Pugowitza

DDR 1980/1981 Spielfilm

Inhalt

1945 auf dem Treck treffen sich der elfjährige, elternlose Heinrich und der alte Fischer Komarek. Zuerst wehrt sich der Alte dagegen, nach den Frauen, die sich ihm ungefragt anschlossen haben, auch noch diesen Jungen aufzunehmen. Durch Erlebnisse in den letzten Kriegswochen spürt er dann doch die Verantwortung für den vom Endsieg Hitlerdeutschlands fest überzeugten Heinrich. Ungläubig nimmt der Junge die Erfahrungen des Alten auf, die dieser 1917 als Kriegsgefangener in Russland gewonnen hat. Heinrich glaubt nicht an die Menschlichkeit der Feinde, doch dann findet er Freundschaft bei Mischka, Nikolai und Leonid, den sowjetischen Besatzungssoldaten in einem märkischen Dorf. In ihrem Schutz versucht Heinrich, die Bauern für die neue Macht zu gewinnen. Er hat dabei freilich ebenso wenig Erfolg wie Komarek bei der ihm von den Russen übertragenen Aufgabe als Bürgermeister. Resigniert verlässt Komarek das Dorf, den traurig zurückbleibenden Jungen einem jungen Paar anvertrauend, das mit ihm in die Stadt ziehen will.

 

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g.giwan
Szymon Szurmiej
Szymon Szurmiej ist 2014 verstorben
https://en.wikipedia.org/wiki/Szymon_Szurmiej
Heinz17herne
Heinz17herne
„Mutter ist gestern gestorben“ teilt eine Ordensschwester dem elfjährigen Heinrich Habermann mit. Dessen Vater bereits vier Jahre zuvor in Afrika gefallen ist. Das nunmehr gänzlich elternlose Kind solle sich, rät die Nonne, „guten Leuten“ anvertrauen, die nun im Frühjahr 1945 angesichts der bedrohlich näher rückenden Front Masuren und überhaupt Ostpreußen gen Westen verlassen. Doch vorbeiziehenden Trecks will sich der Junge nicht anschließen, verharrt in sich gekehrt auf einen Handkarren vor der verschlossenen Tür der Kirche, in der seine Mutter zusammen mit anderen unbeerdigten Toten aufgebahrt liegt.

Erst als ein katzenfellbehangener älterer Mann mit einer kleineren Gruppe von Flüchtlingen vorbeikommt, geht Heinrich mit. Ermuntert durch Frau Sagoreit, einer unbelehrbaren Frau, die – im übrigen wie der von Wunderwaffen träumende Hitlerjunge selbst – nach wie vor an den Endsieg der Deutschen glaubt und dem mit strammem Schritt voranschreitenden Fischer Komarek zutraut, alle in Sicherheit zu bringen. Als eine kleine Kolonne von Wehrmachtssoldaten, offenbar auf dem Rückzug, die Gruppe überholt, schaut sich ein junger, beinamputierter Flüchtling (Peter Welz), vorsichtig nach ihnen um.

Mit gutem Grund, wie Heinrich beim Übernachten in einer Scheune zufällig entdeckt: der Sechzehnjährige ist ein Simulant, der sein intaktes zweites Bein unterm Stroh versteckt. Der immer noch regimetreue Junge will ihn bei Komarek verpfeifen, der aber hat einen zu festen Schlaf. Doch hat Frau Sagoreit offenbar Wind davon bekommen , denn am anderen Morgen holen zwei „Silberketten“ den Fahnenflüchtigen ab und knüpfen ihn am nächsten Baum auf. Heinrich ist untröstlich, fühlt sich schuldig – und wird von dem alten Fischer getröstet.

Und das auf nachhaltige Weise: „Der Krieg ist verloren, er mag sich noch hinziehen, aber er ist verloren. Es ist nicht schade, sie haben es nicht anders verdient.“ Zum einen macht Komarek den Illusionen des Jungen ein Ende, zum anderen nimmt er ihm die Furcht vor der heranrückenden Roten Armee, indem er Heinrich von der Verbrüderung deutscher und russischer Soldaten 1917 bei der Revolution in St. Petersburg erzählt. Und gleich noch einige Brocken Russisch beibringt, so Pugowitza für Hosenknopf.

In einer Traumsequenz steht Adolf Hitler (Rolf Ludwig) plötzlich in der Schlafstube, verleiht dem Hitlerjungen für seine angebliche Denunziation das Ritterkreuz und will mit ihm ein Foto schießen. Darauf lässt sich Heinrich jedoch nur ein, wenn auch Komarek und der Erhängte mit aufs Bild dürfen. Als die Front bedrohlich nahe rückt, sieht Heinrich, wie Bauer Berniko und seine Frau ihre letzte Ernte säckeweise auf dem Hof verscharren, bevor sie die Flucht ergreifen und den Jungen einladen, mitzukommen. Heinrich aber will auf Komarek warten und lernt mit Woitek einen jungen polnischen Fremdarbeiter kennen, dem es auf dem Hof des Gutsinspektors Hopf schlecht ergangen ist. Für die zahllosen Prügel, die er einstecken musste, rächt er sich, indem er ein Gebäude in Brand steckt, bevor er sich in Richtung Heimat davonmacht.

Inzwischen tanzen junge Rotarmisten im Dorf. Heinrich nähert sich ihnen vorsichtig, aber unbefangen – nach den Worten des Fischers. Der junge Offizier Nikolai, genannt Mischka, nimmt sich seiner an – und der einstige Hitlerjunge mutiert zu einer Art Maskottchen, dem zuerst eine Paparossi zwischen die Zähne gesteckt wird, bevor er gebadet und neu eingekleidet wird. „Pugowitza“ spricht zu den Flüchtlingen, nimmt ihnen die Angst vor den neuen Machthabern, bewirkt, dass sie bleiben. Auch sonst macht er sich nützlich, holt Mehlsäcke aus Bernikos Versteck, sorgt für ein Meer von Roten Fahnen im Dorf und eine Extraportion Fleisch für Mutter Kriepsch, die ihn noch aus der masurischen Heimat kennt. Mischka bekommt allerdings Ärger mit dem ihm vorgesetzten Kommandanten Nowikow: nach der zwangsweisen Hakenkreuz-Beflaggung will er keine erneute Bevormundung der Bauern. Die er für ein solidarisches Handeln gewinnen will, damit arme Städter nicht länger hungern müssen. Doch Berniko, der 180 Morgen bewirtschaftet, und die anderen Bauern denken nicht daran, an die Russen zu liefern, sie tauschen lieber mit hamsternden Deutschen.

Plötzlich sind die Russen abgezogen und die Kommandantur verwaist. Heinrich setzt sich bei Nowikow dafür ein, Komarek, den er drei Dörfer weiter aufspürt, zum Bürgermeister zu ernennen. Doch der kann sich als Besitzloser bei den Bauern nicht durchsetzen und auch Heinrich bezieht – als Russenfreund - Prügel von der Dorfjugend. Komarek geht wieder seiner Profession nach: geräucherte Aale sind in Berlin auf dem Schwarzmarkt heiß begehrt, Heinrich kann für sie Garn und Haken eintauschen für noch reichere Fangergebnisse im See. Für seinen jungen, kränkelnden Kumpel Otwin, der ihn in die Hauptstadt begleitet, bedeuten die anstrengenden Touren das Todesurteil: „Wer stark genug ist, bleibt am Leben“ lautet die darwinistische Antwort einer Frau auf seine Bitte nach einem Arzt. Der Ungeist der Nazis steckt noch lange in manchen Köpfen.

Als mit Albert (Jörg Panknin) ein Kommunist und ehemaliger Spanienkämpfer ins Dorf zurückkehrt und kurz nach ihm die junge, schwangere Frau Kirsch in die Fischerkate einzieht, kann Komarek sich guten Gewissens verabschieden, nachdem er die Verlobung der beiden Mitbewohner opulent ausgestattet hat: er weiß seinen verwaisten Schützling in guten und vor allem jüngeren Händen...

„Pugowitza“, die Leinwandadaption des Romans „Pugowitza oder: Die silberne Schlüsseluhr“ von Alfred Wellm, schildert die ersten Nachkriegsmonate 1945 aus der Sicht eines elfjährigen Kindes, das zunächst noch ganz unter dem Einfluss der Hitlerjugend-Propaganda steht. Der Film streift das Tabuthema Flucht und Vertreibung, wenn auch unter der offiziellen SED-Lesart: der deutsche Faschismus hat den Zweiten Weltkrieg ausgelöst und ist deshalb auch für seine Folgen verantwortlich. Die Traumsequenzen Heinrichs, später auf der Suche nach Komarek kommt noch eine Katzenepisode hinzu, tragen ganz die Handschrift Heiner Carows. Trotz einiger Schwarzweiß-Zeichnungen im Figurenarsenal ist Jürgen Brauer ein Film gelungen, der sich mit vergleichsweise leichtfüßiger Note zur Musik von Günther Fischer in die Phalanx eindrucksvoller antifaschistischer Defa-Filme einreiht.

Pitt Herrmann

Credits

Drehbuch

Schnitt

Darsteller

Alle Credits

Drehbuch

Kamera-Assistenz

Steadicam

Bauten

Bau-Ausführung

Requisite

Kostüme

Schnitt

Mischung

Synchronsprecher

Produktionsleitung

Länge:
2764 m, 101 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
Orwocolor, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DD): 26.03.1981, Berlin, International

Titel

  • Originaltitel (DD) Pugowitza

Fassungen

Original

Länge:
2764 m, 101 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
Orwocolor, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DD): 26.03.1981, Berlin, International