"1914". Die letzten Tage vor dem Weltbrand

Deutschland 1930 Spielfilm

Die letzten Tage vor dem Weltbrand

Freigabe so gut wie sicher


Film-Kurier, Nr. 303, 24.12.1930


Nach sechsstündiger Sitzung hat gestern gegen ½ 3 Uhr die Filmprüfstelle ihren Entscheid über Oswalds Film "1914" gefällt:

Der Film ist auf Einspruch der Sachverständigen vom Auswärtigen Amt hin wegen Gefährdung des deutschen Ansehens im Auslande und Gefährdung der Beziehungen zu auswärtigen Staaten verboten worden.

Nach Vorführung des Films kam es zu einer Verlesung einer Erklärung des Auswärtigen Amtes durch den Gesandten Meyer, in der gesagt wurde; daß das Auswärtige Amt die Wiedergabe der geschichtlichen Vorgänge in ihrer Vollständigkeit vermisse, der Film sei geeignet ein falsches Bild zu geben und beeinträchtige damit Deutschlands Auslandsinteressen.

Dr. von Wegerer führte ähnliche Gründe an, er betonte, der Film gebe durch Lückenhaftigkeit keine Vorstellung von den Vorgängen.

Die Anteilnahme der einzelnen Länder an der Kriegsursache sei nicht klar herausgestellt. Frankreich und England spielten zu sehr Nebenrollen, einige Länder kämen zudem in der Charakterisierung anders weg als zu erwarten sei.

Demgegenüber betonten die Vertreter der Firma, Dr. Wenzel Goldbaum und Friedmann, daß ein Film, der ohne Lücken den Gesamtvorgang vor Augen führen solle, die Vorgeschichte von 1908 an aufgreifen müsse, was filmisch und zeitlich undenkbar sei.

Amtsgerichtsdirektor Dr. Herz, Schriftführer des Reichstagsausschusses zur Erforschung der Kriegsursachen, der von der Firma als Sachverständiger herangezogen worden war, erklärte, er sähe keinerlei Bedenken gegen den Film.

Student Wolf, der zur Begutachtung der Eignung für Jugendliche befragt .wurde, fragte, ob der Mord an Jaurès nicht aufhetzerisch wirken könne. Der Film beginne und ende ja mit einem Morde.

Nach einer langen Beratung verkündete Regierungsrat Zimmermann das oben erwähnte Urteil.

Gegen den Entscheid der Prüfstelle ist von zwei Beisitzern Beschwerde eingelegt worden.

Auch die Firma legt Beschwerde ein, so daß der Film nach den Feiertagen vor die Ober-Prüfstelle kommen wird.
Die Filmprüfstelle hat, wie an dieser Stelle bereits am Donnerstag berichtet wurde, von dem Entschluß von Ministerialrat Dr. Seeger Gebrauch gemacht, keine Presse mehr zuzulassen.

Infolgedessen ist es für diejenigen, die den Film nicht sehen konnten, schwer, sich mit den Entscheidungen der Filmprüfstelle auseinander zu setzen. Denn man hat keine Handhabe dafür, wie weit die Entscheidungsgründe zutreffend sind.

Rechtsstatus