Wink vom Nachbarn

DDR 1966 TV-Dokumentarfilm

Inhalt

Eine polemische Reportage. "Weg zum Nachbarn" lautet das Motto der Kurzfilmtage Oberhausen. In ihren "Bemerkungen zum Filmfestival Oberhausen 66" gehen die DDR-Dokumentaristen Gerhard Scheumann und Walter Heynowski mit der Wettbewerbsauswahl hart ins Gericht: Formexperimente erscheinen ihnen als "Leinwandexzesse", statt politischer Themen entdecken sie eine "Woge der Perversität". Nachdem ihr eigener Film "Kommando 52" vom Festival abgelehnt wurde, steht nun eine Strafanzeige des DDR-Anwalts Friedrich-Karl Kaul gegen den Söldner und Befehlshaber "Kongo-Müller" im Zentrum einer Pressekonferenz. Die Weigerung eines Kinobesitzers, den Film vorzuführen, sei einem "Wink vom Nachbarn", dem benachbarten Ordnungsamt, mithin staatlicher Zensur in der BRD zuzuschreiben.

Quelle: 66. Internationale Filmfestspiele Berlin (Katalog)

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
Weil die Westdeutsche Erstaufführung seines Kurz-Dokumentarfilms „Kommando 52“ über die Beteiligung ehemaliger Wehrmachts-Soldaten als südafrikanische Söldner bei der Niederschlagung der „Simba-Rebellion“ Mitte der 1960er Jahre in der Demokratischen Republik Kongo nicht bei den Oberhausener Kurzfilmtagen 1966 gezeigt werden durfte, schrieb Walter Heynowski, nun zusammen mit seinem Partner Gerhard Scheumann, das Konzept einer Polemik, deren Titel sich zum einen an das Motto der Kurzfilmtage, „Weg zum Nachbarn“, orientierte.

Und zum anderen der Tatsache Rechnung trug, dass sich ein Kinobesitzer geweigert hatte, den Film außerhalb des Festivals in Oberhausen zu zeigen. Was, so die Vermutung, auf einen „Wink vom Nachbarn“, dem städt. Ordnungsamt, zurückzuführen war. Dabei lag Heynowski ebenso falsch wie der Autor des Kataloges zur 66. Berlinale 2016: Nicht das Festival selbst, das „Kommando 52“ schließlich nominiert hatte, sondern der Bonner „Interministerielle Ausschuss für Ost/West-Filmfragen“ hatte sein Veto eingelegt. Der als Kind des „Kalten Krieges“ zwischen 1954 und 1966 mehr als 3.000 Filme aus der DDR und anderen sozialistischen Ländern sichtete und in mehr als 150 Fällen eine öffentliche Vorführung untersagte oder nur unter Schnittauflagen genehmigte.

Die 44-minütige „Dokumentation“ beginnt mit Impressionen der Arbeiterstadt Oberhausen am westlichen Rand des Ruhrgebietes, aus dem der 1930 als Bergmann-Sohn in Gelsenkirchen geborene Defa-Regisseur Harry Hornig stammt, der mit zahlreichen Arbeiten offenbar auch sich selbst beweisen wollte, als junges KPD-Mitglied 1949 auf die Seite des besseren, weil sozialistischen Deutschland gewechselt zu sein. Noch ist die Gutehoffnungshütte als Montan- und Maschinenbaukonzern ein bedeutender Arbeitgeber der Stadt, dessen Areal heute das CentrO bedeckt, eines der größten Einkaufs- und Freizeitzentren Europas.

Gerhard Scheumann gibt den Reporter, der, garniert mit kurzen Filmausschnitten, das Programm der 12. Westdeutschen Kurzfilmtage 1966 vorstellt und im „Stürmer“-Stil kommentiert: chaotisch und dekadent sei das, was er gesehen hat. Von „Leinwandexzessen“ ist die Rede, von einer „Woge der Perversität“. Bei den aus seiner Sicht unpolitischen Wettbewerbsfilmen sieht er, das Lenin-Wort von der Filmkunst als die Wichtigste der Künste zitierend, die „Selbstentleibung“ des Genres. Und hält mit Defa-Filmen aus der Arbeits- und Lebenswelt der DDR nach dem staatlichen Gebot des sozialistischen Realismus dagegen, die der seinerzeitige Festivaldirektor Hilmar Hoffmann abgelehnt hatte: Der schon legendäre spätere Frankfurter Kulturdezernent wurde 1951 in Oberhausen jüngster Volkshochschul-Direktor der Republik und als solcher 1954 Gründer der Westdeutschen Kurzfilmtage.

Als inhaltlicher Bezugspunkt zur Kurzdoku „Kommando 52“ ist eine Pressekonferenz des DDR-Staranwalts Friedrich-Karl Kaul eingefügt, der Strafanzeige gegen den vor allem als „Kongo-Müller“ bekannten 46-jährigen Söldner-Major Siegfried Müller aus Frankfurt/Main gestellt hat. Dieser hatte sich im Kampfanzug mit in Russland verdientem Eisernem Kreuz I der Deutschen Wehrmacht an der Brust und in Springerstiefeln als gnadenloser „Kämpfer gegen den Bolschewismus“ inszeniert – und sich als kettenrauchender Alkoholiker hinter der Fassade des uneigennützigen Kämpfers für die abendländische Kultur selbst entlarvt.

Am Ende kann Regisseur Harry Hornig zu seinen Wurzeln zurückkehren: 30.000 Kumpel und Angehörige demonstrieren gegen die Schließung der Steinkohlenzeche Graf Bismarck in Gelsenkirchen. Die 1965 mit einer Förderung von 2,6 Millionen Tonnen Kohle bei einer Kokserzeugung von 740.000 Tonnen jährlich als eine der produktivsten Förderanlagen des Reviers galt. Und dennoch am 30. September 1966 stillgelegt wurde, für Hornig & Co der schlagende Beweis des fortschreitenden Niedergangs des Kapitalismus.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Länge:
1300 m, 44 min
Format:
35mm, 1:1,33
Bild/Ton:
s/w, Ton
Aufführung:

Erstaufführung (DD): 29.03.1966, DFF;
Aufführung (DE): 25.04.1996, Oberhausen, IFF - Sonderprogramm

Titel

  • Originaltitel (DD) Wink vom Nachbarn
  • Arbeitstitel (DD) Filmfestival Oberhausen 1966
  • Weiterer Titel Wink vom Nachbarn. Bemerkungen zum Filmfestival Oberhausen 66

Fassungen

Original

Länge:
1300 m, 44 min
Format:
35mm, 1:1,33
Bild/Ton:
s/w, Ton
Aufführung:

Erstaufführung (DD): 29.03.1966, DFF;
Aufführung (DE): 25.04.1996, Oberhausen, IFF - Sonderprogramm

Länge:
48 min
Format:
35mm, 1:1,33
Bild/Ton:
s/w, Ton