Der Trinker

Deutschland 1995 TV-Spielfilm

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Heinz17herne
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Der publizistische Aufwand vor der Erstausstrahlung am 6. Dezember 1995 in der ARD war beträchtlich, wobei der Boulevard die dicksten Schlagzeilen produzierte: Harald Juhnke in der Rolle seines Lebens. Aber auch die „Welt“ opferte die halbe Seite drei und die SZ die halbe Fernsehseite: „Wenn Juhnke säuft, ist das immer ein Ereignis“ schrieb Cathrin Kahlweit am Premierentag in der „Süddeutschen“. Für die Bildschirm-Adaption des 1944 während seiner Haft in der Landesanstalt Neustrelitz verfassten, aber erst 1950 posthum veröffentlichen autobiographisch grundierten Romans „Der Trinker“ von Hans Fallada war mit Ulrich Plenzdorf ein herausragender Dramatiker, Filmszenarist und Schriftsteller gewonnen worden. Der den Plot vom Scheitern eines Kleinbürgers in die unmittelbare Nach-Wendezeit und in die neuen Bundesländer, gedreht wurde in der Mark Brandenburg rund um Neuruppin, verlegt hat. Und den Sommers nun ein vietnamesisches Dienstmädchen beschert, das aber weiterhin Else genannt wird.

Regisseur Tom Toelle, ein ausgewiesener TV-Spezialist für ein breites Spektrum zwischen Unterhaltung, Bildung und künstlerisch wertvoller Fiktion, konnte ein erlesenes Ensemble um den Titelhelden Harald Juhnke versammeln: Der Landwirtschaftsgrossist für Lebens- und Futtermittel Erwin Sommer kommt mit der neuen marktwirtschaftlichen Preiskalkulation bisher unter dem Schutz staatlicher Planwirtschaft agierender Stammkunden nicht mehr zurecht und greift zur Flasche. Seine Gattin Magda, eine handfest-zupackende Geschäftsfrau, die beinahe mühelos die Rolle ihres Mannes in der heruntergewirtschafteten Firma übernimmt und diese in kapitalistischer wie privater Ehe mit dem neuen Wessi-Branchenführer, einem Münchner Großhändler, verbindet, wird kongenial von der großen DDR-Theater- und Defa-Schauspielerin Jutta Wachowiak verkörpert.

Eberhard Esche, einst Star des Deutschen Theaters (Ost-) Berlin (DT), zeitweise auch des Berliner Ensemble, der nach seiner politischen Diskreditierung im SED-Regime vor allem solistisch durch die Lande tourt mit literarischen Programmen wie „Reineke Fuchs“, gibt den Kleinstadt-Arzt und Freund des Hauses Sommer, Dr. Monsfeld. Christian Grashof, ebenfalls ein Star am DT und inzwischen am Wiener Burgtheater gelandet, scheint die Rolle des habgierigen Gastwirts, der die Wirren der Wendezeit dazu nutzt, kräftig abzuzocken, auf den Leib geschrieben zu sein. Schließlich Dietrich Körner als Anstaltsarzt Dr. Stiebling, bei dem Erwin Sommer, einst Lieferant dessen staatlicher Heilanstalt, nun als Patient landet. Als ein bevorzugter versteht sich, denn alle „Leitenden“ zu Honeckers Zeiten haben Leichen im Keller und ein kleiner Hinweis von Magda Sommer genügt, selbst frühere Großabnehmer, die nun Geschäfte mit auftrumpfenden Westfirmen machen, zu Kompromissen zu zwingen.

Und Harald Juhnke – in der Rolle seines Lebens? Da habe ich zwei Theater-Jahrhundertereignisse anzubieten, wovon das zweite erst nach der „Trinker“-Rolle Premiere feierte: An der Seite Hannelore Hogers in der Deutschen Erstaufführung von Peter Turrinis „Alpenglühen“ 1993 am zu den Staatlichen Schauspielbühnen Berlin gehörenden Steglitzer Schlossparktheater sowie 1996 im Zuckmayer-Jahr am Berliner Maxim-Gorki-Theater als „Hauptmann von Köpenick“. Plenzdorfs und Toelles Rollenanlage enttäuscht, weil sie das Versinken Erwin Sommers in die freiheitverheißende Welt des Alkohols nicht als Entwicklung zeigt, sondern als gegebene Tatsache hinnimmt. Harald Juhnke spielt, das freilich in grandioser Weise virtuos, einen Alkoholkranken, der schon vor der Wende rückfällig geworden ist. Weshalb Gattin Magda nach dem Motto: „Das musste ja einmal passieren“ ohne großes Aufsehen zur Tagesordnung übergeht. Schließlich: der unaufhaltsame Verfall des mit dem Attribut des Honecker-Hutes versehenen Kleinbürgers Sommer geschieht zu rasch und zu plakativ, um die bedingungslose Hingabe der attraktiven Kellnerin Ellinor zum „Trinker“ glaubhaft erscheinen zu lassen. Vom Versprechen, sie mit nach Amerika zu nehmen, ganz abgesehen.

Tom Toelle im Gespräch mit Detlef Wos für den ARD-Pressedienst über Harald Juhnke: „Ein sehr guter Schauspieler mit viel Instinkt und einem ganz genauen Gefühl. Er ist professionell, kann viel. Und er war in bewundernswerter Weise bereit, sich den für ihn vielleicht ungewohnten Anstrengungen und Besonderheiten unserer Zusammenarbeit auszusetzen. Es war im übrigen ein Vergnügen zu beobachten, wie zwischen so großartigen Schauspielern wie Jutta Wachowiak oder Christian Grashof und ihm die Funken sprangen, wie es, wenn ich so sagen darf, zwischen ihnen züngelte.“

Bereits am 1. Dezember 1995 hatte die Dokumentation „Wie Harald Juhnke den Trinker spielt“ auf dem damaligen „B 1“-Kanal des SFB Premiere. Der frühere Toelle-Assistent Michael Strauven hatte das Filmteam im Sommer 1994 begleitet und in der Co-Produktion des Senders Freies Berlin mit dem Westdeutschen Rundfunk und der Deutschen Welle gezeigt, wie eine Szene gedreht wird und mit welchen Schwierigkeiten das Filmteam im Brandenburgischen konfrontiert war.

Pitt Herrmann




Credits

Alle Credits

Dreharbeiten

    • Berlin-Buch, Neuruppin, Wustrau, Nauen
Länge:
99 min
Format:
16:9
Bild/Ton:
Farbe, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DE): 06.12.1995, ARD

Titel

  • Originaltitel (DE) Der Trinker

Fassungen

Original

Länge:
99 min
Format:
16:9
Bild/Ton:
Farbe, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DE): 06.12.1995, ARD