Viehjud Levi

Deutschland Schweiz Österreich 1998/1999 Spielfilm

Inhalt

Deutschland, 1935. Wie jedes Jahr kommt der jüdische Viehhändler Levi in ein abgelegenes Tal im Schwarzwald, um mit den Bauern Geschäfte zu machen. Dieses Jahr hat er sich außerdem vorgenommen, um die Hand der Bauerntochter Lisbeth anzuhalten. Aber schon bei seiner Ankunft erkennt Levi, dass sich im Dorf einiges verändert hat.

Die Menschen begegnen ihm reservierter, in der Kneipe steht ein Hakenkreuzfähnchen auf dem Stammtisch und aus Berlin wurde der staatstreue Ingenieur Kohler ins Tal geschickt, um den Eisenbahntunnel wieder in Stand zu setzen. Einzig Lisbeth freut sich aufrichtig über Levis Besuch. Ihr Verehrer Paul, ein systemkritischer junger Bursche aus der Stadt, beobachtet eifersüchtig Levis Werben um die junge Frau. Als Paul den "braunen" Ingenieur Kohler öffentlich blamiert, richtet sich der Zorn des Nazis nicht gegen Paul, sondern gegen den "Viehjud" Levi.

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
Nach dem gleichnamigen Theaterstück von Thomas Strittmatter, der 1995 im Alter von 34 Jahren an den Folgen eines Herzfehlers starb, hat Didi Danquart einen in vielerlei Hinsicht bemerkenswerten Kinofilm gedreht, der sich durch die Intensität der hervorragenden Schauspieler wohltuend abhebt von der Vielzahl der Streifen mit NS-Thematik, die in den ausgehenden 1990er Jahren in die Kinos und auf den Bildschirm gekommen sind. „Viehjud Levi“ ist zugleich Danquarts Hommage an Strittmatter, mit dem er zuvor „Bohai Bohau“ gedreht hatte, dessen Uraufführung der Dramatiker und Drehbuchautor nicht mehr erleben konnte.

Es ist eine tragische Geschichte, die im Gewand der Tragikomödie daherkommt und sich durch Frische, Leichtigkeit und unprätentiöse Darstellung auszeichnet. Die Handlung spielt 1933 in einem kleinen Dorf im Schwarzwald, der Heimat des Dramatikers Thomas Strittmatter. Der jüdische Viehhändler Levi (Glanzrolle für Bruno Cathomas) kommt wie jedes Jahr aus Salzburg über die Grenze. Doch diesmal sind es nicht allein die Geschäfte, die ihn hierher führen. Er hat ein Auge auf Lisbeth geworfen, die Tochter der Horgerbauern. Auch anderen ist die anmutige Schönheit der Bauerntochter, die im Gasthaus des Dorfes bedient, nicht entgangen. So dem Querkopf Paul, der sich bewusst jeder „Brotarbeit“ entzieht und sich als literarischer Bohemien und Anhänger der Dada-Bewegung Kurt Schwitters’ zu erkennen gibt. Für ihn ist der aufkommende Nationalsozialismus ein Gräuel.

Aus der Reichshauptstadt Berlin kommt die „neue Zeit“ in Person des Ingenieurs Kohler und seiner Sekretärin und Geliebten Neuner in den verschlafenen Ort – zusammen mit einem Reichsbahn-Bautrupp, der einen eingestürzten Eisenbahntunnel wieder instandsetzen soll. Der überzeugte Hakenkreuzler Kohler führt die „Bewegung“ in die katholisch geprägte ländliche Gegend ein, in der sie bisher keineswegs Fuß fassen konnte. Und er bringt einen Volksempfänger mit, der nach anfänglichem Widerstand des kauzigen Wirts die Goebbels- und Hitler-Propaganda direkt in die Gaststube überträgt.

Bei einem Fest der Bahnarbeiter, das Kohler auf einer Waldlichtung als „kleiner Parteitag“ des Dorfes organisiert, blamiert Paul vor den Augen der Dorfbewohner den Ingenieur – und betrügt ihn mit dessen Sekretärin Neuner. Doch Kohlers Zorn entlädt sich nicht beim Urheber, dem intellektuellen Querkopf, dem er offenbar nicht gewachsen ist, sondern konzentriert sich auf das schwächste Glied der zunehmend auseinanderdriftenden Dorfgemeinschaft, den Viehjuden Levi. Der erkennt, zumal sich Lisbeth demonstrativ auf seine Seite schlägt, erst viel zu spät, wie sich die vertraute Welt gegen ihn verschworen hat. Der Nachbar, ja der Freund, wenn er auch nicht selbst aus dem Dorf stammt, wird über Nacht zum Verfehmten.

Regisseur Didi Danquart: „Der Film beschreibt die Zeit des Übergangs anhand eines ländlichen Mikrokosmos. Was passiert mit den Menschen, die mit einer totalitären Ideologie konfrontiert werden, wie verändern sie sich, zu was sind sie fähig?“ „Viehjud Levi“, am 12. Februar 1999 auf der Berlinale im Int. Forum des jungen Films uraufgeführt und mit dem Caligari-Preis, beim Filmfest Potsdam mit dem Publikumspreis und beim Jerusalem-Festival mit dem „Mayor’s Prize Jewish Experience“ ausgezeichnet, ist auf der einen Seite, entsprechend der Vorlage Thomas Strittmatters, der die Menschen des Schwarzwaldes durchaus differenziert zeichnet, ein Heimatfilm. Auch Didi Danquart stammt aus Südbaden, was sicherlich zur großen Authentizität der Verfilmung beigetragen hat. Auf der anderen Seite ist „Viehjud Levi“ aber ein historischer Stoff – und leider auch ein Beitrag zur aktuellen Lage der Republik vor der Jahrtausendwende.

In der Begründung zum Caligari-Preis heißt es: „Das Spiel der bis in die Nebenrollen ausgezeichnet besetzten Protagonisten ist ohne jeden moralischen Touch und wirkt deshalb umso eindringlicher. Bedrückende Szenen werden immer wieder durch komische und sinnliche Momente aufgelockert und fesseln dadurch bis zum Ende.“

Pitt Herrmann


Credits

Alle Credits

Kamera

Kamera-Assistenz

Material-Assistenz

Standfotos

Titelgrafik

Licht

Beleuchter

Kamera-Bühne

Szenenbild

Storyboard

Außenrequisite

Innenrequisite

Titel

Schnitt-Assistenz

Musik-Tonaufnahme

Ton-Bearbeitung

Mischung

Stunts

Darsteller

Co-Produzent

Herstellungsleitung

Geschäftsführung

Dreharbeiten

    • 15.04.1998 - 22.05.1998: Südschwarzwald
Länge:
2574 m, 94 min
Format:
35mm, 1:1,85
Bild/Ton:
Eastmancolor, Dolby SR
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 23.08.1999, 82845, ab 6 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 12.02.1999, Berlin, IFF - Internationales Forum des Jungen Films;
Kinostart (DE): 30.09.1999, St. Georgen;
TV-Erstsendung (DE FR): 08.12.2002, Arte

Titel

  • Originaltitel (DE) Viehjud Levi
  • Weiterer Titel (ENG) Jew-Boy Levi
  • Weiterer Titel (ENG) Cattle Jew Levi

Fassungen

Original

Länge:
2574 m, 94 min
Format:
35mm, 1:1,85
Bild/Ton:
Eastmancolor, Dolby SR
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 23.08.1999, 82845, ab 6 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 12.02.1999, Berlin, IFF - Internationales Forum des Jungen Films;
Kinostart (DE): 30.09.1999, St. Georgen;
TV-Erstsendung (DE FR): 08.12.2002, Arte

Auszeichnungen

IFF Jerusalem 1999
  • Mayor's Prize Jewish Experience
IFF Berlin 1999
  • Caligari-Filmpreis