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Der junge Filmemacher Tobias Hansen vermutet, von den beiden wichtigsten Menschen in seinem Leben – seiner Freundin Ellen und seinem Bruder Markus – betrogen worden zu sein. Eines Tages entscheidet er sich, einen Dokumentarfilm über seinen Bruder, der Mitglied einer Band ist, zu drehen. Widerwillig lässt sich Markus darauf ein. Er ahnt nicht, was Tobias vorhat: Der lädt Ellen zu den Dreharbeiten auf der Tournee der Band ein, um herauszubekommen, was sich zwischen den beiden wirklich abspielte. Ellens Auftauchen lässt ungelöste Konflikte aufbrechen, jedoch versuchen die drei im Chaos der Gefühle ihre Verhältnisse zu klären.
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Als er eines Tages ein Plakat der „Hansen Band“ sieht, beschließt Tobias, einen Dokumentarfilm über seinen Bruder und die Band zu drehen. Auf diese Weise würden sich die Brüder endlich wieder näherkommen. Ellen bittet er mitzukommen. Das erste Konzert findet in einem Club in Hannover statt, wo Tobias ein Mädchen kennenlernt und die Nacht mit ihr verbringt. Am nächsten Abend, in Wilhelmshaven, stößt Ellen zur Band, obwohl es unter den Musikern das ungeschriebene Gesetz gibt, dass Frauen auf Tour unerwünscht sind.
Lange Fahrten im Bus, Herumsitzen in verrauchten Backstage-Zimmern, Übernachten in engen Betten: Rock’n Roll hatten sich Ellen und Tobias anders vorgestellt. Während sie den Alltag einer Tour erleben und eine ihnen bislang verschlossene Welt kennenlernen, treten die Probleme ihrer Beziehung immer deutlicher zutage. Mit wachsender Eifersucht beobachtet Tobias jedes Aufeinandertreffen von Ellen und seinem Bruder. Schon bald verschiebt sich der Fokus des Dokumentarfilms. Vor der Kulisse der „Hansen“-Tour macht Tobias schließlich einen ganz anderen Film als geplant, einen Film über die Frage: Wie gut kennt man die Menschen, die einem am nächsten stehen?
„Keine Lieder über Liebe“ ist ein Film, dessen Entstehungsgeschichte so einzigartig ist wie der experimentelle Charakter des Streifens selbst. Regisseur Lars Kraume hat Florian Lukas, Heike Makatsch und Jürgen Vogel drei Wochen lang auf eine Reise durch die norddeutsche Provinz geschickt – mit der extra für diese Produktion gegründeten „Hansen Band“, die den Drehschluss jedoch überlebte - mit Jürgen Vogel als Sänger.
Die Ausgangssituation war vorgegeben: Eine Frau steht zwischen zwei Brüdern. Der Fortgang der Handlung entwickelte sich jedoch ohne festes Drehbuch oder improvisiertes Script erst beim Drehen selbst. Entstanden ist, in bester Dogma-Manier nach dem Konzept der Skandinavier um Lars von Trier mit improvisierten Dialogen und wackeliger Handkamera, einer der ungewöhnlichsten deutschen Filme der jüngeren Zeit, der die Grenzen von Fiktion und Realität sprengt. Der mehr eine authentische Liebesgeschichte mit toller Musik (und wirklich alles live!) und großartigen Darstellern ist als ein Roadmovie oder eine Backstage-Semidoku.
Neben den bereits genannten sollte noch Monika Hansen erwähnt werden in der Rolle der alkoholkranken Mutter der beiden Brüder. Ihr gehört nur eine einzige, dafür aber nachhaltig beeindruckende Szene: Nachdem sie ein „Hansen“-Konzert besucht hat in einem der Clubs, die es übrigens tatsächlich gibt, das „Amadeus“ in Oldenburg und den „Tower“ in Bremen ebenso wie das „Molotow“ in Hamburg oder die Musiker-Herberge „Kling Klang“ in Wilhelmshaven, muss die Betrunkene von Tobias in ein Taxi verfrachtet werden - und Tobias muss sich emotional von ihr abnabeln, um sein Filmprojekt weiter verfolgen zu können.
Die eigentliche Leistung Lars Kraumes aber ist, aus 150 Stunden Rohmaterial einen einhundertminütigen Film kondensiert zu haben, der den Spannungsbogen bis zum Schluss aufrecht erhält: Tobias begleitet Ellen in der Prenzlberger Kastanienallee zur U-Bahn. Doch der Wahrheitsfanatiker weiß auf Ellens Frage, warum er sie, die er noch zuvor auf harsche Weise von der „Hansen“-Tournee ausgeschlossen hat, begleitet, keine Antwort. Und Ellen geht traurig ihrer Wege...
Pitt Herrmann