Solo für Sanije – Die wahre Geschichte der Solo Sunny

Deutschland 2009 Dokumentarfilm

Inhalt

"Solo Sunny" von Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase und Regisseur Konrad Wolf gehört zu den unsterblichen Kultklassikern des DDR-Kinos. Die Geschichte einer Frau, die versucht, ihre persönlichen Träume mit der Lebensrealität in Einklang zu bringen, basiert auf dem Leben von Sanije Torka, was offiziell allerdings nie erwähnt wurde. Der Dokumentarfilm "Solo für Sanije" porträtiert die inzwischen 62 Jahre alte Sanije Torka, die noch immer in Berlin wohnt und nach wie vor ein unangepasstes Leben führt – ein fortwährender Balanceakt am Rande des sozialen Gefüges.

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
Frauengefängnis Berlin-Reinickendorf, offener Vollzug. Sanije Torka macht nicht den Eindruck, sich selbst für eine prominente Insassin zu halten oder von ihren Mithäftlingen dafür gehalten zu werden. Arbeitsalltag hinter Gittern, nur O-Töne, kein Kommentar, kein einziges Wort der Filmemacherin Alexandra Czok in der ersten halben Stunde. Sanije, die von Wein immer Sodbrennen bekam und daher frühzeitig auf Wodka und Korn umstieg, was sich später in Verbindung mit Tabletten zu einem steten und immer kürzeren Wechselspiel von rauschhafter Euphorie und ernüchterndem Kater steigerte, ist auf Entzug: Sie hat die Antidepressiva abgesetzt und sorgt sich, dass man sie nicht vermisst, wenn sie stirbt – oder gar umgebracht wird...

Sanije Torkas Leben war 1980 schon einmal Thema eines Films, und zwar eines, der Filmgeschichte geschrieben hat: „Solo Sunny“ von Wolfgang Kohlhaase (Drehbuch) und Konrad Wolf (Regie). Er basierte auf einem Interview, das die Journalistin Jutta Voigt vier Jahre zuvor mit der DDR-Sängerin für die FDJ-Zeitschrift „Temperamente“ geführt hatte und das nicht erscheinen durfte. Renate Krößner, auf der Berlinale dafür mit dem Silbernen Bären belohnt, verkörperte Sanije in einer der erfolgreichsten Defa-Produktionen überhaupt. Ein Erfolg, der nur durch die West-Berliner Ehrung und die damit verbundene Aufmerksamkeit in der DDR zustande kommen konnte, denn die SED-Ideologen hatten für Konrad Wolfs Spielfilm schon das Schicksal des Voigt-Interviews vorgesehen. Und ein Erfolg, von dem der heute 62-jährigen Sanije Torka nichts blieb, weder materiell noch ideell. 1968 lernte sie Wolfgang Kohlhaase im Ost-Berliner Künstlerclub „Die Möwe“ kennen, erzählte ihm ihre Geschichte und hörte dann nichts weiter von ihm. Weshalb sie „ganz baff“ war über den Film „Solo Sunny“, in dem sie sich sehr wohl erkannt, wiedergefunden hat. Sanije, ein in Potsdam aufgefundenes, von Pflegeeltern geschlagenes und in einem Heim aufgewachsenes Findelkind, stand schon als junges Mädchen vor der Kamera – ungefragt: Jürgen Böttcher drehte 1960 die Dokumentation „Notwendige Lehrjahre“ über „ihren“ Jugendwerkhof.

Am 15. Januar 1944 in Beelitz bei Potsdam als Tochter von Krimtartaren geboren, die als Ostarbeiter keine Kinder haben durften, weshalb sie das Baby vor dem Potsdamer Jugendamt ablegten, wo ihm der Name Eva-Maria zugeteilt wurde, hat sehr früh geheiratet, weil sie sich nach einer eigenen Familie sehnte. Als die Ehe in die Brüche ging, gab sie im Alter von zwanzig Jahren ihren Sohn Mike in Pflege und hat ihn dadurch verloren, was sie heute als den größten Fehler ihres Lebens bezeichnet. Das alles mag erklären, mit welcher Kraft diese besonders widerspenstige, aber auch lebensgierige junge Frau Karriere gemacht hat im Arbeiter- und Bauernstaat, auch und gerade gegen den von der Konzert- und Gastspieldirektion der DDR verordneten Weg im Kollektiv: Sanije wollte Solo-Sängerin werden, den Applaus nicht länger teilen müssen. Ihr Gefängniszimmer ist voller Erinnerungsstücke an ihre Auftritte während der Sommer-Tourneen an der Ostsee, aber auch in Nachtbars der internationalen Devisenhotels in der Hauptstadt Berlin oder der Messestadt Leipzig, von Gastspielreisen durch Polen und die Sowjetunion.

Nach einem gescheiterten Fluchtversuch, Sanije wurde 1965 aus dem Zug nach Hamburg geholt, hat sie sich der Staatssicherheit verpflichtet und war zwanzig Jahre als „IM Büttner“ tätig. Bis 1992 ist sie noch öffentlich aufgetreten, mit einigen offenbar vor allem alkoholbedingten Unterbrechungen, hat aber letztlich die Wende nicht auf der Bühne überlebt, sondern im Knast. Arbeitslosigkeit, Trunksucht, Ladendiebstähle, Perspektivlosigkeit beruflich wie privat. Immer wieder Medikamentenmissbrauch. Nach erster Entlassung aus der Haft rückfällig geworden, will sie nun keine erneute frühzeitige Entlassung. Sie genießt den geregelten Tagesablauf und die Möglichkeit des regelmäßigen Freiganges u.a. um in ihrer kleinen Prenzlberger Wohnung nach dem Rechten zu sehen – und fühlt sich ansonsten „ganz wohl“ in Reinickendorf.

Die 1970 in Leipzig geborene Kamerafrau Alexandra Czok lässt ihren 80-minütigen Dokumentarfilm ganz unspektakulär beginnen, erst nach zwanzig Minuten wird ganz unvermittelt und kommentarlos der erste „Solo Sunny“-Ausschnitt mit Renate Krößner gezeigt, nach vierzig, fünfzig Minuten ist die erste, knappe Frage der Filmemacherin an Sanije zu hören. Die Dokfilmerin unterlegt die entwaffnend offenen Worte Sanijes, die Schlager eigentlich nie für ihre wahre Profession gehalten, sich andererseits aber nicht getraut hat, Rock’n Roll zu singen, mit Original-Aufnahmen ihrer Auftritte und Schallplatten.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Länge:
79 min
Bild/Ton:
Farbe , Dolby
Aufführung:

Voraufführung (DE): 06.08.2009, Leipzig, Sommerkino auf der Feinkost;
Kinostart (DE): 10.09.2009

Titel

  • Originaltitel (DE) Solo für Sanije – Die wahre Geschichte der Solo Sunny

Fassungen

Original

Länge:
79 min
Bild/Ton:
Farbe , Dolby
Aufführung:

Voraufführung (DE): 06.08.2009, Leipzig, Sommerkino auf der Feinkost;
Kinostart (DE): 10.09.2009