Schwierig sich zu verloben

DDR 1982/1983 Spielfilm

Inhalt

Biggi ist 18 Jahre alt und macht eine Ausbildung zur Verkäuferin. Sie lebt in einer Kleinstadt. In einem Gewächshaus lernt sie den zwei Jahre älteren Schlosser Wolle kennen. Die beiden kommen sich näher und werden ein Paar. Das wilde Leben der beiden endet abrupt, als Biggi Wolle ihre Schwangerschaft gesteht. Wolle, der lieber von Ungebundenheit und Abenteuern träumt, flieht vor der Verantwortung, beginnt oft auswärts zu arbeiten und lässt sich auf eine Affäre mit einem anderen Mädchen ein. Daraufhin unternimmt Biggi einen Schwangerschaftsabbruch und beginnt ein Studium. Auch sie lernt einen anderen Mann kennen, trennt sich aber bald wieder von ihm. Da Biggi und Wolle ohne einander nicht glücklich sind, kommen sie wieder zusammen und beginnen noch einmal von vorn.
Die Ausstattung dieser Filmseite wurde durch die DEFA-Stiftung gefördert.

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
Biggi heißt eigentlich Brigitta, ist 18 Jahre jung und Lehrling eines Möbelgeschäftes in einer Kleinstadt irgendwo in der DDR-Provinz (gedreht wurde in Jüterbog). Zufällig in einem Gewächshaus, aber was die Story der Dramaturgin Gabriele Kotte und des Regisseurs Karl-Heinz Heymann betrifft, genau am richtigen Ort, weil sich unter dem Schutz des Glases und kundiger Hände etwas entwickeln kann aus dem in die Erde gebrachten Samen, trifft Biggi auf den zwei Jahre älteren Schlosser Wolle, der eigentlich Wolfgang heißt.

Ganz behutsam, zwischen Motorradromantik am Baggersee und unpersönlicher, dröhnender Disco-Atmosphäre im Jugendclub, zwischen Geschäft, Werkstatt und Elternhaus entwickelt sich ihre Liebe. Und ganz wie von selbst kündigt sich Nachwuchs an. Wolle ist wie vor den Kopf geschlagen: Auf eine Familiengründung hat er nun wirklich keinen Bock. Er will frei sein wie sein Vater, den er nur noch selten sieht, seit er sich von seiner Mutter getrennt und eine neue Familie gegründet hat. Der zieht als Montage-Spezialist quer durch die Republik, was auch Wolle vorschwebt, obwohl: Ausland wäre noch besser, auch wenns Äthiopien ist.

Biggis Mutter arbeitet beim Rat der Stadt und nutzt ihre politischen Verbindungen, um ihrer Tochter Weiterbildungsmöglichkeiten zu verschaffen bis hin zum Fachstudium. Doch da müsste Biggi in die Großstadt, weg von Wolle. Und dann das Kind! Ist für emanzipierte Frauen im Sozialismus kein Problem: Entweder Rundum-Versorgung von der Krippe bis zur Bahre oder Abtreibung. Biggi entscheidet sich für letztere Möglichkeit und die Liebenden gehen fortan getrennte Wege.

Wolle schließt sich einer Montagebrigade an, die vor allem auswärts zu tun hat. Wobei er fern der Heimat die Gunst der Stunde nutzt, um neue Mädchenbekanntschaften zu schließen. Doch sind sie sämtlich nicht seine Kragenweite im uneingestanden-heimlichen Vergleich mit Biggi. Sie beginnt ein Fachschulstudium und ein wenn auch rein platonisches Verhältnis mit einem wesentlich älteren Intellektuellen. Also auch nichts endgültiges. Weshalb beide nach geraumer Zeit der Reifung am Ende einen Neuanfang wagen können...

„Schuster, bleib bei deinen Leisten“ ist eine zutiefst preußische Tugend, die sich die kleinbürgerliche DDR zu eigen gemacht hat. „Schwierig, sich zu verloben“ mag aus heutiger Sicht eine treffliche Milieustudie einer Jugend in der DDR-Provinz Anfang der 1980er Jahre sein. Aber Karl-Heinz Heymanns Film ist wirklich nicht der große Wurf, als der er sowohl von DDR-Medien nach der Uraufführung als auch von westlichen Zeitungen anlässlich der ARD-Erstausstrahlung am 1. Mai 1986 dargestellt wurde.

So Günter Agde in der populären DDR-Illustrierten „filmspiegel“ (5/1983): „Das gefällt mir an dem Film. Er ist nicht so sehr auf Übermitteln von Informationen und auf Erkenntniswert aus, sondern sehr auf Übermitteln von Haltungen, die sich im Sich-Geben von jungen Leuten, im Klima, in Ton und Gestus und Sprache, auch Nicht-Sprechen, in Blick, und Rückblick äußert.“

In diesem bemerkenswert dialogarmen Kinofilm, nach „Darf ich Petruschka zu Dir sagen?“ (1981) der zweite des Defa-Regisseurs Karl-Heinz Heymann, überzeugen allein die beiden jungen Protagonisten Ulrike Krumbiegel und Leinwand-Debütant Werner Tritzschler, der seinerzeit frisch von der Schauspielschule ans Theater Karl-Marx-Stadt engagiert wurde, durch Zwischentöne, die Atmosphäre schaffen und Authentizität. Man merkt ihnen ihre solide Schauspielerausbildung (Ulrike Krumbiegel war zum Drehzeitpunkt im dritten Studienjahr), ihre ersten Bühnenerfahrungen an, selbst in den zahllosen Großeinstellungen wirken sie ganz unaufgeregt natürlich.

Und so ist aus der geplanten Milieustudie, der „dokumentarische Spielfilm“ (Heymann im filmspiegel 3/1983) sollte ursprünglich mit Laien gedreht werden, die durch häufige Wiederholungen gleichförmiger Einstellungen etwa bei den unzähligen Motorradfahrten nervt, eine im Grunde doch recht konventionelle und dazu noch hausbacken verfilmte Liebesgeschichte geworden. Da hat es in der Defa-Geschichte gut ein Dutzend weitaus aufregenderer Filme gegeben. Allerdings, so „mbh“ anlässlich einer Wiederaufführung Mitte Februar 2023 im Berliner Zeughauskino: „Die im Hier und Jetzt angesiedelte Geschichte mag sich formelhaft lesen, doch der feine Blick auf Augenhöhe, die unverblümte Sprache der Jugendlichen und die kaum dramaturgisch zugespitzte oder gar wertende Inszenierung der Schwangerschaftsunterbrechung sind ungewöhnlich. ‚Schwierig sich zu verloben‘ ist eine der wenigen Defa-Produktionen, die sich explizit mit der Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs auseinandersetzen.“

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Länge:
2340 m, 86 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
Orwocolor, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DD): 24.02.1983, Berlin, Kosmos

Titel

  • Originaltitel (DD) Schwierig sich zu verloben
  • Weiterer Titel (DD) Von der Schwierigkeit sich zu verloben

Fassungen

Original

Länge:
2340 m, 86 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
Orwocolor, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DD): 24.02.1983, Berlin, Kosmos