Die Freunde kaufen sich ein "mobile home", Stroszek arbeitet als Mechaniker und Eva geht neben einer offiziellen Tätigkeit als Kellnerin wieder der Prostitution nach. Doch als Eva mit zwei Truckern verschwindet und Bruno und Scheitz den Bankkredit nicht mehr abzahlen können, wird ihr Zuhause versteigert. Da sie nun keine Perspektive mehr haben, beschließen sie, die Bank zu überfallen, die ihnen das Dach überm Kopf genommen hat.
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Die erste Station nahe der kanadischen Grenze gibt Hoffnung: Eva arbeitet in Plainsfield/Wisconsin als Kellnerin, und Bruno, mit dem sich eine Art Liebesgeschichte entwickelt, als Aushilfe in der Autowerkstatt von Scheitz’ Neffen, der in Deutschland seinen Militärdienst bei der US-Army abgeleistet hat. Doch Eva sehnt sich nach einem anderen Leben, verlässt Bruno, um mit einem Fernfahrer nach Kanada weiterzuziehen. Bruno und Seitz hoffen, mit einem Banküberfall ihrer finanziellen Sorgen ledig zu werden. Dieser ist jedoch so dilettantisch vorbereitet, dass Scheitz gefasst wird und Bruno sich nur mit Mühe in ein Indianerreservat flüchten kann.
Werner Herzog und sein Kameramann Thomas Mauch zeigen befremdliche Bilder einer leeren, fast toten amerikanischen Steppe. Man friert geradezu, wenn man die Straßenkreuzer auf den schier endlosen Wüstenpisten fahren sieht, das Konservenbüchsenleben in den Mobile Homes verfolgt. Nein, für die drei geschundenen Berliner auf der Suche nach sich selbst, nach ein wenig häuslicher Geborgenheit, kommt’s eher noch schlimmer. Werner Herzog zeichnet in seinem von ihm „Ballade“ genannten Road-Movie, das einst zu den Perlen des „Jungen Deutschen Films“ gezählt wurde und heute, rückblickend, Herzogs immer wiederkehrende, durchaus kritische Beschäftigung mit den Vereinigten Staaten von Amerika begründet hat, die ganze Kälte amerikanischer Highway-Restaurants und die animalische Triebhaftigkeit der Truck-Driver. Hier ist der Mensch ganz Sex-Maschine und der Selbstmord des Titelhelden erscheint da geradezu als Erlösung.
Und doch gibt es auch Szenen und Schauplätze, die aus dem realen Berliner Leben des Protagonisten Bruno S. stammen. Der überzeugte in seiner ersten Hauptrolle in Werner Herzogs Film „Jeder für sich und Gott gegen alle“ (1974), sodass er die Titelrolle in der Büchner-Adaption „Woyzeck“ übernehmen sollte. Da sich der Regisseur dann doch für Klaus Kinski entschied, schrieb er eigenen Angaben zufolge innerhalb von fünf Tagen das ganz auf Bruno S. zugeschnittene Drehbuch zu „Stroszek“. Der Berliner Bruno Schleinstein (1932-2010) verbrachte ab seinem dritten Lebensjahr gut zwei Jahrzehnte in Heimen und Heilstätten, bevor er erst 1956 als von einer Nervenkrankheit geheilt entlassen wurde. Danach schlug er sich als Gelegenheitsarbeiter und Straßenmusiker durch, bis ihn Werner Herzog im Dokumentarfilm „Bruno, der Schwarze“ von Lutz Eisholz (1970) über Berliner Außenseiter entdeckte.
Der Name „Stroszek“ ist laut Herzog eine Reverenz an seinen Kommilitonen Hauke Stroszek, der für ihn eine Seminararbeit geschrieben hat. Seinerzeit versprach Herzog ihm scherzhaft, dass er ihn zum Dank unsterblich machen werde. Den Namen hatte der Regisseur bereits bei seinem Spielfilmdebüt „Lebenszeichen“ verwandt, der, uraufgeführt am 25. Juni 1968 im Wettbewerb der 18. Berlinale, mit dem Silbernen (Sonder-) Bären für die erste Spielfilm-Regie ausgezeichnet wurde. Darin spielt der Schweizer Schauspieler Peter Brogler den deutschen Soldaten Stroszek, der am Ende des Zweiten Weltkriegs auf einer abgelegenen griechischen Insel stationiert ist und dort, von Hitze und Isolation gequält, den Verstand zu verlieren droht.
„Stroszek“ ist bereits am 12. Januar 1977 in den USA in die Kinos gekommen, also vor der als „Uraufführung“ titulierten Europa-Premiere Mitte Mai 1977 in Cannes am Rand des Int. Festivals, auf dem „Der amerikanische Freund“ von Wim Wenders im Wettbewerb lief. Nach dem deutschen Kinostart am 20. Mai 1977 und der Präsentation auf der 27. Berlinale im Juni 1977 gabs 1978 den Preis der Deutschen Filmkritik. Die TV-Erstausstrahlung lief am 18. Juni 1979 im ZDF.
Pitt Herrmann