Regionen der Komik: Bauernschwank und Heimatfilm

Ein Gegenstück zu den urbanen Filmkomödien der Weimarer Republik, die im (groß-)städtischen Spielraum u.a. Romanzen, Verwechslungen und musikalische Einlagen präsentierten, bot das ländliche Milieu. In Bauernschwänken, Landler-Possen und Heimatfilmen blühte der "volkstümliche Humor". Korrespondierte z.B. die musikalische Komödie nicht selten mit neuen Entwicklungen der zeitgenössischen Populärkultur, bezogen sich die Komödien im ländlichen Milieu auf die Theatertradition des Bauernschwanks sowie auf regionale Stereotypen und Spezifika. Zudem hatte bereits der frühe deutsche Film auf diesem Gebiet eine eigene Traditionslinie entwickelt: Die bis heute populäre Dialektik von Norddeutsch-Süddeutsch, das Prinzip der Bauernschläue und der touristische Blick auf ländliche Idylle und Folklore zeigt sich bereits in Filmen der Kaiserzeit wie "Wie Bauer Klaus von seiner Krankheit geheilt wurde" (1906), "Eine billige Badereise" (1911), "Ein moderner Brutkasten" (1912), "Alt-Heidelberg, Du feine..." (1914) und Ernst Lubitschs "Meyer aus Berlin" (1918).

 
Quelle: DIF
Ernst Lubitsch in "Meyer aus Berlin" (1918)
 

Diese Tradition gewann im Kino der Weimarer Republik weiter an Gestalt. Vor allem zwei Spielarten waren populär: Das Aufeinanderprallen zwischen Großstadt und Provinz – in Form des Provinzlers in der Großstadt oder des Stadtmenschen auf dem Land – und die Komödie auf dem Dorfe bzw. im folkloristischen Idyll. Beispiele dieser zwei Formen sind u.a. "Der Provinzonkel" (1926), "Schützenliesl / Auf der Alm da gibt's koa Sünd" (1926), "Der Hochtourist" (1931), "Barfüßele. Ein Schwarzwaldidyll" (1924), "Der fidele Bauer" (1927), "Der unsterbliche Lump" (1930), "Der Schützenkönig" (1932) und Ernst Lubitschs berühmter Schwank "Kohlhiesels Töchter" (1920), der bis 1979 vier Remakes nach sich ziehen sollte. Die erste Neuverfilmung des Lubitsch-Films lieferte Hans Behrendt 1930 als Tonfilmvariante, die der Kritiker Herbert Ihering vernichtend kommentierte: "'Kohlhiesels Töchter' stumm – ein Fortschritt zum deutschen Lustspielfilm. 'Kohlhiesels Töchter' tönend – ein Rückschritt zum krachledernden Dorftheater." Lubitsch selbst hatte seinen Film als Verwertung eines klassischen Stoffes beschrieben: "Es war 'Der Widerspenstigen Zähmung' in die bayerischen Berge versetzt. Der Film war typisch deutsch." "Typisch deutsch" waren ebenso Heimatfilme wie "Schwarzwaldmädel" (1929), "Die Försterchristl" (1930/31), "Das Rheinlandmädel" (1930) und vor allem Hans Behrendts "Alt-Heidelberg" (1923). Behrendts Film beruht auf Wilhelm Meyer-Foersters Schauspiel "Alt-Heidelberg", dessen immenser Erfolg als erster Höhepunkt der Popularisierung des "romantischen Erinnerungsorts" Heidelberg gilt – der malerische Ort am Neckar als sentimental verklärte Heimat romantischer Liebesgeschichten im Studentenmilieu, angelehnt an Joseph Victor von Scheffels Gedicht "Alt Heidelberg, du feine" aus dem 19. Jahrhundert.

Quelle: DIF
Emil Jannings und Henny Porten in "Kohlhiesels Töchter" (1920)
 

Zu erwarten war darum von "einem Alt-Heidelberg-Film", wie der Film-Kurier 1923 betonte, "eine gewisse Buntheit, ein Überschuß an Temperament, Laune und Humor" sowie "malerisch gestellte Gruppenbilder, süddeutsche Romantik und stimmungsvolle Bilder von 'Alt-Heidelberg' der Feinen". 1926/27 griff Lubitsch, inzwischen bereits in die USA übergesiedelt, den Stoff mit "The Student Prince in Old Heidelberg" auf, und Karl Hartls "Ein Burschenlied aus Heidelberg" variierte 1930 noch einmal das erfolgreiche Heidelberg-Rezept.Erst recht nach 1933 erfreuten sich Bauernschwänke und Heimatfilme, die sich zum Teil perfekt in die völkisch-nationalistische Blut-und-Boden-Ideologie der Nazis einfügten, großer Beliebtheit; der populäre bayerische Komiker Weiß-Ferdl erlebte im nationalsozialistischen Deutschland mit Filmen wie "Der Lachdoktor" (1937) seine Hochzeit. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sollten ihn die bayerischen Publikumslieblinge Joe Stöckel und Beppo Brem beerben – etwa in ihrer Film-Reihe um die "Zwei Bayern". Andere ländliche Komödien wie das Remake "1A in Oberbayern" (1956) sorgten ebenso für den Fortbestand dieser Komödientradition, wie auch die ungemein erfolgreichen Heimatfilme der 1950er Jahre.