Homevideo

Deutschland 2010/2011 TV-Spielfilm

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Heinz17herne
Heinz17herne
„Ich liebe dich nicht mehr“: Die Ansage, die Irina Moormann ihrem Gatten Claas macht, sicherheitshalber im Beisein eines befreundeten Paares, ist eindeutig. Sie schmeißt die Brocken hin, will ausziehen und die kleine Tochter Amelie mitnehmen, während der mit 15 Jahren schon große Sohn Jakob (mit nationalen und internationalen Preisen förmlich überhäuft: Jonas Nay) beim Vater bleiben kann. Allerdings mit dem Zweitschlüssel für ihre neue Wohnung versehen. Claas reagiert wie von ihr vorausgesehen aggressiv...

„Das ist Herrschaftswissen!“: Erik und Henry sitzen auf dem oberen Etagenbett in Eriks Kinderzimmer und lachen sich mit Blick auf den Bildschirm einer Videokamera schlapp. Nur kurz und sehr undeutlich ist ein Junge zu sehen, es könnte sich um Jakob handeln, der sich selbst beim Onanieren gefilmt hat und der dabei mehrfach nach „Hannah“ ruft.

Als Jakob am anderen Morgen die Schulklasse betritt, ist nichts mehr wie zuvor. Gut, er war immer schon der Loser, der sich den Nachstellungen des asozialen Henry und seiner beiden Kumpane Erik und Tom nicht wirklich erwehren konnte. Aber nun sind von der Bank nebenan Stöhnlaute zu hören in Verbindung mit eindeutig obszönen, ganz auf ihn bezogenen Gesten. Die nur einen Schluss zulassen: Die Brut kennt seine Videoaufnahme. Was für Jakob zur Gewissheit wird, als er nach der Schule auf seine Mutter trifft, die gerade ihre Sachen zusammenpackt: Sie hat Erik die Videokamera geliehen.

Während sein Sohn aus lauter Verzweiflung in Eriks Zimmer einbricht, um seine Kamera zurückzuholen, und prompt von dessen entsetzter Mutter erwischt wird, schaut sich Claas Moormann aus Neugierde, Eifersucht und Trauer bei erstbester Gelegenheit, als Polizist zusammen mit einer Kollegin auf Streife, die neue Wohnung an, in der seine Noch-Gattin Irina mit ihrer Freundin Vera zusammen lebt – mit dem Zweitschlüssel für Jonas.

Das mit der Kamera kriegt Jakob noch hin nach einem Telefonat der Eltern, doch die Speicherkarte fehlt und die, so erfährt Jakob anderntags in der Schule von Henry, „kostet 500 Euro Schmerzensgeld, sonst landet das Ding im Netz.“ Was tun? Jedenfalls nicht das naheliegende, sich dem Vater zu offenbaren, der dann sicherlich die Kripo eingeschaltet hätte. Auch nicht die Freundin Hannah informieren, die schließlich nicht minder betroffen wäre, würde Henry seine Drohung wahrmachen.

Irgendwie bekommt Claas dennoch heraus, was fehlt und holt die Karte persönlich – und in Uniform - bei Henrys perplexer und offenbar völlig überforderter Mutter ab. Am anderen Morgen macht das Video auf dem Schulhof die Runde und Jakob weiß sich nicht anders zu wehren als mit Gewalt. Als Hannahs Vater die Onanier-Szene zu Gesicht bekommt, die seiner Tochter scheinbar von Jakob gemailt worden ist, lässt er eine Elternkonferenz einberufen: dieser Widerling habe sein Kind sexuell belästigt und müsse von der Schule fliegen.

„Ich bin doch jetzt für alle die Schlampe“: Hannah geht auf Distanz und Jakob muss allein aus Selbstschutz umgeschult werden. Der Shitstorm im Netz geht natürlich weiter und das Täter-Trio zeigt bei einer Befragung durch den Schuldirektor, der sichtlich Mühe hat, den Straftatbestand Cyber-Mobbing in seiner ganzen Dimension zu erkennen, keinerlei Reue, im Gegenteil: Jakob sei halt von Natur aus zum Opfer auserkoren.

Papa Claas bemüht sich zusammen mit „Oma“ Gertrud und seiner Noch-Gattin nach Möglichkeit um Jakob, aber der Apfel ist nicht weit vom Stamm gefallen: Vater und Sohn lassen sich immer wieder zu emotionalen Überreaktionen hinreißen und treiben so ungewollt Irina in die Arme Veras und Hannah zurück unter das elterliche Schutzdach. Auch die neue Schule bietet trotz ihres musischen Zweiges nicht wirklich eine Alternative: das Video hat längst auch hier die Runde gemacht. So greift Jakob am Ende zur Dienstwaffe seines Vaters...

„Homevideo“ hat in der deutschen Fernsehlandschaft eingeschlagen wie eine Bombe. Als einer der ersten TV-Spielfilme zum Thema Cyber-Mobbing, vor allem aber als ein sehr authentisch erscheinender, seinen Personen ganz naher Film, der die ganze Hilflosigkeit von Familie, Schule, Gesellschaft und Staat gegenüber neuen technischen Entwicklungen offenbart. Der Anonymität des weltweiten Netzes haben die Betroffenen nichts entgegenzusetzen, weshalb sie umso emotionaler reagieren. Und die Erwachsenen wissen schlicht nicht, was sich in den sozialen Netzwerken abspielt, in denen sich ihre Kinder tummeln. Weil die Zeit fehlt, sich damit auseinanderzusetzen – und das technische Knowhow.

„Homevideo“ wurde beim Deutschen Fernsehpreis 2011 für den besten Fernsehfilm und mit Jonas Nay für den besten Nachwuchsdarsteller auszeichnet, letzterer erhielt zudem einen Förderpreis. Im Jahr darauf wurden in Marl gleich vier Adolf-Grimme-Preise vergeben an Drehbuchautor Jan Braren, Regisseur Kilian Riedhof, Kameramann Benedict Neuenfels sowie an die beiden jungen Darsteller Sophia Boehme und Jonas Nay. Weitere Preise von Hamburg über Baden-Baden bis Shanghai kamen hinzu, wobei ich nicht verhehle, dass Wotan Wilke Möhring mit seinem intensiven Spiel auch einen Preis verdient hätte.

Pitt Herrmann

Credits

All Credits

Director

Assistant director

Script supervisor

Screenplay

Director of photography

Assistant camera

2nd Camera unit

Steadycam operator

Still photography

Lighting design

Property master

Stand-by props

Costume design

Editing

Sound design

Sound

Sound assistant

Stunt co-ordinator

Cast

Line producer

Unit production manager

Duration:
89 min
Format:
16:9
Video/Audio:
Farbe, Dolby
Censorship/Age rating:

FSK-Prüfung (DE): 26.10.2011, 129349, ab 12 Jahre [DVD]

Screening:

Uraufführung (DE): 27.06.2011, München, Filmfest

Titles

  • Originaltitel (DE) Homevideo

Versions

Original

Duration:
89 min
Format:
16:9
Video/Audio:
Farbe, Dolby
Censorship/Age rating:

FSK-Prüfung (DE): 26.10.2011, 129349, ab 12 Jahre [DVD]

Screening:

Uraufführung (DE): 27.06.2011, München, Filmfest

Awards

Studio Hamburg Nachwuchspreis 2012
  • Günter-Strack-Fernsehpreis, Bester Nachwuchsdarsteller
2012
  • Adolf-Grimme-Preis, Fiktion
Deutscher Fernsehpreis 2011
  • Förderpreis, Bester Nachwuchsdarsteller
  • Bester Fernsehfilm
2011
  • Deutscher Kamerapreis, Fernsehfilm/Dokudrama