Ernst Thälmann - Führer seiner Klasse

DDR 1954/1955 Spielfilm

Die weltweite Wirkung

Thälmann-Filme im Spiegel der internationalen Diskussion


Berliner Zeitung, Berlin/DDR, Nr. 270, 19.11.1955


Aus Brasilien, Frankreich und England, aus Bulgarien, der Tschechoslowakei und Rumänien waren die Filmexperten gekommen, die sich dieser Tage auf Einladung des Clubs der Filmschaffenden im Plenarsaal der Akademie der Wissenschaften in Berlin zusammengefunden hatten, um gemeinsam mit west- und ostdeutschen Kollegen und den am Werk beteiligten Künstlern über beide Teile des Thälmann-Films zu diskutieren.

Es waren Presseleute darunter wie die westdeutschen Kritiker Scheffler (Hamburg), Schneider (München) und das Mitglied des Redaktionskollegiums der Prager Zeitung "Rüde Pravo", Plachetka. Die Produzenten waren vertreten in Direktor Forman von der Londoner Plato-Filmgesellschaft. Man sah Autoren vom Range Vladimir Pozners, namhafte Regisseure wie den Sekretär der französischen Filmgewerkschaft und Warschauer Preisträger Vautier. (Auch der eingeladene, aber an der Teilnahme verhinderte Claude Autant-Lara sandte der Tagung herzliche Grüße).

Eine sehr freimütige und im allgemeinen wohltuend unfeierliche Diskussion entspann sich zwischen ihnen. Spürbar standen die ausländischen und die westdeutschen Teilnehmer unter dem frischen, unmittelbaren Eindruck des bedeutenden Filmwerkes, dessen beide Teile ihnen in den Tagen zuvor gezeigt worden waren. Sie sprachen über die Wirkungen, analysierten die allgemeinen künstlerischen und die spezifisch filmischen Mittel und Methoden, welche sie hervorriefen – es ergab sich eine sehr ernsthafte, in die Tiefe gehende fachliche Untersuchung und zugleich eine in schöner Gemeinsamkeit des Ziels verlaufende Aussprache mit den Schöpfern des Films, deren Kollektiv durch Michael Tschesno-Hell als einen der Autoren und den Regisseur Dr. Kurt Maetzig vertreten war.

Neben vielfältig differenzierter Zustimmung wurden auch kritische Einwände laut. So zeigte sich, daß aus westdeutscher Sicht, unter dem Blickwinkel der gegenwärtig dort herrschenden politischen und sozialen Verhältnisse der Schluß des zweiten Teils nicht die brennende Aktualität und die geschlossene Wucht der Aussage besitzt, wie der erste und die ersten Drittel des zweiten Teils – eine Einschränkung, die im Echo unseres Publikums kaum andeutungsweise einmal merkbar wurde. Eine gewisse Blässe und Unerfülltheit der Befreiungs-Szenen der KZ-Häftlinge oder die schwächere dramaturgische Anlage der Fallschirmspringer-Episode wurde auch anderweit erwähnt (und blieb im übrigen keineswegs unwidersprochen).

Aber viel öfter und mit weitgehend übereinstimmenden Argumenten wurde der künstlerische Fortschritt betont, den der zweite Teil noch über das an sich schon so hohe Niveau des ersten erreicht. M. Vautier, der Pariser Regisseur, begründete ihn sehr überzeugend aus der Konzeption des Drehbuchs, das im zweiten Teil gleichwertiger und eindeutiger als im ersten das Widerspiel der positiven und der negativen Kräfte gegeneinandersetze. So sei – wie der ganze Film überhaupt – insbesondere der zweite Teil ein Beitrag auch zur Freundschaft des deutschen und des französischen Volkes. (…)

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