Lieder und Lachen: Die musikalische Komödie

Der Siegeszug des Tonfilms bedeutete auch den Aufstieg einer Spielart der Komödie, deren Erfolg besonders auf den Ton angewiesen war. Noch im Januar 1930 hatte die Zeitschrift Lichtbild-Bühne mit dem Blick auf Hollywoods Musikfilme programmatisch gefordert: "Schafft die deutsche Tonfilm-Operette!" – nur acht Monate später feierte man die Premiere von "Die Drei von der Tankstelle", der zum erfolgreichsten Film der Saison werden sollte. Mit Werner Richard Heymanns Schlagern wie "Ein Freund, ein guter Freund" und "Liebling, mein Herz läßt Dich grüßen", interpretiert von Willy Fritsch, Oskar Karlweis, Heinz Rühmann und Lilian Harvey, präsentierte sich hier der erste Höhepunkt einer neuen Komödienform.

 
Quelle: DFM
Oskar Karlweis, Heinz Rühmann, Lilian Harvey, Willy Fritsch, Olga Tschechowa und Fritz Kampers (vorne 3.-8.v.l.) in "Die Drei von der Tankstelle" (1930)
 

Die Mischung aus Operette, Lustspiel und Sängerfilm wurde sowohl als "Tonfilm-Operette" wie auch als "musikalische Komödie" gefeiert. "An Stelle der zähen Operettentradition", schrieb im Film-Kurier Ernst Jäger Ende 1930, "tritt der Versuch der musikalischen Komödie, der eigene Stil einer neudeutsch-bürgerlichen Unterhaltungsfreude." Dieser "eigene Stil" entwickelte sich in zahlreichen Filmen weiter und bediente sich nur zu einem Teil aus dem Fundus der Bühnenoperette und der urbanen Motive des Stummfilms. Auch Oper, Varieté, Tanz- und Jazzorchester, Ballhäuser und Revuen, Kabaretts, Bars, Modemagazine und weitere Impulse der zeitgenössischen Populärkultur beeinflussten die musikalischen Tonfilmkomödien. Ihre Vielfalt spiegelt sich in Produktionen wie "Die singende Stadt" und "Das Kabinett des Dr. Larifari" (beide 1930), "Der Kongreß tanzt", der 1931/32 zu den erfolgreichsten Filmen zählte, Joe Mays "Ihre Majestät die Liebe" und "Die Koffer des Herrn O. F." (beide 1931), zu dem Erich Kästner Liedtexte besteuerte. Lilian Harvey und Willy Fritsch, beide bei der Ufa unter Vertrag, wurden das "Traumpaar" der neuen Welle. Ihr Erfolg mit "Die Drei von der Tankstelle" setzte sich fort in Filmen wie der "musikalischen Ehekomödie" "Einbrecher" (1930), "Ein blonder Traum" (1932) und "Glückskinder" (1936) – er endete erst, als Lilian Harvey 1939 aus Nazideutschland emigrierte. Zu den weiteren Stars der musikalischen Komödie gehören der polnische Tenor Jan Kiepura, seine nicht minder beliebte Filmpartnerin und spätere Frau Marta Eggerth, der Schauspieler und Regisseur Willi Forst, der Opernstar Richard Tauber, der Sänger, Schauspieler und Kabarettist Max Hansen und die ungarische Opern- und Operettensängerin Gitta Alpar. Mit ihnen und vielen anderen wurden die Lieder von Komponisten wie Friedrich Hollaender, Werner Richard Heymann, Robert Stolz und Theo Mackeben zu festen Bestandteilen der Unterhaltungskultur der Weimarer Republik.

Quelle: DIF
Max Hansen
 

Auch in der Nazizeit – nicht nur mit den Fritsch/Harvey-Filmen – feierten Tonfilm-Operetten und musikalische Komödien weiter Erfolge; ihre Stars hießen u.a. Marika Rökk und Johannes Heesters. Doch die selbstreflexiven Momente von Film-im-Film-Satiren wie "Das Kabinett des Dr. Larifari" und Max Ophüls' "Die verliebte Firma" (1932), (post-)moderne Spiele mit Fiktion und Realität, mit Konventionen und traditionellen Geschlechterrollen wie in "Viktor und Viktoria" (1933) nahmen im gleichen Maße ab, wie Repression und Verfolgung im nationalsozialistischen Deutschland zunahmen. Mit Hans H. Zerletts Posse "Robert und Bertram" (1939) wurde eine perfekt getimte musikalische Komödie zu einem perfiden antisemitischen Musical. Der betont freie, selbstbewußte und selbstreflexive Charme der musikalischen Komödien aus der Anfangszeit des Tonfilms verschwand – er sollte auch nach dem Zweiten Weltkrieg, in den zahlreichen westdeutschen Revue- und Musikantenfilmen der 1950er und frühen 1960er Jahren, nicht wiederkehren.