Im Lauf der Zeit

BR Deutschland 1975/1976 Spielfilm

Inhalt

Seit zwei Jahren fährt Bruno in einem alten, umgebauten Möbelwagen, der ihm auch als Unterkunft dient, durch die kleinen Orte entlang der Grenze zur DDR und repariert in den aussterbenden lokalen Kinos die Projektoren. Eines Morgens beobachtet er, wie ein Mann mit seinem VW in die Elbe rast. Der Mann, Robert Lander, klettert mit seinem Koffer aus dem versinkenden Auto und schwimmt an Land. Bruno nimmt ihn in seinem Möbelwagen mit, und es beginnt eine Reise, die beide durch ein provinzielles, ungesehenes Deutschland führt. So wenig die Orte und Menschen, denen Bruno und Robert begegnen, gängigen Deutschlandbildern entsprechen, so sehr haben sie immer wieder mit dem Kino zu tun.

 

Kommentare

Sie haben diesen Film gesehen? Dann freuen wir uns auf Ihren Beitrag!

Heinz17herne
Heinz17herne
Bruno Winter lebt zurückgezogen in einem umgebauten Möbelwagen, mit dem er durch das ländliche Zonenrandgebiet tourt (Anm. für die nachfolgende Generation: So nannte man die Region an der einstigen DDR-Grenze). Er repariert in den Dorfkinos die oft völlig veralteten Filmprojektoren und springt auch schon ’mal ein, wenn der Freizeit-Filmvorführer verhindert ist.

Eines Tages rast vor seinen Augen ein Mann mit seinem VW in die Elbe. Während das Fahrzeug in den Fluten versinkt, kann sich der halsbrecherische Fahrer, dem die Frau gerade in Genua weggelaufen ist und der deswegen Selbstmord begehen wollte, retten. Dem ehemaligen Kinderpsychologen Robert Lander gelingt es, samt Koffer aus dem untergehenden Auto zu klettern und an Land zu schwimmen. Ohne große Worte lädt Bruno ihn zur gemeinsamen Weiterfahrt ein.

Die beiden einsamen Männer werden zu Reisegefährten, zwischen denen sich eine unverhoffte Männerfreundschaft entwickelt. „Ich sah mich zum ersten Mal als einer, der eine Zeit hinter sich gebracht hat. Und dass diese Zeit meine Geschichte ist. Das ist ein ganz beruhigendes Gefühl“: Dieses eigentlich positive Resümee zieht Bruno am Ende – und nimmt doch einen völlig unwichtigen Zwischenfall zum Anlass, seinen Beruf, ja seine Berufung, aufzugeben: Weil das Kino schlecht ist in dieser Zeit und weil es lieber kein Kino geben soll als ein schlechtes.

„Im Lauf der Zeit“ entstand binnen elf Wochen ohne festes Drehbuch, wurde, wenn auch seinerzeit noch nicht beim breiten Kinopublikum, zu einem der großen Autoren-Kultfilme der 1970er Jahre. Am 26. Mai 1976 gab Wim Wenders mit diesem in Schwarz-Weiß gedrehten Road Movie sein Debüt bei den Int. Filmfestspielen in Cannes, wo es mit dem „Fipresci“-Pressepreis ausgezeichnet wurde, dem noch im Oktober des gleichen Jahres der „Grand Prize Gold Hugo“ in Chicago folgte.

„Im Lauf der Zeit“ verlangt dem Publikum allerhand ab. Zunächst einmal drei Stunden Stehvermögen und Aufmerksamkeit gerade auch für Kleinigkeiten am Rande. Und dann vor allem Interesse für das eigene Land, speziell für eine landschaftlich reizvolle, wirtschaftlich und politisch jedoch arg vernachlässigte Region entlang der deutsch-deutschen Grenze zwischen Lüneburg und Hof. Der Film zeigt die Grenzanlagen, einen amerikanischen Unterstand, die Tristesse eines breiten Landstriches, der vor sich hin dämmert, weil er an eben dieser Grenze liegt. Und er schildert episodisch ganz zufällige Erlebnisse zweier Männer, die sich ebenso rein zufällig begegnet sind und für eine Weile beieinander bleiben, ohne viele Worte zu verlieren.

Es ist, so Wim Wenders, „die Geschichte von der Abwesenheit der Frauen, die gleichzeitig die Geschichte ist von der Sehnsucht, dass sie doch anwesend wären.“ Bruno ist vaterlos aufgewachsen, seine Mutter lebt allein auf einer kleinen Insel mitten im Rhein. Als sie einen Abstecher nach Bacharach unternehmen, ist das Haus leer. Robert andererseits führt Bruno in sein Elternhaus, einer Druckerei, wo sein Vater, der vergeblich versucht, mit seiner Frau in Kontakt zu treten, praktisch im Alleingang eine kleine Provinzzeitung herausgibt – ein Unternehmen, das ebenso zum Sterben verurteilt ist wie so manches Dorfkino, das Bruno im Verlauf seiner Überlandtour hat schließen müssen.

Wenders zeigt zwar Menschen (etwa Lisa Kreuzer als Kassenmädchen Pauline, mit der Bruno heftig flirtet, Marquard Bohm als ein gebrochener Mann, dessen Frau sich gerade umgebracht hat, und Rudolf Schündler als Roberts Vater), aber auf erstaunliche Weise in die Landschaft eingebettete, gar mit ihr verwobene Wesen – und nicht als Individuen. Robby Müllers Kamera mit großen, ruhigen Schwenks ohne harte Schnitte und Axel Linstädts Musik der Nürnberger Band „Improved Sound Limited“ unterstützen diese getragene, melancholische Stimmung in kongenialer Weise.

„Im Lauf der Zeit“, nach „Alice in den Städten“ (1973) und „Falsche Bewegung“ (1975) Schlussteil der Road-Movie-Trilogie von Wim Wenders, ist zeitgleich mit dem Kinostart am 4. März 1976 in Berlin uraufgeführt worden.

Pitt Herrmann

Credits

Regie

Drehbuch

Kamera

Schnitt

Darsteller

Produzent

Alle Credits

Dreharbeiten

    • 01.07.1975 - 31.10.1975: Zwischen Lüneburg und Hof entlang der Grenze zur DDR, Mittelrhein
Länge:
4784 m, 175 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
s/w, Ton
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 17.02.1976, 48024, ab 18 Jahre / nicht feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (NL): 02.02.1976, Rotterdam, IFF

Titel

  • Originaltitel (DE) Im Lauf der Zeit

Fassungen

Original

Länge:
4784 m, 175 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
s/w, Ton
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 17.02.1976, 48024, ab 18 Jahre / nicht feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (NL): 02.02.1976, Rotterdam, IFF