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Steuern zahlen, sie zweimal erstattet bekommen und behaupten, es sei legal: Das ist ein Cum-Ex-Deal. Der junge Anwalt Sven Lebert und sein Chef Dr. Bernd Hausner weiten in Deutschland dieses Schema auf private Investoren aus und entwickeln ein globales Netzwerk von Banken, Anwälten und Investoren, um Milliarden von europäischen Bürger*innen zu stehlen. In Dänemark beobachten die Steuerbeamt*innen Inger Brøgger und Niels Jensen hilflos, wie staatliche Mittel verschwinden, während sie nur wenig Unterstützung von Bankern oder Politiker*innen erhalten. Als Niels mit finanziellen Schwierigkeiten und persönlichem Druck konfrontiert wird, verliert er seine moralische Orientierung und wird selbst zum Betrüger. In Deutschland deckt Staatsanwältin Lena Birkwald den gigantischen Betrug auf und stößt auf heftigen Widerstand von Banken und Politiker*innen. Entschlossen, das übliche Resultat – nur die kleinen Fische werden gefasst, während die Drahtzieher ungeschoren davonkommen – zu verhindern, kämpft sie unermüdlich dafür, die wahren Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.
Inspiriert von "Die Cum-Ex-Files" und "Die Akte Scholz" von Oliver Schröm, Recherchen von Christian Salewski und "Det Store Skatterøveri" von Niels Fastrup & Thomas G. Svaneborg, verlegt vom Politikens Forlag.
Quelle: 75. Internationale Filmfestspiele Berlin (Katalog)
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In Frankfurt am Main legen der Investmentbanker und promovierte Jurist Dr. Bernd Hausner und der junge Steueranwalt Sven Lebert nach US-amerikanischem Vorbild einen Fonds auf, der auf Cum-Ex-Geschäften fußt, die gesetzlich verboten werden sollen. Als die beiden, konkrete Vorbilder im realen Leben sind Hanno Berger, einst als Regierungsdirektor der ranghöchste hessische Steuer-Bankprüfer, und Kai-Uwe Steck, bemerken, dass ihr Geschäftspartner Fred Allen (Andy Murray) sie jahrelang betrogen hat, ohne dass sie ihn anzeigen können, denkt Lebert daran, sich auszuklinken.
Die junge Steuerbeamtin Anna Nowak (Kea Krassau) verweigert die millionenhohe Erstattung für besagten Fonds und informiert die Kölner Staatsanwältin Lena Birkwald (Lisa Wagner). Hier stand Anne Brorhilker Pate, die im April 2024 freiwillig aus dem Beamtenverhältnis schied und Ko-Geschäftsführerin der Bürgerbewegung Finanzwende wurde, weil sie am politischen Willen zur Aufklärung des Skandals (ver-) zweifelte.
Lena Birkwald lässt in 16 Ländern gleichzeitig Durchsuchungen durchführen, die ein voller Erfolg werden. Als Lebert von seinem Mentor Hausner im Stich gelassen wird, stellt er sich dem Hamburger Correctiv-Mitarbeiter Christoph Fromm als Kronzeuge zur Verfügung. Zusammen mit dem Kopenhagener Investigativjournalisten Jesper Liholt (Thomas Hwan) lockt Fromm mit Leberts Hilfe den selbstgewissen Cum-Ex-Betrüger Syed Akram aus der Reserve.
Trotz aller Bremsbemühungen ihres Chefs, Oberstaatsanwalt Theo Loevenich (Timo Dierkes), gelingt es Lena Birkwald, Günther Osterkamp, dem Finanzminister Nordrhein-Westfalens, nicht nur das ungeheure Ausmaß des Steuerbetrugs klarzumachen, sondern auch die Dringlichkeit der Aufdeckung vor der drohenden Verjährung. Doch der CDU-Politiker will sich nicht dem Vorwurf aussetzen, aus parteipolitischen Gründen die Machenschaften im sozialdemokratisch regierten Hamburg untersuchen zu lassen. So kann sich der Erste Bürgermeister Olaf Scholz zum Bundeskanzler wählen lassen, weil er sich einfach an die Gespräche mit dem Banker Albert Kargus (Cornelius Obonya), der diese minutiös in seinem Tagebuch vermerkt hat, nicht mehr erinnert (Kargus steht hier für die Privatbank Warburg, letztlich aber auch für die HSH Nordbank).
Die deutschen Banken, die für ihre Überwachung zuständigen Behörden und naturgemäß auch die Politiker weisen jede Verantwortung zurück. Doch der mediale Druck wächst und die Kölner Ermittlungen ziehen immer größere Kreise. „Kommt Scholz da heil raus?“: Am Ende wird Christoph Fromms Antwort auf Lena Birkwalds Frage nach der Verantwortung des späteren Bundeskanzlers geradezu prophetisch sein: „Niemals, außer er hat eine Haut aus Teflon“.
Lina Beckmann spielt Carola Binder, eine Abteilungsleiterin im Finanzamt der Hansestadt. „Ich bin sprachlos“: Bei einem Gespräch mit Lena Birkwald in der Kantine „ihrer“ Steuerbehörde hält sie die 230 Jahre alte Kargus-Bank nach wie vor für eine „ehrbare Privatbank“, ist freilich entsetzt über das Ausmaß des Skandals, der sich allein in ihrem Bereich auf 171 Millionen Euro Steuererstattung subsummiert. Als Lena Birkwald erfährt, dass Carola Binder die Rückforderung von 44 Millionen Euro für das Jahr 2009 nicht umgesetzt hat, sodass diese Summe dem Staat wegen Verjährung entgangen ist, wird diese nach Berlin ins Bundesfinanzministerium bestellt.
Mit taubenblauer Thermoskanne auf dem Pult und leicht verrutschtem Business-Anzug stellt sich Carola Binder den Forderungen der verärgerten Staatsanwältin, wenigstens 46 Millionen Euro für das Jahr 2010 zurückzufordern, entgegen. Als sie selbst einer behördlichen Anweisung nicht Folge leisten will, wird es laut im Regierungsviertel – und die Hamburger Abteilungsleiterin bricht erst zusammen, bevor es förmlich aus ihr herausbricht: „Von allen Seiten zerren die Leute an mir. Wissen Sie eigentlich, unter welchem Druck ich stehe? Ich mühe mich ab, es allen recht zu machen und alle beschweren sich ständig. Mein Herz setzt aus, immer wieder, ohne Grund. Aber das interessiert hier ja keinen mehr. Hier wird man nicht ‘mal als Mensch gesehen, sondern nur noch als Maschine.“
Eine fulminante Philippika – und ein sicherlich preiswürdiger Auftritt in der siebten Episode der Reihe. Lina Beckmann ist mit ihm für den Deutschen Schauspielpreis 2025 in der Kategorie „Starker Auftritt“ nominiert, der am 9. Oktober 2025 vom Bundesverband Schauspiel e.V. vergeben wird. Sie konkurriert mit Thomas Bading in „Die Zweiflers“, mit Mirco Kreibich in „Ein Fall für Conti – Spieler“ sowie mit ihrer „Polizeiruf 110“-Kollegin Anneke Kim Sarnau, die für „Sad Jokes“ nominiert worden ist.
Warum diese akribisch recherchierte und hochkarätig besetzte Dokufiction unter „Comedy-Dramaserie“ firmiert, erschließt sich mir nicht. Die ersten vier der insgesamt acht jeweils 45-minütigen Teile wurden am 20. Februar 2025 im Panorama-Wettbewerb der 75. Berlinale uraufgeführt, die ganze Serie dann am 22. März 2025 für ein Jahr in die ZDF-Mediathek eingestellt sowie am 13. und 14. April 2025 in zwei Tranchen im ZDF erstausgestrahlt.
Pitt Herrmann