Die Rüden

Deutschland 2017-2019 Spielfilm

Inhalt

Der Film führt ins Herz einer Finsternis, die heute mit toxischer Maskulinität umschrieben wird. Und leuchtet es aus: In einer Arena aus dunklem, vernarbtem Beton treffen vier junge Gewaltstraftäter auf drei bedrohliche Hunde mit imposanten metallenen Maulkörben. Testosteron pur also, wäre da nicht Lu, die angstfreie, hochkonzentrierte Hundetrainerin, die sich der Herausforderung stellt, Feuer mit Feuer zu löschen. Lu siedelt ihr – so riskantes wie von den Strafvollzugs-Autoritäten misstrauisch überwachtes – Projekt jenseits der Fragen nach Täter und Opfer, Schuld und Sühne an. Sie lässt sich ein, auf das Unaussprechliche, das Unkontrollierbare und das Ungewisse, in das es führt. Die Täter, die Tiere, sie selbst.

So wird sie zur Provokation und ihr Ansatz zum Sprengsatz für ein System, das noch immer glaubt, man könne Gut und Böse wirklich auseinandersortieren. Lu lotet auch die Grenzen der Männlichkeit aus. Am Abgrund von Aggression, Gewalt und Uneinsichtigkeit wird die männliche zur menschlichen Grenze. Und deren Überwindung zu einem Thema für uns alle: Die Zornigen wie die Zaghaften, die Handelnden wie die Verdrängenden, vor allem aber: Männer wie Frauen.

Quelle: 53. Internationale Hofer Filmtage 2019

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Heinz17herne
Heinz17herne
Offenbar aggressiven Hunden im Käfig werden Maulkörbe umgeschnallt. Zur Sicherheit. Schnitt. In einer Justizvollzugsanstalt herrscht unter aggressiven Gefangenen in der Gemeinschaftsdusche im wahren Wortsinn nackte Gewalt. Kein Aufseher, der diese unterbindet. Schnitt. Düstere Bunkeratmosphäre: dicke Stahltüren, am Boden Gitterroste, kein Tageslicht. Von einer verglasten Kanzel blicken die Gefängnispsychologin Maria Mischlick und ihr Kollege (Robert Mehl) auf vier Straftäter in der zylinderförmigen Arena: Alihan Jabir (Ibrahim Al-Khalil), Lukas Wachowiak, Volker Brandt (Konstantin-Philippe Benedikt) und Adam Najar (Ali Khalil).

Als sie in den klaustrophobisch-beklemmenden Betontrog eingelassen werden, liegt eine Frau auf dem Boden. Es ist die Hundetrainerin Lu Feuerbach, die bald darauf den Raum durchmisst: „Keine Fragen, keine Vorgeschichte.“ Was für die Gefangenen gilt, nicht fürs Kinopublikum: eine monotone Computerstimme hat die Vergehen der Gewalttäter samt ihrer zu verbüßenden Haftstrafen verlesen, während die dazugehörigen Porträts im Stil von Fahndungsfotos eingeblendet werden. Dann werden von einem Mitarbeiter (Gerd Schuster) drei Hunde in die „Arena“ geführt, die auf der Todesliste des Tierheims stehen, da sie als unvermittelbar gelten: der Pitbull Diego, der bulgarische Straßenhund Georgie und der Schäferhund Face.

Den vier Männern, welche sich zuvor in Gesprächen mit Maria Mischlick dem herkömmlichen Weg der Resozialisierung weitgehend entzogen haben, weil ihnen mit Kategorien wie Gut und Böse, Schuld und Sühne oder Selbstkontrolle und Schutz der Gesellschaft nicht beizukommen ist, nehmen freiwillig an dem außergewöhnlichen Programm teil, um Bonuspunkte für eine vorzeitige Entlassung nach Zweidrittel ihrer Haftzeit zu sammeln. Sie sind nicht wirklich von dieser Therapie überzeugt, doch bereits vom ersten Experiment beeindruckt: Face reagiert auf Zuneigung aggressiv, aber auf darauffolgende Wut-Reaktionen resignierend. Der Schäferhund zieht sich in der Gewissheit, seinem Gegenüber unterlegen zu sein, zurück, wendet den Kopf ab.

Auch bei den folgenden Experimenten, in denen die Gefängnisinsassen mit ihren vierbeinigen Counterparts konfrontiert werden, von denen sie nur durch den stählernen Maulkorb und eine am Boden befestigte Leine getrennt sind, reflektieren die Männer auch ihr bisheriges eigenes Aggressionsverhalten. Lu Feuerbach animiert ihre zweibeinigen Schützlinge, zumeist unterdrückte Ängste und Unsicherheiten zu überwinden, um sowohl auf die Tiere als auch, der schwierigere Part, ohne Konkurrenzdenken solidarisch aufeinander zuzugehen. Mit dem Ziel, dass die mit Tattoos und Leder-Outfit martialisch aussehenden und sich nach außen so selbstbewusst gebenden Gefangenen künftig in der Lage sind, ihr Sozialverhalten situativ anzupassen.

Lu Feuerbach selbst gibt sich nach außen vollkommen abgehärtet. In Outfit und Auftreten lässt sie keinen Zweifel daran, dass sie sich auch gegenüber vermeintlich körperlich Stärkeren durchsetzen kann. Den Beweis tritt sie in einer Gehorsamkeitsübung mit dem von der Leine befreiten Georgie an. Dabei ringt auch sie mit den hier unerklärt bleibenden Dämonen ihrer Vergangenheit in Person eines nicht unbedingt als Engel erkennbaren geflügelten Wesens. Am Ende des fünften Tages, die Therapie unter Orgelklängen währt analog zur christlichen Metapher der Erschaffung der Welt sechs Tage, liegt sie im Kreis des Bunkers mit allen drei von den Beißkörben befreiten Hunden...

Diese über 106 Minuten packende Reise ins Innerste der menschlichen Psychologie basiert auf einem dreimonatigen Workshop des gemeinnützigen Spandauer Vereins Zone 3 und des Berliner Vereins für Straßensozialarbeit Gangway mit jungen Schauspielern, ehemaligen Häftlingen, der erfahrenen Hundetrainerin Nadin Matthews und der Schauspielerin Sabine Winterfeldt, die seit 2003 als Theaterpädagogin und Antigewalttrainerin Projekte in Strafanstalten realisiert. Er mündete am 19. April 2017 in der Premiere des 45-minütigen Theaterstücks „Wir müssen draußen bleiben“ mit allen fünfzehn Mitwirkenden im Berliner Jugendzentrum „Pumpe“.

Connie Walther im Neue Visionen-Presseheft über ihren dritten Kinofilm: „Ich habe vierzehn Jahre lang mit einem unkastrierten Rüden gelebt und glaubte, so ziemlich alles über Hunde zu wissen. Dann traf ich Nadin Matthews. Ich beobachtete die Hundetrainerin bei ihrem Seminar ‚Mehr als beißen können sie nicht‘ - diese Frau war absolut angstfrei und blieb vollkommen gleichmütig beim stundenlangen Kontakt mit wirklich gefährlichen Hunden. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Ich begleitete sie zu einem viertägigen Aggressions-Seminar in die JVA Wriezen. Die Idee zum Film war geboren.“ Der Spielfilm mit fiktiven Biographien, aber echten Vier- und Zweibeinern mit erheblichen Aggressionsproblemen läuft als Free-TV-Premiere am 9. September 2021 bei Arte.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Regie-Assistenz

Kamera-Assistenz

Standfotos

Storyboard

Kostüme

Schnitt

Schnitt-Assistenz

Ton-Schnitt

Geräusche

Mischung

Produktionsfirma

Produktionsleitung

Aufnahmeleitung

Dreharbeiten

    • 06.09.2017 - 14.10.2017: Köln, Baden-Württemberg
Länge:
106 min
Format:
1:2,35 (CinemaScope)
Bild/Ton:
Farbe, Dolby
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 30.07.2020, 200544, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 23.10.2019, Hof, Internationale Filmtage;
Kinostart (DE): 20.08.2020

Titel

  • Originaltitel (DE) Die Rüden

Fassungen

Original

Länge:
106 min
Format:
1:2,35 (CinemaScope)
Bild/Ton:
Farbe, Dolby
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 30.07.2020, 200544, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 23.10.2019, Hof, Internationale Filmtage;
Kinostart (DE): 20.08.2020