Servus Papa, See you in Hell

Deutschland 2021/2022 Spielfilm

Inhalt

Seit sie ein Kleinkind war, lebt die 14-jährige Jeanne mit zahlreichen anderen Kindern und Jugendlichen in einer Kommune auf einem Bauernhof. Eltern gibt es dort nicht, denn "die Kleinfamilie ist der Ursprung des Bösen", so die Überzeugung von Otto, dem unangefochtenen Oberhaupt der Kommune. Auch Jeannes Eltern, die ihr durch die Kommune ein schöneres Leben ermöglichen wollen, wohnen in der Stadt und kommen nur selten zu Besuch. Zweierbeziehungen sind in der Kommune ebenfalls verboten, weshalb nur Frauen ein festes Zimmer haben, während die Männer sich jede Nacht eine neue "Bleibe" suchen müssen. Sex ist erlaubt, aber Liebe verboten. Als Jeanne sich in den 16-jährigen Mädchenschwarm Jean verliebt, beginnt sie allmählich, die Regeln zu hinterfragen. Zugleich beginnt eine Phase, von der sie bisher nichts wusste: Otto kommt nachts in ihr Zimmer und berührt sie. Als er von der heimlichen Liebesbeziehung zwischen Jeanne und Jean erfährt, schickt Otto alle männlichen Jugendlichen in die Stadt. Danach wird die Situation auf dem Bauernhof immer unerträglicher – bis die Kinder beginnen, gegen Otto zu rebellieren.

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Heinz17herne
Heinz17herne
Während im Hintergrund die freilaufenden Hühner gackern, werden im Kreis der Kommunarden Vertreter der Stadtkommunen aus Amsterdam und Frankfurt/Main mit großem Hallo begrüßt: Otto und seine rechte Hand Gisela zeichnen Francois als „besten Verkäufer“ aus. Mit Versicherungen und windigen Bauherrenmodellen wird das „freie“ Landleben auf einem idyllisch gelegenen Bauernhof finanziert.

Francois und seine Frau Mathilde wollten, dass ihre inzwischen 14-jährige Tochter Jeanne in einer besseren Welt aufwächst, weshalb sie diese bereits als Zweijährige in Ottos Obhut und die seiner rigorosen Hauptfrauen gaben. Welches Zwangsregime auf der abgeschiedenen (Halb-) Insel herrscht, offenbart sich wenig später: Holger hat sich in Simone verliebt. Beide müssen sich einem „Selbstdarstellung“ genannten inquisitorischen Ritual vor der ganzen Gemeinschaft unterziehen. Dem ein Psychoterror folgt, welcher einer klerikalen Teufelsaustreibung gleicht.

Die Kleinfamilie sei der Ursprung allen Übels in der Welt, weshalb in Ottos Kommune die Kinder früh von ihren Eltern getrennt werden. Freier Sex mit möglichst täglich wechselnden Partnern gehört zum Pflichtprogramm, Liebe dagegen ist als spießig verschrien und strikt verboten: nur Frauen bewohnen ein eigenes Zimmer, während sich die Männer jede Nacht eine neue Partnerin suchen müssen. Mit Ausnahme des pathologischen Egomanen Otto versteht sich, dem gottgleichen „Papa“ seiner Kommune.

Jeanne und ihr bester Freund Otis haben keine andere Welt als diese kennengelernt und sie deshalb auch nicht hinterfragt. Was sich schlagartig ändert, als Jeanne sich in den 16-jährigen „Pferdeflüsterer“ Jean verliebt. Mit ihm erkundet sie die nähere Umgebung, verlässt erstmals den Hof. Otto spürt instinktiv, dass sich sein Lieblingsmädchen, das er zur Betreuung seiner behinderten Tochter Kiki in sein Haus geholt hat, ihm verweigern wird, wenn er das aristokratische ius primae noctis, das Recht der ersten Nacht, vollziehen will: Josef muss Jean nach Frankfurt bringen.

An Sonnenwende wird Ottos Geburtstag mit Unterstützern wie dem SPÖ-Politiker Karl und Künstlerfreunden wie Joseph Beuys gefeiert. Jeanne darf wählen, mit wem von den Gästen Otto die Nacht verbringt – und entscheidet sich für ihre Mutter Mathilde. Währenddessen regt sich unter den Heranwachsenden, die von Jeannes Ausflug in die Außenwelt erfahren haben, Unmut über die rigorosen Regeln. Mit Billy verlässt das erste Mitglied des inneren Zirkels samt ihrer Kinder die Kommune, um nach Deutschland zurückzukehren. Jeanne begleitet sie bis zum Bahnhof, kehrt aber wieder zurück: die Jugendlichen proben den Aufstand. Parallel erpresst Kathrin den Politiker Karl, der Sex mit Minderjährigen hatte: der Druck auf Otto, der sich stets auf die Freiheit der Kunst berufen hat, wächst. Schließlich hat Jean in Frankfurt Mathilde über die wahren Verhältnisse in der Kommune aufgeklärt…

„Das war die einzige Welt, die ich kannte, und ich habe sie als sehr schön empfunden. Ich war ein Kind unter anderen Kindern. Uns wurde ja immer gesagt, dass die Welt draußen die Hölle sei“, so Jeanne Tremsal im Münchner Festival-Presseheft. „Und später dann, wenn Otto einen begehrt hat, fühlte man sich auch geehrt, denn er wurde ja als der unangefochtene Chef und Gott betrachtet. Das Infragestellen kam erst viel später. Als mir der sexuelle und psychologische Missbrauch klar wurde. Deshalb hatte Christopher die Idee, die Geschichte ‚aus den Augen des Mädchens‘ zu erzählen. Aus einem Blickwinkel, der nicht wertend ist.“

„Servus Papa, See You In Hell“ basiert auf den Erinnerungen von Jeanne Tremsal. Sie ist in der Mühl-Kommune auf dem burgenländischen Friedrichshof aufgewachsen, in der bis zur Verhaftung des Gründers 1991 neue Lebensformen u.a. nach den Schriften Wilhelm Reichs ausprobiert wurden. Regisseur Christopher Roth im Festival-Presseheft: „Otto Mühl, ein einstiger Wehrmachtssoldat, kam aus der Kunst, aus dem Wiener Aktionismus. Das hat ihm nicht gereicht. Er wollte ein künstlerisch therapeutisches Experiment in der Wirklichkeit machen und hat sich mit ein paar hundert Anhängern aufs Land verzogen. Wir fangen im Film aber erst in den späten Achtzigern an, da gab es eigentlich schon Punk und der echte Mühl war längst ein alter Mann.“

Jeanne Tremsal spielt im freilich nur scheinbar semidokumentarischen Film mit angeblich hineingeschnittenen Amateurvideos ihre eigene Mutter, während Jana McKinnon sie als junges Mädchen verkörpert. Der knappe Zweistünder wurde während des Lockdowns im August und September 2020 in der Nähe von Kassel auf Gut Kragenhof und einer Fulda-Insel gedreht, auf der das Filmteam sechs Wochen lang unter sich blieb.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Regie-Assistenz

Kamera

2. Kamera

Farbkorrektur

Ton-Schnitt

Ton-Assistenz

Ton-Bearbeitung

Musik

Produktionsfirma

Produzent

Ausführender Produzent

Herstellungsleitung

Produktionsleitung

Dreharbeiten

    • 31.08.2020 - 29.09.2020: Hessen
Länge:
116 min
Format:
DCP, 1:1,85
Bild/Ton:
Farbe, Dolby
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 10.05.2022, 213359, ab 16 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 26.06.2022, München, Filmfest;
Kinostart (DE): 24.11.2022

Titel

  • Originaltitel (DE) Servus Papa, See you in Hell
  • Weiterer Titel (eng) So Long Daddy, See You in Hell
  • Arbeitstitel (DE) Wir, die Kinder

Fassungen

Original

Länge:
116 min
Format:
DCP, 1:1,85
Bild/Ton:
Farbe, Dolby
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 10.05.2022, 213359, ab 16 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 26.06.2022, München, Filmfest;
Kinostart (DE): 24.11.2022