König der Raben

Deutschland 2019/2020 Spielfilm

Inhalt

Darko, ein junger Überlebenskünstler, lebt illegal in Deutschland. Er versucht sich und seine kranke Mutter im Großstadtdschungel über Wasser zu halten, bis er sich in einer amour fou mit der geheimnisvollen Alina zu verlieren droht. Was ihm zunächst sehr entgegen kam, wird schnell zum Problem: Er beginnt sie zu lieben. Alina scheint diesen Zustand zu genießen, lässt jedoch lange offen, ob sie seine Gefühle teilt. Der fragile Traum zerbricht, als die ungleiche Beziehung von der Vergangenheit eingeholt wird. Plötzlich stehen Darkos gesamte Existenz sowie die Hoffnung auf ein besseres Leben auf dem Spiel.

Quelle: 54. Internationale Hofer Filmtage 2020

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Heinz17herne
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Ein junger Mann päppelt Taubenküken mit der Pipette auf. Es ist der 22-jährige Mazedonier Darko, der sich in seinem Taubenschlag am wohlsten fühlt. Was auch an seiner prekären Wohn- und Lebenssituation insgesamt liegt: Zusammen mit seiner kranken und oft geistig verwirrten Mutter Ramonan lebt er zusammen mit anderen Illegalen aus Europa und Afrika in einem abbruchreifen Haus (gedreht wurde in der ehemaligen US-Kaserne Ray Barracks im hessischen Friedberg) – stets in Angst, von der Polizei entdeckt und an die Ausländerbehörde ausgeliefert zu werden. Der Taubenzüchter Darko träumt davon, König der Raben zu sein, die im Londoner Tower gehalten werden, damit den Royals kein Unglück geschieht.

Seine besten Freunde sind Yanoosh und Manolo, die Söhne der Nachbarin Chanel, die immerhin über eine Krankenkassen-Karte verfügt, mit der Darko bei einer hilfsbereiten Ärztin (Anja Schiffel) Medikamente bekommen kann. Welche bei aller Empathie freilich keinen Hehl daraus macht, dass die offenbar traumatisierte Ramonan in stationäre Behandlung gehört. Die drei Jungs sammeln Autoteile und anderen Schrott, um sich über Wasser zu halten, bisweilen ist auch ein Taschendiebstahl drin. Etwas Geld – und ordentliches Essen - gibt’s auch, wenn Darko bei Familienfesten aller Art seine weißen Tauben aufsteigen lässt. So auch bei einer opulent gefeierten Hochzeit eines Brautpaares (Laura Orf und Amesh Bharti), die unter dem Patronat des „Paten“ Schwarzenegro steht, der das große Wort führt, Schmiergeld kassiert und Arbeit verteilt.

Etwa für Darko und Yanoosh, die im Küchenzelt helfen, bis Blaulicht aus größerer Entfernung die Feier abrupt beendet. Im angrenzenden Wald hat Darko eine Frau mit Rucksack beobachtet, die sich merkwürdig verhält. Als Schwarzenegro in der Hektik des Aufbruchs keinen Lohn zahlen will, begehrt Darko auf – und landet unsanft im Teich. Was lebensgefährlich ist für den Nichtschwimmer, der unvermutet von besagter Rucksack-Frau in ein Ruderboot gezerrt und ans rettende Ufer gebracht wird. So lernt er die geheimnisvolle Fotografin und Künstlerin Alina kennen und lieben, welche vergleichsweise komfortabel in einer Stadtwohnung mit Studio unterm Dach lebt, wo sich die beiden immer häufiger treffen. Sie behauptet zwar, geschieden zu sein, ist aber immer wieder mit ihrem „Ex“ Martin (André Röhner) zusammen, von dem sie offenbar finanziell abhängig ist. Und der aus Eifersucht handgreiflich wird, als er seinen erheblich jüngeren Rivalen inflagranti mit Alina erwischt. Eifersüchtig ist freilich auch Yanoosh, der heimlich Handyfotos vom schlafenden Darko macht.

Als eines Morgens Afrikaner von der Polizei abgeholt werden, um sie abzuschieben, bereitet sich Darko auf die Flucht mit seiner Mutter durch einen im Bad vorsorglich geschaffenen Hinterausgang vor. Zum Äußersten kommt es zwar nicht, Darko sieht aber ein, dass er mit der Betreuung seiner Mutter, die selbst bei strömendem Regen schon ‘mal im Nachthemd in der Stadt herumirrt, überfordert ist. Er kann sich ein Leben an der Seite Alinas vorstellen. Doch offenbar genießt sie nur den Sex mit ihrem jungen Lover, bei dem sie auch zur Fotokamera greift, an einer festen Bindung ist sie nicht interessiert. Als er den kleinen Manolo, der offenbar auf eigene Faust Geschäfte mit seinen Tauben machen wollte, verletzt im verwüsteten Taubenschlag vorfindet, zieht Darko die Reißleine. Er bringt Ramonan in eine Betreuungseinrichtung und will mit Alina abhauen. Die ihm gebeichtet hat, dass sie nicht nur ihm das Leben gerettet hat, sondern auch umgekehrt: ihr auf den Rücken geschnallter Rucksack war voller Steine, mit dem sie sich seinerzeit im See ertränken wollte. Aber Martin hat die Polizei gerufen…

In seinem zweiten Kinospielfilm „König der Raben“ erzählt der gebürtige Warschauer Maler und Experimentalfilmer Piotr J. Lewandowski binnen gut einhundert Minuten von der Freundschaft zwischen drei Außenseitern. Sie leben am Rand einer Gesellschaft, die sie ausbeutet und im Zweifelsfall abschiebt. Die Balance innerhalb des Trios gerät durch die Amour fou zwischen Darko und Alina aus dem Gleichgewicht und gefährdet die gesamte „Familie“ der Illegalen. Wie schon in seinem Debütfilm „Jonathan“, der 2016 auf der Berlinale uraufgeführt wurde und über dreißig internationale und nationale Preise erhielt, erzählt Lewandowski, der seit 1999 in seiner Wahlheimat Deutschland lebt, eine auf einer wahren Begebenheit fußende Geschichte voller Empathie für die Verletzlichkeit und Zerbrechlichkeit der Protagonisten. Seine sinnlich-poetische Bildsprache chargiert zwischen Realismus und traumartiger Utopie, wie heute immer mehr üblich werden fremdsprachige Passagen deutsch untertitelt. Was diesem bemerkenswerten Spielfilm auch akustisch Authentizität verleiht.

Pitt Herrmann
Heinz17herne
Free-TV-Premiere
28. Juni 2023 Arte

Credits

Alle Credits

Dreharbeiten

    • 24.06.2019 - 27.07.2019: Frankfurt am Main, Friedberg, Offenbach, Mannheim, Heidelberg
Länge:
105 min
Format:
DCP
Bild/Ton:
Farbe, Dolby
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 09.11.2020, 202695, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 24.10.2020, Hof, Internationale Filmtage;
Kinostart (DE): 19.08.2021

Titel

  • Originaltitel (DE) König der Raben
  • Weiterer Titel (ENG) King of Ravens

Fassungen

Original

Länge:
105 min
Format:
DCP
Bild/Ton:
Farbe, Dolby
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 09.11.2020, 202695, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 24.10.2020, Hof, Internationale Filmtage;
Kinostart (DE): 19.08.2021

Auszeichnungen

FBW 2021
  • Prädikat: besonders wertvoll