Der Hugenberg-Coup

Als 1917 auf Erlass des Kriegsministeriums das Bild- und Film-Amt (BUFA) eingerichtet wurde, das als eine Art Vorstufe der noch im selben Jahr gegründeten Ufa verstanden werden kann, fand sie in der "Deutschen Lichtbild-Gesellschaft e.V. (DLG)" einen ambitionierte Rivalen. Dieser gemeinnützige Verein war (nachdem ein erster Versuch 1914 durch den Kriegsausbruch scheiterte) 1916 von einer Gruppe von Industrie- und Wirtschaftsverbänden, dem Deutschen Städtetag und ähnlichen Vereinigungen gegründet worden. Das ursprüngliche Konzept, im In- und Ausland für Wirtschaft und Fremdenverkehr Reklame zu machen, stammte von Ludwig Klitzsch, einem jungen Verlagsmanager. Doch die Zusammensetzung des Verwaltungsrates zeigte sehr deutlich, wer finanziell und ideologisch bestimmend war: Höchstpersönlich vertrat der Geheime Finanzrat Dr. Alfred Hugenberg das Direktorium der Stahl- und Rüstungsfirma Fried. Krupp AG. Trotz wiederholter Beteuerungen beider Seiten – der zivilen DLG und des militärischen BUFA – zur Zusammenarbeit wurde hinter den Kulissen gegeneinander intrigiert. Das BUFA sah seine ehrgeizigen Pläne einer Zentralisierung unter staatlich-militärischer Leitung gefährdet, und die um Hugenberg gescharten Erzkonservativen befürchteten – ein wenig absurd, aber aktenmäßig belegbar – durch die Zusammenarbeit mit der Militärischen Abteilung ein Anwachsen des sozialdemokratischen Einflusses. So kam es, dass bei den Bemühungen um eine zentrale deutsche Filmfirma die DLG von staatlicher Seite ignoriert wurde.

 
Quelle: DIF
Alfred Hugenberg

Auf diese Weise bei der Ufa-Gründung 1917 übergangen, kam Alfred Hugenberg 1927 desto umfassender zum Zuge. Als Kopf der Scherl-Verlagsgruppe übernahm er im März den krisengeschüttelten Ufa-Konzern mit 140 Tochtergesellschaften, 134 Kinos im In- und Ausland und zwei großen Studiokomplexen in Tempelhof und Neubabelsberg. Als sein Ziel erklärte er, er wolle das so wertvoll gewordene deutsche Kulturinstitut dem nationalen Gedanken erhalten. Sonst würden sich, entsprechende Vorgespräche liefen bereits, seine einheimischen Konkurrenten engagieren, die bürgerlich-liberalen Verlage Ullstein oder Mosse. Oder die Amerikaner – eine absolute Schreckensvision für den Deutschnationalen Hugenberg – könnten die Ufa schlucken. Dass der Hugenberg-Coup jedoch keineswegs eine Hasard-Aktion war, bewies der Verhandlungspoker um die Übernahme: Am Ende musste die Deutsche Bank u.a. 6,25 Millionen Reichsmark aus ihren Forderungen nachlassen. Hugenberg machte zur Bedingung, dass er von der Deutschen Bank die Vorzugsaktien mit zwölffachem Stimmrecht bekam. Größere Aktienpakete erwarben außerdem der Otto-Wolff-Konzern und die IG Farben, zu der die Agfa gehörte und die naturgemäß ein Interesse an der Ufa als Großabnehmer von Rohfilm hatte. Obwohl Hugenberg weniger als die Hälfte der Aktien hielt, waren jedoch – wie es in einem internen Bericht der Scherl GmbH heißt – die Beteiligungen "derart gepoolt, daß uns die Majorität bei Abstimmungen unbedingt zur Verfügung steht. Es erhellt sich hieraus, daß die wirtschaftliche Führung dieses Unternehmens vollständig in den Händen unseres Konzerns liegt." Dies zeigte sich dann auch bei der Neubesetzung der Ufa-Leitung: Hugenberg selbst wurde Vorsitzender des Aufsichtsrates, der Bankier Emil Georg Stauß sein Stellvertreter. Ludwig Klitzsch, inzwischen Generaldirektor beim Scherl-Verlag, übernahm dieselbe Position zusätzlich bei der Ufa.

Quelle: Murnau-Stiftung, DIF
Joe May und Gustav Fröhlich (sitzend v.l.n.r.) bei den Dreharbeiten zu "Heimkehr" (1928)

Als Klitzsch im Zuge der Reorganisation der Ufa auch Erich Pommer zurückholte, der zwischenzeitlich als Produktionsleiter bei der Paramount in Hollywood gewirkt hatte, zeigten sich neue Reibungsflächen. Bereits nach Pommers erstem neuen Ufa-Film, Joe Mays "Heimkehr" nach einer Erzählung von Leonhard Frank, warfen ihm die neuen Herren im Ufa-Vorstand 1928 "bolschewistische Tendenzen" vor – ein Zeichen sowohl des Misstrauens gegenüber Pommer als auch des weiteren Rechtsrucks der Ufa durch den neuen Boss Hugenberg.