Palermo Shooting

Deutschland Italien Frankreich 2007/2008 Spielfilm

Inhalt

Der erfolgreiche und berühmte Fotograf Finn führt ein rast- und ruheloses Leben in der Promi-Szene von Düsseldorf. Als seine Mutter stirbt und Finn wenig später nur knapp einem tödlichen Autounfall entgeht, beschließt er, sein bisheriges Leben zumindest vorerst hinter sich zu lassen: Nach einem Mode-Fotoshooting in Sizilien klinkt er sich kurzerhand aus und streift ziellos und gedankenverloren durch Palermo. Dabei lernt er die hübsche Flavia kennen, die Wandmalereien restauriert. Schließlich begegnet Finn in der Metropole jenem mysteriösen Mann, mit dem er beinahe seinen Autounfall hatte. Er entpuppt sich als der Tod höchstpersönlich – und versucht nun, mit Pfeil und Bogen bewaffnet, Finn doch noch ums Leben zu bringen.

 

Kommentare

Sie haben diesen Film gesehen? Dann freuen wir uns auf Ihren Beitrag!

Heinz17herne
Heinz17herne
Der Düsseldorfer Fotograf Finn (nicht ohne Musik-Knopf im Ohr: ein als Künstlerfigur sehr authentischer Andreas Frege alias Campino) ist ein vielgefragter Mann, von Museen ebenso wie von Agenturen. Und besonders, da weltweit erfolgreich in der Modeszene, von Hochglanzmagazinen. Das Geschäft brummt, birgt aber auch Gefahren, auf die ihn sein Manager Julian immer wieder hinweist: Ist der vergleichsweise wesentlich lukrativere Kommerz-Anteil seiner Arbeiten zu hoch, verlieren die Museen das Interesse – und Finns Kunst-Marktwert, nicht weniger ein kommerzieller Maßstab, sinkt.

Aber noch ist es nicht soweit. Wenn er seine Wohnung betritt, ein großzügiges Studio mit herrlichem Blick auf den Rhein, das in seiner kalten Nüchternheit stark an die Essener Design School auf Zollverein erinnert (Finn verlegt ein Modefoto-Shooting vor die grandiose Hochofenkulisse der Kokerei Zollverein), quillt die Phonebox über: „23 Anrufe in Abwesenheit – Wann war ich zuletzt anwesend?“. Wenn Finn ’mal wieder gerade nicht weiß, wo er ist, wenn er von einem seiner surrealen, mit Zitaten aus Filmgeschichts-Klassikern aufgeladenen Alpträume aufwacht, in denen er von einem mysteriösen Bogenschützen in Mönchskutte verfolgt wird, stößt er an die eigenen Grenzen: „Was ist heute für ein Tag? Ich habe keinen Schimmer. Früher ist die Zeit irgendwie anders vergangen.“

Dann sucht er zumindest für kurze Zeit auszubrechen, trifft sich etwa mit Karla in einem längst geschlossenen Freibad, um einen erneuten Versuch zu starten, seine Angst vor dem Wasser, die ihn seit frühester Kindheit im Griff hat, endlich zu überwinden. Oder er setzt sich mitten in der Nacht in sein Cabrio, um durch Düsseldorf zu jagen, immer mit dabei seine 360-Grad-Kamera. Dabei entgeht er eines Nachts nur knapp einem Geisterfahrer, den er freilich im Bild eingefangen hat. Er lässt mit schlotternden Knien sein Fahrzeug stehen, läuft kopflos an den nicht von dieser Welt wirkenden hell leuchtenden Neon-Bänken des Hofgartens entlang und landet am Tresen des Künstlerhauses „Malkasten“.

Kopflos ist das Stichwort: Finn hechelt einem nicht näher definierten Ziel hinterher, das Leben heißt, oder Erfolg, Anerkennung oder Befriedigung. Nach dem Tod seiner Mutter ist auch der letzte familiäre Ankerpunkt dahin, und die ganzen lockeren Frauenbekanntschaften, unter denen nicht eine richtige Freundin zu finden ist, nennt er praktischerweise nach den Namen der Städte, in denen sie wohnen, weil er sich das so leichter merken kann.

Finn, der Fotografie an der Düsseldorfer Akademie lehrt, muss sich zu Recht von einer engagierten und von ihm enttäuschten Studentin attackieren lassen, als er bei einer höchst umstrittenen Beurteilung von Arbeiten seiner Schüler ein merkwürdiges, ganz und gar kommerzielles Credo offenbart: „Wenn die Dinge nur Oberfläche sind“, so die Studentin, „wenn es kein ’dahinter’ gibt, dann lohnt es sich nicht zu fotografieren.“

In seinen Träumen begegnet Finn nicht nur immer wieder der Bogenschütze, sondern auch ganz irdische Engel. Wie Lou Reed, der Geist aus der Jukebox, der Finn fragt: „Warum hast zu Angst? Vor dem Tod?“. Wie das hochschwangere Topmodel Milla Jovovich, mit der er ein außergewöhnliches Mode-Shooting absolviert und die ihn eindringlich ermahnt, seinen Künstlerstatus nicht aufs Spiel zu setzen durch sein Jet-Set-Leben. Wie ein Banker, der als Schäfer in Smoking und Fliege seine Herde hütet und dem offenbar lebensüberdrüssigen Finn rät: „Man muss einfach alles todernst nehmen, nur sich selbst nicht.“

„So leben, als sei der Tag der letzte“: Der Schäfer weist Finn den Weg und ein Lastkahn namens „Palermo“ gibt die Richtung an. Finn gönnt sich eine Auszeit auf Sizilien. Zwar nicht ohne die Musik-Ohrstöpsel und schon gar nicht ohne die Kamera, aber offenbar erstmals seit vielen Jahren ohne jede Verpflichtung. In Palermo wird er Zeuge einer Theaterprobe, schläft erschöpft auf einer Bank ein. Als Finn erwacht, bemerkt er eine attraktive junge Frau, die ihn offenbar gezeichnet hat. Es ist Flavia, die in einer wunderschönen alten Kirche eine gewaltig dimensionierte Wandmalerei restauriert. Die Pfeil-Symbolik „ihres“ Freskos „Trionfo della morte“ führt Finn auf die Spur des Bogenschützen, der sich am Ende auch als der Düsseldorfer Geisterfahrer entpuppt: „Der Tod ist ein Pfeil aus der Zukunft, der auf dich zufliegt“ erläutert Dennis Hopper, der Finn ein baldiges Ende prophezeit: „Du hast das Leben nicht gewürdigt.“ Der ist ein Tod wie in Hugo von Hofmannsthals „Jedermann“, nur dass es sich hier um ein Spiel vom Sterben des vielbeschäftigten Künstlers handelt. Wie Wenders auch das Memento-Mori-Motiv des Totentanzes verstehen wissen will als Mahnung, ein erfülltes Leben zu führen im ständigen Bewusstsein seiner Endlichkeit: Carpe diem.

„Palermo Shooting“ ist auch ohne direkte biographische Verweise eine Verbeugung vor großen Fotokünstlern wie Andreas Gursky und Peter Lindbergh, vor allem aber eine Hommage an Düsseldorf - als Metropole der Mode (-Fotografie) wie Geburtsstadt von Wim Wenders und seines Protagonisten Campino, als Frontmann der Düsseldorfer Punkrocker „Tote Hosen“ selbst ein Star, der weiß, um was es geht. In seiner, auch was die Filmzitate betrifft, bedeutungsschwangeren Verrätselung knüpft Wenders mit „Palermo Shooting“ beinahe nahtlos an zwei „himmlische“ Streifen mit Otto Sander und Bruno Ganz, „Der Himmel über Berlin“ von 1987 und „In weiter Ferne so nah“ von 1992, in gewisser Weise aber auch an Goethes „Wilhelm Meister“-Adaption „Falsche Bewegung“ an.

Wobei nun Franz Lustigs subjektive Kamera, gepaart mit ungewöhnlichen Perspektiven, und ein bemerkenswerter Soundtrack von Lou Reed und Nick Cave bis hin zu Beirut, Portishead und Calexico über so manche allzu verschlungenen Pfade des Regisseurs Wim Wenders hinweghelfen. Gewidmet ist „Palermo Shooting“ übrigens zwei Filmemachern, die im Entstehungsjahr des Films am selben Tag, dem 30. Juli 2007, verstorben sind und die sich beide auf jeweils eigene Art mit der Verlorenheit des Menschen in einer immer komplexer werdenden Welt auseinandergesetzt haben – Michelangelo Antonioni und Ingmar Bergman. Die TV-Erstausstrahlung erfolgte am 14. Juli 2011 auf Arte.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Regie

Regie-Assistenz

Drehbuch-Mitarbeit

Kamera

Standfotos

Kostüme

Mischung

Musik-Beratung

Produzent

Co-Produzent

Executive Producer

Herstellungsleitung

Produktionsleitung

Dreharbeiten

    • 19.09.2007 - 13.11.2007: Düsseldorf, Neuss, Essen, Palermo und Umgebung
Länge:
2962 m, 108 min
Format:
35mm, 1:1,85
Bild/Ton:
Farbe, Dolby SRD
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 25.09.2008, 115218, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (FR): 23.05.2008, Cannes, IFF;
Erstaufführung (DE): 13.11.2008, Lünen, Kinofest;
Kinostart (DE): 20.11.2008

Titel

  • Originaltitel (DE) Palermo Shooting

Fassungen

Original

Länge:
2962 m, 108 min
Format:
35mm, 1:1,85
Bild/Ton:
Farbe, Dolby SRD
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 25.09.2008, 115218, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (FR): 23.05.2008, Cannes, IFF;
Erstaufführung (DE): 13.11.2008, Lünen, Kinofest;
Kinostart (DE): 20.11.2008

Auszeichnungen

FBW 2008
  • Prädikat: Besonders Wertvoll