Die zertanzten Schuhe

DDR 1977 TV-Film

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Heinz17herne
Heinz17herne
Schlafsaal-Rotunde in feinstem Zartrosa. Der König (Helmut Müller-Lanow) bringt seine sieben Töchter allabendlich höchstselbst zu Bett: Sie legen sich sternförmig mit den Füßen zu einem imaginären Mittelpunkt hin. Aber kaum hat ihr Vater den Raum, den er sorgsam verschließt, verlassen, wird es lebendig im Schlafgemach: Die Prinzessinnen zieht es in der Nacht in einen prächtigen Tanzsaal. Und am anderen Morgen, wenn der König vor dem Frühstück ihre Schuhe inspiziert, weisen ihre Sohlen regelrechte Löcher auf: durchgetanzt! Eine mit Kette und Schloss verriegelte Tür und gleich zwei Wachen (Willi Neuenhahn und Horst Papke) davor haben es nicht verhindern können, dass seine Mädchen immer wieder ausbüxen und offenbar ganze Nächte das Tanzbein schwingen. Dabei will der König bestimmen, mit welchen Kavalieren sie tanzen – und wer von ihnen einmal sein Nachfolger wird.

An einem Tag im tiefsten Winter hängen an einem schneebedeckten Apfelbaum im königlichen Garten noch drei herrlich rote Früchte. Die sich ein junger, in Unehren entlassener und reichlich abgewetzt aussehender Soldat (Jaecki Schwarz) durch den Zaun pflücken will. Gerade als er den ersten Apfel beißen will, wird er von den beiden Wachen erwischt und zum Hauptmann (Harald Warmbrunn) geführt. Der den Apfeldieb sogleich zum König führen will, doch die hinzukommende Köchin (Helga Raumer) hat Erbarmen mit dem armen Kerl, der soeben seine letzten Brotkrumen mit drei Raben geteilt hat. Sie nimmt den abgehärmten Burschen als Küchenjungen mit aufs Schloss.

Was dem König nicht lange verborgen bleibt, der den jungen Mann zu sich beordert. Der sagt aus, als jüngster Sohn einer armen Tagelöhnerfamilie zum Militär gezwungen worden zu sein. Der König beauftragt ihn, das Geheimnis der allnächtlich zertanzten Schuhe seiner Töchter zu lüften, wobei die Schuhe ausgerechnet der Jüngsten die geringsten Verschleißspuren aufweisen. Der Soldat bekommt im Gemach der Töchter einen eigenen abgetrennten Schlafbereich. Drei Nächte hat er Zeit, den Auftrag zu erfüllen. Schafft er es nicht, soll ihm – wie offenbar manch anderem zuvor – der Kopf abgeschlagen werden. Kommt er hinter das Geheimnis, kann er sich eine Prinzessin wählen und wird zum Nachfolger des Königs gekrönt.

Der Soldat freilich will von alldem nichts wissen – und schon gar nicht König werden. Wüsste er doch gar nicht, was anfangen auf dem Thron. Doch er hat keine Wahl und wird von der Köchin heimlich mit einem Tuch ausgestattet, dass ihn unsichtbar macht. Nachdem der ihm von der ältesten Prinzessin zugedachte Schlaftrunk in einer Blumenvase verschwindet statt in seiner Kehle, bemerkt der Soldat in der ersten Nacht, auf welche Weise die Mädchen den Schlafsaal verlassen und folgt ihnen bis zu einem zugefrorenen See, wo ihre Kavaliere mit Schlitten auf sie warten. Doch weiter kommt der Unsichtbare nicht, weil er ins Eis einbricht. In der zweiten Nacht kann er sechs Paare und die jüngste Prinzessin (Blanche Kommerell), welcher er inzwischen sehr zugetan ist, bis an die Pforte zu einem geheimnisvollen Park verfolgen. Aber weil es ihm erneut nach einem Apfel gelüstet, verpasst er das Weitere.

Erst in der dritten Nacht gelangt er mittels des Tuches in einen unterirdischen, prächtig geschmückten Tanzsaal mit spiegelndem Parkettboden und zahllosen funkelnden Lüstern. Die sechs älteren Prinzessinnen (Heidemarie Wenzel, Solveig Müller, Micaëla Kreissler, Renate Blume, Olga Strub und Birgit Edenharter) vergnügen sich nachts dort mit sechs Prinzen (Jürgen Zartmann, Jürgen Reuter, Kaspar Eichel, Peter Friederichson, Gunter Sonneson und Lothar Tarelkin). Bei denen es sich um die Söhne des mit ihrem Vater verkrachten Königs aus dem Nachbarland handelt, deshalb die Heimlichtuerei. Als sich der Apfeldieb der versonnen tanzenden Jüngsten nähert, damit sie nicht länger ohne Tanzpartner bleiben muss, bleibt sein Umhang an einer Pflanze hängen – und er ist enttarnt. Verspricht aber sogleich, das Geheimnis zu wahren: Durch das Tuch, das ihn unsichtbar mache, brauche er die Strafe des Königs nicht zu fürchten.

Am anderen Morgen hat selbst die Jüngste zertanzte Schuhe und nun ist es für den Soldaten Zeit, sich zu ihr zu bekennen. Die älteren Prinzessinnen, welche die Jüngste kürzlich erst als „einfältige Schneegans“ verspottet haben, fühlen sich nun bemüßigt, ihrem Vater die ganze Wahrheit zu beichten. Zum Erstaunen aller ist der König versöhnlich gestimmt: Vor so viel geballter Offenheit kann er sich nur geschlagen geben. Von einer Bestrafung des Soldaten ist nun keine Rede mehr, im Gegenteil, er darf Jüngste zur Braut nehmen. Nun tanzen bald sieben Paare im Schloss des Königs…

Günter Kaltofen (Szenarium) und Siegfried Hönicke (Buch) haben das gleichnamige Märchen der Brüder Grimm für das DDR-Fernsehen adaptiert und die Vorlage aus dem Jahr 1812 in die Gegenwart transponiert. Die Ausstattung ist ebenso modern wie die Tanzmusik von Leonid Balai, eingespielt vom Defa-Sinfonieorchester unter der Leitung von Manfred Rosenberg. Die von zwölf auf sieben reduzierte Zahl der Königstöchter macht es Kameramann Siegfried Hönicke leichter, die Schönen ins rechte Licht zu rücken. Annemarie Siemank gibt einen angenehm sparsamen und dabei völlig ideologiefreien Erzähler – keine Selbstverständlichkeit in den Märchenadaptionen aus Babelsberg und Adlershof. Ursula Schmengers von der Defa (PL Horst Dau) produzierter und nur 47-minütiger Film wurde am 24. Dezember 1977 im Fernsehen der DDR erstausgestrahlt.

Pitt Herrmann


Credits

Alle Credits

Titel

  • Originaltitel (DD) Die zertanzten Schuhe

Fassungen

Original

Länge:
1290 m, 47 min
Bild/Ton:
Farbe, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DD): 24.12.1977, DDR-TV