Play

Deutschland 2018/2019 TV-Spielfilm

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Heinz17herne
Heinz17herne
„Was hat es dir gegeben, das Spiel, wonach hast du gesucht, was hast du gehofft zu finden, Jennifer?“ – „Ich wollte einfach abtauchen, für was Schönes. Und dann verschwinden. Anscheinend ist mir das gelungen.“ Zu diesem Dialog aus dem Off sieht man ein Mädchen, das durch einen Wald joggt. Und sieht mit ihren Augen geheimnisvolle Figuren und Bilder. Ein imaginierter Märchenwald. Wieder daheim beschaut sich das Mädchen im Spiegel, betastet ihren Körper, bevor er diesen unter die Dusche stellt. Gibt’s was auszusetzen?

Die 17-jährige Jennifer Reitwein (Emma Bading) ist gerade mit ihren Eltern Frank (Oliver Masucci) und Ariane Reitwein (Victoria Mayer) von Wuppertal nach München umgezogen und fremdelt noch mit ihren neuen Mitschülern auf dem Gymnasium. Sie geht zwar zum Shoppen mit ins Einkaufszentrum, interessiert sich aber mehr für ein dort großflächig beworbenes Virtual-Reality-Computerspiel: „Avalonia“. Gaming gehörte zwar schon immer zu ihrem Teenageralltag, doch nun kann sie sich in die Waldelfin Sidruin mit spitzen Mister Spock-Ohren, kleine Reminiszenz an ihre Kindheit, verwandeln und sich eine exotische virtuelle Welt aneignen, welche sie die schwierige reale daheim und in der Schule vergessen lässt.

Bereits in Level 1 wird sie von einem Ork angegriffen – und durch Pfeile eines unsichtbaren Schützen gerettet. Da kann Papa noch so lecker indisch gekocht haben: an eine solch „krass intensive Erfahrung“ kommt kein Curry-Gericht heran. Jennifer vertieft sich immer mehr ins Spiel, zumal sich der um ein Jahr ältere und wirklich gutaussehende Schüler Pierre (Jonas Hämmerle) bald als Waldelf Tyriel, der Sidruin vor dem Ungeheuer gerettet hat, herausstellt. Ihre Klassenlehrerin am Luisen-Gymnasium, Frau Eberlein (Genija Rykova), bittet zum Familiengespräch: Jennifer sei im Unterricht müde, unkonzentriert, mündlich nicht präsent und erledige keine Hausaufgaben.

Ermahnungen, zeitliche Internet-Beschränkungen und schließlich Verbote nutzen nichts: Jennifer ist nicht nur bereit, ihre Eltern zu hintergehen, sondern bringt auch noch Pierres „Avalonia“-Gerät heimlich an sich, als dieser sich intensiv fürs Abitur vorbereitet und als Mitspieler ausfällt. Selbst horrible nächtliche Alpträume kann sie von ihrer Spielsucht nicht befreien, die noch von Bonuspunkt-Aktionen übers Handy angeheizt wird. „Wenn du im Game bist, ist alles andere ausgeblendet“ sagt sie zu der ihr nun gegenüber sitzenden Therapeutin Dr. Nicole Gerber (Ulrike C. Tscharre).

Ging es im Level 51 noch gemeinsam mit Pierre gegen den Drachenreiter, so zieht sich Jennifer nun ganz aus dem realen Leben zurück, zumal sie auf einer Party Zeuge wurde, wie Pierre mit Alina (Alina Rothbauer) herumgeknutscht hat. In einer einsam gelegenen Waldhütte brechen bei der inzwischen volljährigen Gamerin alle Dämme: Sie kann virtuelle und reale Welt nicht mehr unterscheiden und sticht ihren Vater als vermeintliches Monster nieder, als der sie mit Pierres Hilfe nach Hause zurückholen will. Es bleibt wohl nur die Einweisung in eine psychiatrische Einrichtung…

„Play“, am 29. Juni 2019 beim Filmfest München uraufgeführt und am 11. September 2019 im „Ersten“ erstausgestrahlt, offenbart binnen neunzig unter die Haut gehender Minuten die Hilflosigkeit von Eltern, aber auch von Staat und Gesellschaft gegenüber der globalen kommerziellen Gaming-Industrie, die Spielsucht junger Leute bewusst in Kauf nimmt, um ihr Geschäft zu machen. Einarmige Banditen und Roulette-Tische haben ausgespielt in den phantastischen dreidimensionalen virtuellen Welten, die Regisseur Philip Koch seit seiner Kindheit aus eigener Erfahrung kennt. Im Gegensatz übrigens zu seiner damals 21-jährigen Protagonistin Emma Bading, die zur Vorbereitung ihrer Rolle erstmals einen Gamingstore betrat und sich eine VR-Brille aufsetzte – und völlig zu Recht als „Beste Darstellerin“ mit dem Hessischen Filmpreis 2019 belohnt wurde.

„Play“, in der TV-Kategorie mit dem Deutschen Hörfunkpreis 2020 ausgezeichnet, ist freilich mehr als eine ungewöhnlich spannende und von Alexander Fischerkoesen im Alltag nüchtern, in den virtuellen Welten opulent bebilderte Sozialkritik: der Münchner HFF-Absolvent Philip Koch baut mehrfach metaphorische Mystery-Elemente ein. So sieht sich die von Angstzuständen und Halluzinationen gepeinigte Jennifer, inzwischen im Level 99 angekommen, plötzlich ihrer Spielfigur Sidruin gegenüber. Die Produzenten Hamid Baroua und Christoph Szonn im ARD-Pressetext: „Als wir die allerersten vollanimierten Sekunden der detailreichen Fantasy-Gamewelt und des Kusses zwischen Emma Bading und dem 3D-Avatar sahen, bestätigte sich, warum wir das Wagnis ‚Play‘ eingegangen waren: Diesen Stoff und die sich darum drehende Diskussion künstlerisch eindringlich und mit allermodernster technischer Umsetzung für das Publikum im neuen Fernseh-Zeitalter erlebbar machen (…). Mit ‚Play‘ wollen wir daher auch unter Beweis stellen, dass eine moderne, erzählerische Verbindung zwischen Realfilm und Animation von allerhöchster Qualität im deutschen Fernsehen gelingen kann.

Pitt Herrmann

Credits

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Dreharbeiten

    • 23.05.2018 - 19.06.2018: München und Umgebung
Länge:
89 min
Format:
DCP
Bild/Ton:
Farbe, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DE): 29.06.2019, München, Filmfest

Titel

  • Originaltitel (DE) Play

Fassungen

Original

Länge:
89 min
Format:
DCP
Bild/Ton:
Farbe, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DE): 29.06.2019, München, Filmfest

Auszeichnungen

Hessischer Film- und Kinopreis 2019
  • Hessische Fernsehpreis, Beste Darstellerin