Darstellerin, Regie, Drehbuch, Produzent
Warschau, Polen

Biografie

Agnieszka Holland wurde am 28. November 1948 in Warschau, Polen, als Tochter eines jüdischen Vaters, Henryk Holland, und einer katholischen Mutter, Irena Holland (geb. Rybczyńska), geboren. Beide Eltern waren Journalisten. Ihre jüngere Schwester Magdalena Łazarkiewicz ist wie Holland Regisseurin und Drehbuchautorin. Schon während ihrer Kindheit schrieb Agnieszka Holland kurze Theaterstücke und führte diese mit anderen Kindern auf. Interessiert an den Werken tschechischer Regisseure wie Miloš Forman und Vera Chytilova, begann sie Mitte der 1960er Jahre dann ein Regie-Studium an der Prager Filmhochschule FAMU. Nach eigener Aussage hatte ihr die polnische Filmakademie in Lodz die Aufnahme verwehrt, weil ihr Vater aufgrund falscher Anschuldigungen von der polnischen Geheimpolizei wegen Verdachts auf Verrat verhaftet worden und 1961 in polizeilichem Gewahrsam nach einem Sturz aus dem Fenster gestorben war.

1970 entstand Hollands erster Kurzfilm "Hrích boha", inspiriert von der Kurzgeschichte "Die Sünde Jesu" des ukrainischen Autors Isaak Babel. Der Film, der einen eher pessimistischen Blick auf den Zustand der Menschheit wirft, beinhaltet jedoch auch schwarzhumorige Elemente, die viele von Hollands kommenden Filmen auszeichnen sollten. 1971 schloss Holland das Studium an der FAMU erfolgreich ab und kehrte, nachdem sie sich während des Prager Frühlings an anti-sowjetischen Protesten beteiligt hatte und sechs Wochen in Haft war, wieder in ihr Heimatland Polen zurück. Im Dezember 1972 brachte Holland in Warschau ihre Tochter Kasia Adamík zur Welt. Vater ist der polnische Regisseur Laco Adamík, den Holland während ihres Studiums kennengelernt und geheiratet hatte.

Zurück in Polen begann sie ihre Karriere, in deren Verlauf sie zu einer zentralen Vertreterin der polnischen Neuen Welle und des polnischen Kinos allgemein werden sollte, als Assistentin von Krzysztof Zanussi und Andrzej Wajda. Wajda, für den sie im Laufe der Jahre mehrere Drehbücher schrieb, wurde zugleich ihr Mentor. 1978 entstand ihr erster eigener abendfüllender Spielfilm "Aktorzy prowincjonalni" ("Provinzschauspieler"), der von den Beziehungen und Querelen innerhalb des Ensembles eines Kleinstadt-Theaters handelt und zugleich eine Allegorie auf die düstere zeitgenössische politische Lage in Polen bietet. Der Film wurde 1980 auf den Filmfestspielen in Cannes mit dem FIPRESCI Preis ausgezeichnet. Auch der 1981 erschienene "Goraczka" ("Fieber") über eine Gruppe von Anarchisten, die 1905, zur Zeit der Revolution im polnischen Königreich, gegen die Unterdrückung durch den russischen Zaren vorgehen, wurde preisgekrönt und gewann den Hauptpreis beim Polnischen Filmfestival Gdynia sowie einen Silbernen Bären für die Leistung der Hauptdarstellerin Barbara Grabowska auf der Berlinale 1981. Kurz nach Verhängung des Kriegsrechts erschienen, wurde die Aufführung von "Goraczka" in Polen aufgrund der zu realistischen Darstellung der sowjetischen Militärs dann allerdings verboten. Auch der 1981 entstandene "Kobieta samotna", ein politisches Drama über eine alleinerziehende Mutter, wurde zensiert.

Noch im gleichen Jahr emigrierte Agnieszka Holland nach Paris. Hier schrieb sie zunächst für und mit Andrzej Wajda das Drehbuch für dessen Film "Eine Liebe in Deutschland" (1983) mit Hanna Schygulla und Piotr Lysak in den Hauptrollen und arbeitete an ihrem nächsten eigenen Film "Bittere Ernte" (1985), der vom Schicksal einer jungen Jüdin erzählt, die in Oberschlesien aus einem Deportationszug entkommt und von einem angehenden Priester versteckt wird. Wie "Eine Liebe in Deutschland" von Artur Brauners CCC produziert, wurde "Bittere Ernte" mit Armin Mueller-Stahl und Elisabeth Trissenaar in den Hauptrollen 1986 für einen Oscar als bester fremdsprachiger Film nominiert, ging aber leer aus. Ende der 1980er Jahre arbeitete Holland erneut mit Wajda zusammen: Sie schrieb für ihn das Drehbuch zur deutsch-polnischen Koproduktion "Korczak" (1990) über den polnischen Kinderarzt Janusz Korczak, der sich während des Zweiten Weltkriegs um verwaiste jüdische Kinder kümmert und sich schließlich mit ihnen ins Vernichtungslager deportieren lässt. Auch Hollands nächste Regiearbeit "Hitlerjunge Salomon" wurde von der CCC produziert und befasst sich mit dem Holocaust. Der Film erzählt die reale Geschichte des Juden Salomon Perel, der, um sich vor den Nazis zu verstecken, als Arier ausgibt und in die Hitlerjugend eintritt. In Deutschland eher mit verhaltenen Kritiken bedacht, war der Film unter dem Titel "Europa, Europa" im Ausland, vor allem in den USA, erfolgreich, gewann 1992 neben einem BAFTA und zahlreichen weiteren Preisen den Golden Globe als bester nicht-englischsprachiger Film und wurde in der Kategorie "Bestes Drehbuch" für den Oscar® nominiert. Zuvor war es in Deutschland zu einem Skandal gekommen, als die deutsche Auswahlkommission sich aufgrund der in ihren Augen mangelhaften Qualität des Films weigerte, "Hitlerjunge Salomon" als Beitrag ins Oscar-Rennen um den besten fremdsprachigen Film zu schicken und stattdessen vorzog, keinen Film einzureichen. Produzent Artur Brauner, selbst Jude, unterstellte der Auswahlkommission antisemitische Motive.

Zur gleichen Zeit entstanden weitere Projekte mit westeuropäischen Produktionsfirmen, etwa "To Kill a Priest" (1988) über einen polnischen Priester, der sich regimekritisch äußert und dafür getötet wird, oder "Olivier, Olivier" (1992), ein verstörender Film über eine Mutter, deren verschwundener Sohn nach mehreren Jahre unverhofft wieder auftaucht. 1993 und 1994 arbeitete Agnieszka Holland mit dem polnischen Regisseur Krzysztof Kieslowski, mit dem sie eine enge Freundschaft bis zu dessen Tod im Jahr 1996 verband, an den Drehbüchern zu dessen "Drei Farben"-Trilogie.

In den 1990er Jahren zog es Holland nach Nordamerika, wo sie zunächst die Kinderbuchadaption "The Secret Garden" ("Der geheime Garten", 1993) drehte, die von Francis Ford Coppola produziert wurde. Es folgten "Total Eclipse" (1995) über die dramatische Liaison zwischen den Dichtern Arthur Rimbaud (Leonardo DiCaprio) und Paul Verlaine (David Thewlis) und die Adaption des Romans von Henry James "Washington Square" (1997), unter anderen mit Jennifer Jason Leigh, Maggie Smith und Albert Finney. 2001 führte Agnieszka Holland Regie sowohl bei der HBO-Produktion "Shot in the Heart" ("Schuss ins Herz") als auch bei der polnisch-kanadisch-deutschen Koproduktion "Julie Walking Home" ("Julies Reise"), einem Film über eine Mutter, deren Sohn an Krebs erkrankt ist. 

In den folgenden Jahren wandte sich Holland vermehrt TV-Produktionen zu und führte Regie bei einzelnen Folgen der amerikanischen Erfolgs-Serien "The Wire" und "Cold Case". 2009 wechselte sie dann zurück ins Spielfilmfach und realisierte in Polen gemeinsam mit ihrer Tochter "Jánošík - Pravdivá história", basierend auf einer Legende über den Außenseiter Jánošík, der im 18. Jahrhundert an der polnisch-slowakischen Grenze durch die Wälder streifte und dort als eine Art zentraleuropäischer Robin Hood lebte.

Einer der wichtigsten Filme Agnieszka Hollands neben "Hitlerjunge Salomon" entsteht 2011: "In Darkness" basiert auf wahren Begebenheiten und erzählt die Geschichte einer Gruppe Lemberger Juden, die sich während der Liquidation der Ghettos in der Kanalisation verstecken und hoffen, dort bis Kriegsende unter schwersten Bedingungen überleben zu können. Die polnisch-deutsch-kanadische Koproduktion, unter anderen mit Benno Fürmann, Maria Schrader und Herbert Knaup, spielt größtenteils in nahezu kompletter Dunkelheit und knüpft inhaltlich an Andrzej Wajdas Film "Kanał" ("Der Kanal") an. "In Darkness" wurde auf Filmfestivals vielfach mit Preisen ausgezeichnet und war 2012 in der Kategorie "Bester fremdsprachiger Film" für einen Oscar nominiert. 

Nach dem Erfolg von "In Darkness" wandte sich Holland erneut der amerikanischen Serienwelt zu und führte zwischen 2011 und 2017 Regie bei jeweils mehreren Episoden u.a. von "The Killing", "Treme", "Rosemary's Baby" und "House of Cards". Für den Spielfilm "Pokot" ("Die Spur") kehrte sie in ihre polnische Heimat zurück. Im Februar 2017 mit dem Silbernen Bären bei der Berlinale ausgezeichnet, erzählt der subversive Krimi von einer im Einklang mit der Natur lebenden Außenseiterin, die unter Verdacht steht mehrere Männer, allesamt Jäger, ermordet zu haben.

FILMOGRAFIE

2023/2024
  • Regie
2023
  • Ausführender Produzent
2015-2017
  • Regie
  • Drehbuch
2010/2011
  • Regie
2005/2006
  • Regie
2001/2002
  • Regie
  • Drehbuch
1989/1990
  • Regie
  • Drehbuch
1989/1990
  • Drehbuch
1987/1988
  • Drehbuch
  • Drehbuch-Mitarbeit
1984/1985
  • Regie
  • Drehbuch-Mitarbeit
1982
  • Drehbuch