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3D-Dokumentarfilm über den 1945 in Deutschland geborenen Künstler Anselm Kiefer, der sich in Malerei und Bildhauerei zunächst mit der deutschen Geschichte, später vor allem mit Mythen auseinandergesetzt hat. Kiefers künstlerisches Schaffen, seine Inspiration und Lebensgeschichte werden beleuchtet, wobei die Grenzen sowohl zwischen Vergangenheit und Gegenwart als auch zwischen Bild und Film verschwimmen.
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Wim Wenders im DCM-Presseheft: „Anselm Kiefer und ich wurden beide am Ende des Zweiten Weltkriegs geboren – er ein paar Monate davor, ich ein paar Monate danach. Wir verbrachten unsere Kindheit in einem Land, das in Trümmern lag und dessen Selbstbild zerschmettert war. Ein Land voller Erwachsener – darunter Familienmitglieder und Lehrer – die verzweifelt versuchten, sich eine Zukunft aufzubauen und ebenso verzweifelt hofften, die Vergangenheit zu vergessen, oder so zu tun, als hätte es das Entsetzliche nie gegeben.“
Mehr als zwei Jahre lang folgte Wenders den Spuren des eher wortkarten Anselm Kiefer und verknüpft vor allem mit Bildern, die für sich selbst sprechen, die Lebensstationen und Schaffensorte einer mehr als fünf Jahrzehnte umspannenden Karriere. In eingefügten Spielszenen verkörpern Anton Wenders, der Großneffe des Regisseurs, das Nachkriegskind Anselm und Sohn Daniel Kiefer den jungen Künstler, der schon bald Frankreich als zweite Heimat und bis heute kreatives Zentrum wählt.
Wenders und Kiefer begegneten sich erstmals im Mai 1991 anlässlich einer großen Retrospektive in der Berliner Nationalgalerie. Es folgten Atelier-Besuche im südfranzösischen Barjac und in Croissy in der Nähe von Paris. In der Folge gelang es Wenders zusammen mit seinem Kameramann Franz Lustig, dem vielfach ausgezeichneten Stereographen Sebastian Cramer und der Cutterin Maxine Goedicke, die erstaunlichsten Kunstwerke und räumlichen Setzungen Kiefers ohne wortreiche Erklärungen verständlich zu machen. Aus der Biographie des Künstlers und der Zeitgeschichte heraus verschwimmen die Grenzen zwischen Vergangenheit und Gegenwart.
Gerade die 3D-Technik gewährt spektakuläre Einblicke in das Gelände einer stillgelegten Seidenspinnerei in Barjac, wo Kiefer entsprechend seiner Kindheitserinnerungen an zerstörte Städte binnen dreier Jahrzehnte architektonische Skulpturen, düstere Tunnel, unterirdische Krypten, und ein riesiges Amphitheater schuf. Es ist heute öffentlich zugänglich als Teil der Eschaton-Kunststiftung. Gefilmt wurde in Anselms Geburtsstadt Donaueschingen und im Odenwald, in Hornbach, Buchen und Höpfingen, wo er in den 1980er Jahren eine ehemalige Ziegelei für seine Zwecke restaurierte. Und in den gewaltig dimensionierten Hallen eines ehemaligen Warenhauses in Croissy-Beaubourg, die Kiefer auf dem Fahrrad durchmisst.
Der Beuys-Meisterschüler an der Düsseldorfer Akademie bezieht symbolgeladene Materialien wie Blei, Haare, Stroh, Pflanzen, Sand und Asche in seine vielschichtigen Arbeiten ein und arbeitet gern nachts unter Kunstlicht in seinem Atelier. Nie ist ihm ein Filmemacher so nah gekommen: Anselm Kiefer rezitiert Paul Celans „Todesfuge“ und das Gedicht „Exil“ von Ingeborg Bachmann. Und erklärt – als absolute Ausnahme – Bild für Bild seines Heidegger-Zyklus.
„Anselm – Das Rauschen der Zeit“ offenbart einen Künstler, der sich am eigenen Leben orientierend mit der Zeitgeschichte auseinandersetzt und zunehmend von der Mythologie fasziniert ist.
Pitt Herrmann