Falsche Bewegung

BR Deutschland 1974/1975 Spielfilm

Summary

False Movement / The Wrong Move
Wim Wender′s film is a free adaptation of Goethe′s "Wilhelm Meisters Lehrjahre" ("Wilhelm Meister′s Apprenticeship"). The main protagonist is a cinematic successor of Goethe′s character Wilhelm Meister. Wilhelm wants to be a writer and but lacks the interest in what is going on in society, a major quality in order to become a successful writer. To cure him from his detachment, his mother sends him on an adventurous and educational journey. On this journey, Wilhelm meets a lot of strange people and finds himself in various extraordinary places from the top of Zugspitze to a villa in the Siebengebirge. But during his journey he happens to concede the fact that he is not able to get involved with other people.

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
Wilhelm ist in einer schleswig-holsteinischen Kleinstadt unweit Hamburgs daheim. Aber nicht wirklich zuhause, etwa bei seiner herben Mutter, die er eines Tages mit Eichendorffs „Aus dem Leben eines Taugenichts“ und Flauberts „Lehrjahre des Gefühls“ im schmalen Lederkoffer verlässt: „Ich bin nicht verzweifelt. Nur verdrossen und unlustig. Seit Tagen habe ich kein Wort mehr herausgebracht. (...) Ich möchte Schriftsteller werden. Aber wie ist das möglich ohne Lust auf Menschen?“

Wilhelm will vor allem „Neues über sich herausfinden“ auf seiner Reise, die er 180 Jahre später als sein Namensbruder Wilhelm Meister antritt, und die ihn – per Fahrrad, zu Fuß, mit der Bahn und im Auto – von Glückstadt über Hamburg-Altona, Bonn und Frankfurt/Main bis auf die Zugspitze führen wird. Als erstes begegnen ihm in der Eisenbahn die stumme Mignon (die damals erst 13-jährige Nastassja Nakszynski) und Laertes, ein Mundharmonika spielender, unter Nasenbluten leidender Altnazi, später auch Therese Farner, eine Schauspielerin auf der Suche nach dem wahren, realen Leben abseits ihrer Bühnenrollen.

Ausgerechnet mit einem Österreicher, Bernhard Landau, stößt ein Dichter (und Handkes alter ego?) zu dieser Gruppe, die sich über Gott und die Welt, Politik und Literatur – und über die Vergangenheit unterhält. Kann man schreiben, literarisch tätig sein, wenn einem das Politische fremd geworden ist? Wenn man resigniert hat vor der Unbeweglichkeit der saturierten Menschen, vor den statuarischen Verhältnissen in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik?

Andererseits: Wäre die Einheit von Politik und Poesie nicht das Ende der Sehnsucht und damit das Ende der Welt? Diese Ansicht vertritt Laertes, der beichtet, einen Juden erschlagen zu haben. Er büßt wie Goethes Harfner eine von Peter Handke nicht näher bezeichnete Schuld, bekundet aber auch, einige Juden gerettet zu haben. Später, auf einer Rheinfähre, lässt Wilhelm ihn existentielle Angst spüren, bevor er Laertes ziehen lässt.

Landschaft zieht vorüber, Träume werden erzählt, Gedichte und kleine Geschichten erfunden, es wird philosophiert. Ein Industrieller, der die Gruppe zuvor eingeladen hatte, erhängt sich in den Weinbergen. In dessen idyllisch am Rhein gelegener Landvilla flimmern die Bildschirme wie in Thereses Frankfurter Schlafstadtwohnung pausenlos: Sinnbild dieser rastlosen, falschen Bewegung einer prosperierenden westdeutschen Wirtschafts-Gesellschaft, die so menschenfern, so unnatürlich ist?

Poesielose Orte des Kommerzes, entseelte Innenstädte, trostlose Naherholungsgebiete, phantasielose Gespräche von Schulkindern, Mengenlehre auf dem Kinderspielplatz: „Unsinnigkeitsgefühl“ nennt Therese das. Am Ende steht Wilhelm allein auf dem Zugspitz-Plateau. Sein melancholisches, eher klägliches Resümee lautet: „Es kam mir vor, als hätte ich etwas versäumt. Als versäumte ich immer noch etwas, mit jeder neuen Bewegung.“

Der Drehbuchautor Peter Handke wollte seinen nach dem „Tormann“-Auftakt zweiten Film mit Regisseur Wim Wenders unbedingt nach dieser literarischen Vorlage realisieren, „weil der ‚Meister’ von Goethe in so einer einzigen schönen Bewegung durch Deutschland reist und es da eine gewisse Ähnlichkeit zu mir gibt.“ Zwei Monate war der Österreicher auf einer Vortragsreise durch die – aus heutiger Sicht – „alte“ Bundesrepublik gefahren: „Da habe ich das plötzlich so leibhaftig in mir gespürt, so eine totale Bewegung, auch ein gewisses Pathos, dass da jemand aufbricht zu einem anderen Leben.“

Zusammen mit Kameramann Robby Müller ist dem Duo Handke/Wenders ein „Klassiker“ des seinerzeit neuen deutschen (Autoren-) Films gelungen, der mit nicht weniger als einem halben Dutzend Bundesfilmpreise ausgezeichnet wurde, einen davon erhielt auch die blutjunge Nastassja Nakszynski (spätere Kinski). Man kann „Falsche Bewegung“, der Mittelteil der Road-Movie-Trilogie Wenders‘ zwischen „Alice in den Städten“ (1973) und „Im Lauf der Zeit“ (1976), seine aus heutiger Sicht merkwürdig altbackene Sprache vorwerfen, nicht aber seine Larmoyanz: Die Konsumkritik hat auch Jahrzehnte später angesichts allseits grassierender Geiz-ist-geil-Mentalität nichts an Aktualität verloren.

Der Filmverlag der Autoren hat die WDR-Auftragsproduktion nach der Erstausstrahlung in die Kinos gebracht. Weder konnte ein Anlaufdatum ermittelt noch der Kinostart am 29. Juni 1975 im Rahmen der 25. Berlinale bestätigt werden.

Pitt Herrmann

Credits

All Credits

Director

Assistant director

Screenplay

Co-author

Director of photography

Assistant camera

Still photography

Production design

Construction manager

Costume design

Editing

Assistant editor

Sound assistant

Cast

Line producer

Unit production manager

Location manager

Shoot

    • 1974 - November 1974: Glücksstadt, Hamburg, Bonn, Osterspai, Boppard, Eschborn, Frankfurt am Main, Zugspitze
Duration:
2823 m, 103 min
Format:
35mm, 1:1,66
Video/Audio:
Eastmancolor, Ton
Censorship/Age rating:

FSK-Prüfung (DE): 02.04.1975, 47288, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Screening:

TV-Erstsendung (DE): 25.06.1976, ARD

Titles

  • Originaltitel (DE) Falsche Bewegung

Versions

Original

Duration:
2823 m, 103 min
Format:
35mm, 1:1,66
Video/Audio:
Eastmancolor, Ton
Censorship/Age rating:

FSK-Prüfung (DE): 02.04.1975, 47288, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Screening:

TV-Erstsendung (DE): 25.06.1976, ARD

Awards

Deutscher Filmpreis 1975
  • Filmband in Gold, Schnitt
  • Filmband in Gold, Musik
  • Filmband in Gold, an das Gesamtensemble
  • Filmband in Gold, Drehbuch
  • Filmband in Gold, Kameraführung
  • Filmband in Gold, Regie