Amoklauf

DDR 1987/1988 TV-Spielfilm

Kommentare

Sie haben diesen Film gesehen? Dann freuen wir uns auf Ihren Beitrag!

Heinz17herne
Heinz17herne
„Das hätte tödlich enden können“ stellt Hauptmann Peter Fuchs fest: Beim LKW, der auf einer Brücke von der Fahrbahn abgekommen ist und glücklicherweise nur einen Pfeiler rammte, sodass dem Fahrer nichts passiert ist, waren die Radmuttern gelockert worden. Schnitt. Fuchs sitzt im zivilen Dienst-Wartburg und blickt durchs Schaufenster einer „Spezialverkaufsstelle für Fleisch und Wurstwaren“. Sein Interesse gilt dem Sohn des Leiters, Jürgen Gruber.

Der ist, wie sich allerdings erst später herausstellt, weil das Szenarium Eberhard Görners zunächst manche Rätsel aufgibt, mit dem Tatverdächtigen Markus Seifert befreundet, dem von den hart arbeitenden Eltern, einem selbständigen Handwerker und einer Krankenschwester im Schichtdienst, vernachlässigten Sohn. Der viel zu viel sich selbst überlassen ist – und an der Seite des ebenfalls seitens der völlig zerstrittenen Eltern arg gebeutelten, sich ständig schikaniert und bevormundet fühlenden Jürgen – auf dumme Gedanken kommt.

Wie den, sich an dem ständig über sie wegen Ruhestörung beschwerenden Nachbarn, dem Journalisten Jürgen Huber, zu rächen. Der nun in der Klinik, in der Frau Seifert arbeitet, liegt. Den Sachschaden von weit über 100.000 Mark am Fahrzeug und der Ladung, alles neue TV-Geräte, werden die beiden ihr Leben lang nicht abbezahlen können. Peter Fuchs ist von dem Verhör des 14-jährigen Markus so angefasst, dass ein Kollege beim obligatorischen Schießtraining aufmerksam wird und sich nach dem Verhältnis zu seinem gleichaltrigen Sohn befragen lässt.

Derweil wird nach der Beerdigung des Fleischermeisters Paul Gruber in der HO-Gaststätte „Deutsches Haus“ nicht nur Kaffee und Kuchen zu sich genommen. Der Alkohol fließt reichlich: Die beiden Söhne Paul Grubers, dessen schönes Jugendstil-Geschäft seit den 1950er Jahren eine Wohnung ist, während das Schlachthaus zur Garage umgebaut wurde, sind hoffnungslos zerstritten. Hermann Gruber ist in der Branche geblieben, nach der Verstaatlichung des elterlichen Betriebes nun in der als Degradierung empfundenen Position als Verkaufsleiter tätig. Seine Gattin Hilde, einst Krankenschwester, durfte ihren als Berufung empfundenen Beruf nicht länger ausüben und ist nun unter ihm als Verkäuferin und Kassiererin angestellt.

Hermanns Bruder Siegfried hat dagegen ein Studium absolviert und ist nun als gefragter Konstruktionsingenieur tätigt. Die Ehe mit Waltraud ist kinderlos geblieben, auch dies ein ständiger Anlass für Streit aus Eifersucht: Hermann wirft Siegfried seit langem und auch jetzt auf der Trauerfeier vor, sich die Hände nicht schmutzig machen zu wollen. Während sich das Ehepaar ein Taxi sucht, auf das es im Regen gefühlt stundenlang warten muss, steigt Hermann samt Sohn Jürgen in den Wolga, um trotz erheblicher Promille-Zahl selbst nach Hause zu fahren. Die sich zunächst weigernde Gattin Hilde zwingt er förmlich auf die Rückbank des Kombis.

Die Wirtin der HO-Gaststätte „Deutsches Haus“ hat die Szene mitbekommen und alarmiert die Polizei. Was nun einsetzt, ist eine innerhalb der Reihe „Polizeiruf 110“ wohl einmalige Verfolgungsjagd – an inszenatorischem Aufwand, an Dauer und Intensität der Amokfahrt mit zahllosen Crashs, verletzten Volkspolizisten und, soviel darf verraten werden, einem auf dem Weg ins Krankenhaus verstorbenen Fahrradfahrer. Der nächtliche Showdown auf dem Marktplatz von Mittenfelde, einer Nagelsperre sei Dank, ist Höhe- und Schlusspunkt eines actionreichen, was den familienpsychologischen Hintergrund betrifft aber auch nachdenklich stimmenden „Polizeiruf 110“-Krimis. Auf den ersten des Defa-Regisseurs Wolfgang Hübner folgten „Big Band Time“ (1991) und „Das Trio“ (1992), Bei Letzterem handelt es sich um eine sog. Überläuferproduktion: Sie entstand für den Deutschen Fernsehfunk, wurde nach dessen Abwicklung aber vom Mitteldeutschen Rundfunk ausgestrahlt.

„Das Leben in die eigene Hand nehmen“ ist Hermann Grubers Forderung an seinen Sohn, dem er zwischenzeitlich das Steuer überlässt, obwohl der nur einen Mopedführerschein besitzt. Weil er es im Gegensatz zu seinem Bruder Siegfried selbst nicht geschafft hat: den Frust über sein unselbständiges Angestelltenverhältnis hat er bisher stets an seiner Frau und seinem Sohn ausgelassen, nun rast er mit hoher Geschwindigkeit und ohne Licht in den eigenen Untergang.

„Amoklauf“ könnte Bernd Michael Lade, der 1984 in Iris Gusners „Kaskade rückwärts“ auf der Leinwand debütierte, darin verstärkt haben, das Risiko einer TV-Serienfigur einzugehen – von 1992 bis 2007 im „Tatort“ an der Seite von Peter Sodann. Regisseur Wolfgang Hübner ist übrigens kurz als ein VP-Streifenführer an einer S-Bahn-Station zu sehen.

Pitt Herrmann

Credits

Kamera

Schnitt

Darsteller

Alle Credits

Regie-Assistenz

Dramaturgie

Kamera

Maske

Kostüme

Schnitt

Mischung

Darsteller

Produktionsleitung

Aufnahmeleitung

Dreharbeiten

    • 15.10.1987 - 15.12.1987: Berlin/DDR, Mittenwalde, Belzig; Defa-Studios Potsdam-Babelsberg
Länge:
57 min
Format:
35mm, 1:1,33
Bild/Ton:
Orwocolor, Mono
Aufführung:

Uraufführung (DD): 26.06.1988, DDR-TV

Titel

  • Reihentitel (DD DE) Polizeiruf 110
  • Originaltitel (DD) Amoklauf

Fassungen

Original

Länge:
57 min
Format:
35mm, 1:1,33
Bild/Ton:
Orwocolor, Mono
Aufführung:

Uraufführung (DD): 26.06.1988, DDR-TV