Glück im Hinterhaus

DDR 1978-1980 Spielfilm

Gewinn und Verlust einer Adaption


Klaus Wischnewski, Film und Fernsehen, Berlin/DDR, Nr. 6, 1980


"Glück im Hinterhaus" ist eine der besten Adaptionen eines Prosastoffes in der DEFA-Geschichte: Unprätentiös, behutsam gegenüber der Vorlage, sicher in der Nutzung der szenischen Vorgaben des Romans und der filmischen Möglichkeiten, innere Vorgänge, Reflexionen, die spezifische Ironie des Autorentextes sichtbar, darstellbar zu machen. Plenzdorf und Zschoche waren sich aber auch der Grenzen dieser Möglichkeiten bewußt. Sie entsagten dem Versuch, durch einen aufgeblähten Erzählertext möglichst viel Vorgeschichte, Hintergrund, Umfeld einzubringen. Die Sensibilität dieses Grenz-Bewußtseins schlägt, im Gegenteil, um in Askese. Wo Texte Günter de Bruyns helfen könnten, etwa die unausweichliche Krise der Liebe, die gegenläufigen Motive Erps und "Fräulein Broders" im Zusammenhang mit deren Verzicht auf Berlin zu erhellen und assoziierbar zu machen, fehlen sie; die wenigen kurzen Kommentare aber, die eingefügt sind, erscheinen, genau geprüft, entbehrlich. Haltungen und Situationen sind szenisch so präzis erzählt, daß die widersprüchlichen Gedanken und Gefühle im Hause Erp, daß Neugier und Meinungen in der Bibliothek, Hoffnung und Angst in der Broderschen Hinterhauswohnung "da" sind, unausgesprochen mitschwingen. Das ist natürlich vor allem der schauspielerischen Qualität zu danken. Der Film ist durchweg gut besetzt. (…) Ute Lubosch spielt das literarisch reizvolle, verschieden deut- und vorstellbare und daher als schauspielerisch-konkrete Rolle schwierige "Fräulein Broder" eindrucksvoll, immer glaubhaft, in wesentlichen Momenten zwingend. Da sind geistige Konzentration, aufmerksame Beobachtung des Partners, Selbstbeherrschung, verhaltene Angst und mühsam unterdrückter Schmerz. Weniger deutlich wird, ob Beherrschung, Verhaltenheit einem nach Befreiung drängenden leidenschaftlichen Gefühl gelten, ob sie Selbstschutz oder Kompensation, Attitüde sind. Eine Frage, die schon angesichts der Louise Jaegle in "Addio, piccola mia" auftauchte. Hier ergeben sich aber auch Fragen an die Regie: Die sexuelle Explosion – eine Szene ohne Peinlichkeit! – erzählt weniger als der Text. Freiheit und Unbefangenheit der Liebenden sind am kräftigsten in der Abfrageszene über Neigungen und Abneigungen; die Winterfahrt nach Nennhausen gerät leider mehr zur Bildungsreise als zum Ausbruch in Natur, enthemmte Naivität und Lust. Das alles bringt Nachteile für die Erzählung der Liebe und ihrer Rechtfertigung, Verlust aber vor allem für die Broder-Figur. Der Absturz ins Grau des Alltags im Hinterhof, in Reizbarkeit, Empfindlichkeit gegen erste Lügen ("Warst du beim Anwalt?") wirkt so weniger beängstigend, die Flucht nach vorn, in den Entschluß, den Geliebten zur positiven Entscheidung – zum Verzicht auf Berlin – zu zwingen, wird eher informativ erzählt, weniger als verzweifeltes Aufbieten aller Verstandes- und Gefühlskräfte enthüllt. Die disziplinierte Knappheit der Erzählweise – sonst ein Vorzug des Films – bleibt hier der Rolle etwas schuldig; vielleicht nur ein paar Filmmeter, aber für die Entwicklung der Gestalt, für die Entfaltung der Schauspielerin wären sie wichtig gewesen.


Das Ehepaar Erp: Das Psychogramm einer latenten Ehekrise, ausgelöst durch die jüngere Frau, bis an den Rand der konsequenten Trennung geführt, schließlich gekittet – opportunistisch, hoffnungsvoll oder bedrückend? – durch die Rückkehr des Mannes und das zögernde Einverständnis der Frau, erhält im Film stärkeres Gewicht als im Roman. Das hat zwei Gründe: Die knappen, aber vielschichtigen Szenen dieses Fabelstranges sind trächtiger für die filmische Erzählweise; es sind zwar auch hier durch den notwendigen Verzicht auf Reflexion Verluste an Hintergrund, Umfeld und Untertext zu verzeichnen, aber geringere als in der Entwicklung der Erp-Broder-Linie. Und: Für die schauspieleri­sche Umsetzung dieses kräftigen Materials gewann Zschoche eine wohl ideale Besetzung Jutta Wachowiak und Dieter Mann. Beide bringen die Lebens- und Berufserfahrung in ihre Rollen ein, die nötig sind, um sie zu "durchleben" und identifizierend zu gestalten, was nichts anderes heißt, als ihr Besonderes und Allgemeines erkennbar, "wiedererkennbar" zu machen.

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