Inhalt
Die resolute Tilla hat ihre Klassenkamerad*innen unter ihrer Fuchtel, zu Hause wird sie jedoch von ihrem alkoholkranken Vater drangsaliert und als Haushaltshilfe ausgenutzt. Als die strebsame Anne, die nur Einsen schreibt und dem Lehrer die Tür aufhält, neu in die Klasse kommt, schießt sich Tilla direkt auf sie ein. Nur Felix hält zu Anne, die unter der Ausgrenzung durch den Rest der Klasse leidet. Eines Tages stiftet Tilla ihren Freund Knutschi dazu an, Anne einen Streich zu spielen. Als Anne dem Lehrer davon erzählt, wird sie als Petze beschimpft und nicht einmal Felix hält mehr zu ihr. Die Wendung kommt erst, als Tilla und Anne eines Tages gemeinsam in einer Scheune festsitzen. Im Gespräch kommen sich die beiden näher und entdecken, dass sie auch Freundinnen hätten werden können.
Der Film basiert auf dem 1981 erschienenen gleichnamigen Kinderbuch von Rosel Klein.
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Tilla, die daheim von ihrem ständig betrunkenen, weil als Alleinerziehender und Schichtarbeiter überforderten Vater nach Strich und Faden ausgenutzt und von seinen beiden Lieblingen, ihren Halbbrüdern Bernd (Mario Krause) und Ralf (Christian Krause), als „Quadratschnepfe“ beschimpft wird, sieht ihre Felle davonschwimmen. Sie hetzt die anderen gegen Anne auf. Weil sie Anne nicht mag, die so anders ist. Sich nichts gefallen lässt. Und über ein intaktes Elternhaus verfügt mit einem zwar auch beruflich stark geforderten, aber nie gegen seine Tochter handgreiflich werdenden Vater und einer liebevollen Mutter. Es ist der blanke Neid, der den Zwist handgreiflich werden lässt. Weil die Zwillinge von Stiefbrüdern die für ihre Katze vorgesehenen Bücklinge aufgegessen haben, muss Tilla auf Geheiß des einmal mehr gewalttätigen Vaters einen Fisch fangen – und kann daher als einzige aus der Klasse nicht an einer so genannten freiwilligen Subbotnik-Aktion der Jungen Pioniere teilnehmen, für die sie sich selbst zuvor so stark gemacht hat. Von der spöttischen Anne, die von den Hintergründen natürlich keine Ahnung hat, am Fluss beim Angeln entdeckt und zur Rede gestellt, demoliert eine zutiefst verletzte Tilla das Fahrrad ihrer erklärten Feindin. Die selbst ihre anfängliche Schüchternheit abgelegt hat und sich mit einem Bild revanchiert, das schnell die Runde macht und Tilla als Karikatur darstellt.
Knutschi, der eher auf Annes Seite steht, wird von Tilla eingespannt, um die Neue beim Klassenlehrer unbeliebt zu machen: Er macht Anne glaubhaft, dass die ersten beiden Schulstunden ausfallen. Was natürlich eine glatte Lüge ist und Anne wie vorgesehen einigen Ärger einbringt. Als diese die Wahrheit ans Licht befördert, dräut der Übeltäterin in der Schule wie daheim Ungemach größeren Ausmaßes. Aber Anne steht jetzt vor allen als Petze dar. Selbst auf Felix ist kein Verlass mehr, der sich vor versammelter Klasse nicht traut, ihr gegenüber dem Lehrer beizuspringen. Erst in einer Notsituation kommen sie sich die beiden Kontrahentinnen näher, erzählen nachts in einer Scheune von sich. Und könnten sich plötzlich sogar vorstellen, dass aus dem gegenseitigen Kennenlernen eine dicke Freundschaft wächst...
Der am 15. April 1982 in den Goethe-Lichtspielen Halle/Saale uraufgeführte knapp achtzigminütige Kinderfilm „Die dicke Tilla“ ist eine der wenigen Regiearbeiten des renommierten Kameramanns Werner Bergmann („Goya“, „Der geteilte Himmel“, „Ich war neunzehn“), der neben Ingo Baar auch in diesem liebenswerten Plädoyer für Freundlichkeit, Toleranz und Freundschaft hinter der Kamera stand. Das aus ideologischer SED-Sicht so harmlos nicht ist: Nach einem Szenarium von Rosel Klein, deren gleichnamige Erzählung 1981 im Kinderbuchverlag (Ost-) Berlin erschien, offenbart Werner Bergmann, dass aus der staatlich verordneten Erziehung von der Wiege bis zur Bahre kein vor Selbstbewusstsein strotzender neuer sozialistischer Menschentyp erwächst, sondern zumindest in diesem Fall ein Haufen elender Feiglinge. „Die dicke Tilla“ lief 1981 auch auf dem ältesten Kinderfilmfestival der Bundesrepublik, „Lucas“ in Frankfurt/Main, und wurde am 15. Januar 1984 im Fernsehen der DDR erstausgestrahlt, das ZDF zog am 17. März 1984 nach.
Pitt Herrmann