Die Neue

Deutschland 2014/2015 TV-Spielfilm

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Heinz17herne
Heinz17herne
Karl steht an der Tafel eines Berliner Gymnasiums – und macht, statt sich dem Unterrichtsstoff, Goethes „Prometheus“, zu widmen, seiner Lehrerin Eva Arendt Komplimente. Die ist überhaupt sehr beliebt laut Internet-Voting der Oberstufenschüler, wie ihre jüngere Kollegin Lydia Monet nicht ohne Süffisanz bemerkt: die Sportlehrerin lässt im Unterricht die Zügel längst nicht so locker wie Eva.

Die linksliberale, kirchenferne und sehr sportlich-aktive Single-Frau mittleren Alters genießt den Sex mit Rolf, weiß aber auch, dass das Verhältnis zu ihrem überdies verheirateten Schulleiter nicht unproblematisch ist und keinesfalls publik werden darf. Noch eine Sorge treibt sie um: ihre betagte Mutter Irmgard Schneider liegt im Krankenhaus und es ist sehr fraglich, ob sie noch einmal in ihre Wohnung zurückkehren kann. Ihr Halbbruder Guido, der in einer Bar in Mitte hinter dem Tresen steht, ist ihr emotional keine Hilfe.

Als eine neue Schülerin Evas Klasse betritt, stockt allen der Atem: Sevda Toprak trägt als gläubige Muslima einen Hijab. Und weigert sich, den einzigen noch freien Platz neben Goran einzunehmen – weil der ein Junge ist. Es dauert, bis Eva Arendt ihre Schüler beruhigen kann, von denen keiner seinen Platz freiwillig aufgeben möchte. Schließlich ist Neriman bereit, sich neben Goran zu setzen, sodass Sevda, die bisher aufs Münchner Kant-Gymnasium gegangen ist, neben Mia Bosselt sitzen kann.

„Ich will mich nicht so zeigen“: Vom Sportunterricht will sich die „Neue“ befreien lassen, weil sie ihren Hijab nicht ablegen und keinesfalls kurze Sportklamotten anziehen will. Integration ist für sie ein Schimpfwort: ihr Glaube steht über den Freiheits- und Selbstverwirklichungsrechten der westlichen Welt. Die so selbstbewusst-kühle wie eloquente Sevda weiß sich auch unter Mitschülern zu behaupten: Sie sei als Kind liberaler Eltern ganz westlich und ohne Kopftuch aufgewachsen und fühle sich nun durch den Hijab keineswegs in ihrer Freiheit als Frau eingeschränkt.

Eva Arendt fühlt sich überfordert, zumal gerade ihre Mutter gestorben und von ihrem selbstmitleidigen Halbbruder Guido keine Hilfe zu erwarten ist bei der Vorbereitung der Beisetzung und der Wohnungsauflösung. Und dann auch noch das: der katholische Pastor Gundlach eröffnet der überzeugten Atheistin, dass ein christliches Begräbnis der letzte Wille ihrer verstorbenen Mutter war. Als Eva im Gebetbuch der Verstorbenen einen nicht abgeschickten Brief an einem gewissen Friedrich findet, kommt sie – erstmals – ihrem leiblichen Vater auf die Spur.

In der Schule eskaliert die Konfrontation zwischen nunmehr drei Kopftuchträgerinnen und den bauchnabelfreien Girlies. Eva begleitet Sevda zum Gebet in die Moschee, was dem Schulleiter nicht verborgen bleibt. Als dieser einen heimlichen Gebetsraum im Keller des Gymnasiums entdeckt, informiert er die Schulaufsicht. Schließlich liegen in seiner säkularen Bildungsanstalt auch keine Bibeln herum, da hat der Koran nichts zu suchen. Doch der Senatsbeamte verteilt nur die Broschüre „Islam und Schule“. Was tun? Eva spricht mit Sevdas entsetzten Eltern und mit Mias besorgter Mutter: allgemeine Hilflosigkeit.

Privat läuft es immerhin besser: Eva findet im Berliner Augenarzt Dr. Friedrich Lemberger einen verständnis-, ja liebevollen alten Mann, der von seiner Vaterschaft nichts gewusst hat und ganz selbstverständlich seine neue Rolle annimmt. Die auch darin besteht, seine so spät gefundene Tochter zur kirchlichen Beerdigung der Frau zu begleiten, die er einst als bereits verheirateter Mann heiß geliebt hat.

Die biodeutschen Kinder gehen zum Gegenangriff über, wollen die Sonderbehandlung der „Neuen“ beenden - mit Sprüchen auf T-Shirts wie „Islamfaschismus – nein Danke“ und einer kollektiven Burka-Vollverschleierung. Eva verliert die Nerven und reißt Sevda den Hijab herunter: ihre Suspendierung durch den Schulrat scheint nur eine Frage der Zeit zu sein...

Buket Alakuş ist als Dreijährige mit ihrer Familie aus Istanbul nach Hamburg gekommen. Die Schülerin Hark Bohms reüssierte rasch international mit Themen, die auch aus ihrem unmittelbaren Umfeld stammen: eine türkische Putzfrau macht sich auf die Suche nach ihrem drogensüchtigen Sohn, eine Deutschtürkin will ihrer Schwester zuliebe heiraten oder eine an Brustkrebs erkrankte Deutschtürkin kämpft darum, wieder Vereinsfußball spielen zu können.

Die Ratlosigkeit ihrer beiden Protagonisten in „Die Neue“ entspricht sicherlich auch der eigenen. Für das vorsichtig optimistische Ende musste die Regisseurin einige Kritik einstecken: zu papiern das selbstkritische Plädoyer Eva Arendts vor den Schülern bei ihrer Beurlaubung, zu klattrig die versöhnlich-freundschaftlichen Blicke der soeben noch heftig streitenden Schüler, als Eva wieder ihre Klasse übernimmt.

Ist ein Schulleiter zu tadeln, der jeglichen Präzedenzfall fürchtet? Ist einer auf moralische Grundsätze pochenden Lehrerin vorzuwerfen, heimlich ein Verhältnis mit dem verheirateten Schuldirektor eingegangen zu sein? Darf der Senat einer stolzen „Freien und Hansestadt“ es bei möglichst allgemein formulierten Broschüren belassen und den Schwarzen Peter an die schwächsten Glieder, die Lehrer und die Schüler, weiterreichen? Fragen, die dieser Film naturgemäß nur stellen, aber nicht beantworten kann.

Pitt Herrmann

Credits

Drehbuch

Schnitt

Musik

Darsteller

Produzent

Alle Credits

Regie-Assistenz

Drehbuch

Szenenbild

Maske

Kostüme

Schnitt

Mischung

Musik

Darsteller

Produzent

Produktionsleitung

Dreharbeiten

    • 30.06.2014 - 31.07.2014: Süddeutschland
Länge:
89 min
Bild/Ton:
Farbe, Ton
Aufführung:

TV-Erstsendung (DE): 19.10.2015, ZDF

Titel

  • Originaltitel (DE) Die Neue
  • Arbeitstitel (DE) Die Deutschlehrerin

Fassungen

Original

Länge:
89 min
Bild/Ton:
Farbe, Ton
Aufführung:

TV-Erstsendung (DE): 19.10.2015, ZDF