Fotogalerie
Alle Fotos (6)Biografie
Winfried Junge, geboren am 19. Juli 1935 in Berlin, nahm nach dem Abitur 1953 ein Studium der Germanistik an der Pädagogischen Fakultät der Berliner Humboldt-Universität auf, das er jedoch schon im Jahr darauf abbrach, um an die neu gegründete Deutsche Hochschule für Filmkunst in Potsdam-Babelsberg zu wechseln. Mit der theoretischen Arbeit "Einige Probleme der Gestaltung des neuen Helden im DEFA-Dokumentarfilm mit industrieller Thematik" schloss er 1958 sein Diplom-Studium zum Filmdramaturg ab. Neben und auch nach dem Studium betätigte er sich von 1955 bis 1961 als Filmkritiker bei der "Zeitung für Studenten und die junge Intelligenz" und der Zeitschrift FORUM sowie in späteren Jahren regelmäßig in der Tages- und Fachpresse.
Nach dem Diplom bekam er 1958 eine Stelle beim DEFA-Studio für populärwissenschaftliche Filme, wo er zunächst als Dramaturgie-Assistent, dann als Regie-Assistent an der Seite von Karl Gass arbeitete. Ab 1961 war Junge als Regisseur im DEFA-Studio für Wochenschau und Dokumentarfilme tätig. Daneben realisierte er 1966/67 sein Spielfilmdebüt "Der tapfere Schulschwänzer". Gedreht in einem dokumentarischem Stil erzählt der Kinderfilm von einem jungen Schulschwänzer, der zum Lebensretter wird, am Ende aber sein Schuleschwänzen eingestehen muss.
Angeregt von Karl Gass nahm Junge 1961 einen Dokumentarfilm über den Übergang vom Kindergarten ins erste Schuljahr in Angriff. Im Mittelpunkt stand eine Gruppe von Kindern im Dorf Golzow im Bezirk Frankfurt, Oder. Ohne dass dies zuvor geplant gewesen wäre, wurde die Kurzdokumentation "Wenn ich erst zur Schule geh' ..." zum Ausgangspunkt einer über Jahrzehnte hinweg fortgesetzten filmischen Langzeitbeobachtung: Die "Chronik der Kinder von Golzow" zeigt, zunächst in Kurzfilmen, die Kinder bei der Einschulung, nach dem ersten Schuljahr, als Elfjährige, 14-Jährige, bei der Abschlussprüfung und als 20-Jährige. Aus dem im Lauf der Jahre angesammelten Material entstanden 1979 die Chronik "Anmut sparet nicht noch Mühe" sowie 1980/81 der über vierstündige Film "Lebensläufe", in dem neun Einzelporträts das Aufwachsen einzelner Kinder zeigen.
Seit 1968 war Junge mit der Diplom-Dolmetscherin Barbara Becher verheiratet. Sie arbeitete ab 1969 im DEFA-Studio für Dokumentarfilme als Synchronregisseurin; 1978 übernahm sie zudem die Archivdokumentation der "Golzower Chronik". 1986 fasste Junge den Entschluss, den Werdegang der "Kinder von Golzow" mit allen Höhen und Tiefen bis ins 50. Jahr der DDR im Jahr 1999 in regelmäßigen Abständen filmisch zu begleiten.
Parallel zu den Golzower Chroniken realisierte Junge auch andere, mehrteilige Dokumentarfilm-Reihen. So etwa ab 1973 eine insgesamt dreiteilige Filmreihe über den Bau des Pumpspeicherwerks Markersbach im Erzgebirge; Titel des ersten Teils: "Sagen wird man über unsre Tage. Erkundungen auf einer großen Baustelle".
Im Jahr 1979 wählte die Sektion Dokumentarfilm und Fernsehpublizistik des Verbandes der Film- und Fernsehschaffenden der DDR Junge zu ihrem stellvertretenden Vorsitzenden. Von 1985 bis 1987 war er zudem Präsident des Nationalen Festivals für Dokumentar- und Kurzfilm der DDR in Neubrandenburg. 1990 wählte man ihn zum Vizepräsidenten des Komitees des Internationalen Leipziger Festivals für Dokumentar- und Animationsfilm; 1995 wurde Junge Mitglied der AG Dokumentarfilm. Im Jahr darauf wurden er und seine Frau Mitglieder der Berliner Akademie der Künste.
Nach dem Tod von Charlotte Beck, die 18 Jahre lang Junges Schnittmeisterin war, trat Barbara Junge auch beruflich ganz an die Seite ihres Mannes. Seit "Diese Golzower – Umstandsbestimmung eines Ortes" aus dem Jahr 1983/84 schnitt sie alle seine Filme mit ihm gemeinsam. Beginnend mit dem Doppel-Dokumentarfilm "Diese Briten – diese Deutschen" (1988), über die Lebensbedingungen von Arbeiterfamilien in den Hafenstädten Newcastle und Rostock, zeichnete das Ehepaar auch gemeinsam für Buch und Regie sämtlicher Filme verantwortlich.
Ab 1994 veröffentlichten die Junges in unregelmäßigen Abständen abendfüllende Dokumentarfilme über die einzelnen Golzower "Kinder", die inzwischen natürlich längst erwachsen waren und zum Teil selbst Kinder hatten. In diesen Filmen kombinierten sie bisher unveröffentlichtes Material mit neuen Aufnahmen.
"Eigentlich wollte ich Förster werden – Bernd aus Golzow" bildete 2002/2003 den letzten dieser Filme. Den eigentlichen Abschluss des "Golzow-Zyklus" bildete gleichwohl der vierteilige Dokumentarfilm "Und wenn sie nicht gestorben sind - dann leben sie noch heute... Die Kinder von Golzow. Das Ende der unendlichen Geschichte", der zwischen 2005 und 2008 entstand.
Im Jahr 2007 wurden Winfried und Barbara Junge mit dem Preis der DEFA-Stiftung für ihre Verdienste um den deutschen Film geehrt. 2008 folgte der Rote Adlerorden für Verdienste um das Land Brandenburg und 2009 der Ehrenpreis für ihr Lebenswerk, überreicht vom Verband der deutschen Filmkritik.