Verbotene Liebe

DDR 1989/1990 Spielfilm

Das muß doch einen Grund haben


Henryk Goldberg, Filmspiegel, Berlin/DDR, Nr. 11, 1990


Da sind Sätze, Sequenzen, da kaum noch einer ahnen wird im Parkett, was sie bedeutet, bewirkt hätten vor einem reichlichen halben Jahr, früher. Sollte er froh stimmen, dieser Verlust an Erinnerung – er signalisiert schließlich Normalität – sollte er betroffen machen: Er steht wohl auch für Verdrängung.

Die Schüler beim Mittagessen, ein großer Raum. Da singen, skandieren sie: "Freiheit für Georg/der Georg muß her…" Das wäre, ich wette, ein Aufstand gewesen, ein Angriff auf die sozialistische Bildungspolitik. Eine Lehrerin steht auf, attackiert die Schüler wegen ihres ängstlich-konformen Verhaltens auf der FDJ-Versammlung, die Köpfe seien wohl nur zum Haareschneiden. Da steht einer auf und sagt: "Das muß doch einen Grund haben mit unseren Köpfen." Das nun hätte diesen Film gewissermaßen den Kopf kosten können, denn das ging ans Eingemachte. Ging.

Der Film von Helmut Dziuba indessen geht noch immer, auch wenn manch provokant motzender Satz unauffällig den Bach hinuntergeht.

Ein schöner, leiser Film, der vor dem Oktober ein sehr mutiger war, seine künstlerische Substanz vermag noch immer zu bestehen, dieser moralische Imperativ hat Bestand und Notwendigkeit in jedweder Gesellschaft.

Georg und Barbara lieben einander vor der Zeit, sie ist zwölf, als es beginnt. Das Gesetz, das dies zum Verbrechen macht, hat wohl schon seinen Sinn, der Punkt indessen ist der menschliche Umgang mit den Buchstaben. Dziuba, der sich den – guten –Text nach Helmut H. Schulz selber schrieb, erzählt leise, zurückhaltend, nicht mit diesem grell-dynamischen McDonald-Touch. Deutlich um Form bemüht, um Bilder und Figuren, die ihn als einen der besseren DEFA-Regisseure ausweisen, kein Text-Illustrator. Mitunter allerdings scheinen – für mein Empfinden – die Bilder zu sehr ihre Metaphorik zu betonen, um so richtig, so ganz gut zu sein. Vorzüglich die Besetzung, die Schauspieler, hier werden – naturgemäß von den "Erwachsenen" – in wenigen Sequenzen Biografien erzählt, Resultate verschenkten Lebens.

Ein Glücksfall ist Julia Brendler, die Hauptdarstellerin. Dziuba bewahrt sie und uns vor jedem Hauch von "Baby-Sex", dafür wirkt das Mädchen übrigens auch schon zu reif. Wenn sie während der Anklageerhebung leise lächelt, ganz wenig nur, wenn sie, wissend, ahnend, verlangend, zu dem Jungen und seiner Hand sagt: "Mach mehr jetzt", wenn sie, gegen die grinsende Klasse, ein Gedicht von Frühling und Glück sagt: dann hat der Film da, bei diesem jungen Mädchen, seine moralische wie künstlerische Mitte, zunehmend führt sie die Szene, nicht nur, weil sie ver-führen will.

Gudrun Ritter als Lehrerin, das ist die gewöhnliche Bitterkeit, eine Ahnung von Schuld, wie sie uns allen gut täte. Peter Sodann, diese aufgeräumte Bösartigkeit, die sich selbst genügt, die kein Bewußtsein ihrer selbst besitzt. Ich stell mir diesen Typ vor, jetzt, wie er triumphierend in Nachbars Garten grinst, es ist kein gutes Gefühl. Und Heide Kipp, die Mutter: zu gut, um richtig schlecht zu sein, zu schwach, um richtig gut zu sein. Vorzüglich.

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