Glück im Hinterhaus

DDR 1978-1980 Spielfilm

Um im Gespräch zu bleiben…


Günter Agde, Filmspiegel, Berlin/DDR, Nr. 7, 1980

Der Film "Glück im Hinterhaus" (nach Günter de Bruyns vielgelesenem Roman "Buridans Esel") folgt dicht nach "Solo Sunny" und "Seitensprung". Man mag diese Massierung von Filmen, die voneinander verschiedene Geschichten erzählen und doch einander verwandte Ziele verfolgen, bemängeln. Mir scheint sie nicht zufällig, eher symptomatisch. Nachdem die DEFA in den letzten Jahren erfolgreich, also mit wachsender, intensiver werdender Zuschauerresonanz – die Gegenwart unseres Landes erobert besser: wiedererobert – hat und mit den Zuschauern ins Gespräch gekommen ist, will sie nun dies Gespräch fortsetzen. Und das heißt: vertiefen, in die Breite gehen, beharrlich, weiterführen (und auch weiter führen). Diskussion bedeutet ja auch, ein Problem (oder Zusammenhang) von verschiedenen Seiten aus betrachten und besprechen, mit neuen Nuancen und Vorschlägen. So sehe ich "Glück im Hinterhaus" als einen Beitrag dazu: der Film will die viele Menschen bewegende und von vielen Menschen bewegte Diskussion um das Miteinander hier und heute eben vertiefen, entfalten, in die Breite führen helfen. Logisch, konsequent und aufregend konzentriert die DEFA diese Debatte auf Probleme des Lebens in der Familie, als kleinster Zelle der Gesellschaft. (Schön dabei finde ich auch, daß es bei diesen Filmen richtiggehend schwer ist, für beliebige Repertoire-Vorstellungen Karten zu bekommen!) Insgesamt ist das mehr als nur Spielplanpolitik, meine ich, hier deutet sich so etwas wie eine Art mittelfristige Strategie an, die unserer nationalen Spielfilmproduktion einen praktikablen Einstieg in die 80er Jahre bahnen hilft.


Die lange Vorrede macht bewußt darauf aufmerksam, daß der zur Rede stehende Film einen (seinen) Stellenwert in einem dynamischen Ensemble hat. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Seinerzeit, als der Roman erschien, hätte seine (und auch diese) Verfilmung einen anderen, vielleicht gewichtigeren Faktor darstellen können. Daran ändert auch die reißerische, leicht überspitzte Alternative der Vorankündigung wenig: "Banaler Ehebruch oder legitimer Glücksanspruch, Torschlußpanik oder ein neuer Anfang?"! Denn von allen diesen Positionen hat die Hauptfigur – der 40jährige, arrivierte, auch gestandene Karl Erp, Bibliotheksleiter und Familienvater – etwas. Und auch das exotisch-anmutige Frl. Broder, und auch die erfahrene, lebenstüchtige, etwas geduckte Ehefrau Erps. Der Film hat in seinen Figuren mit anderen Filmen gemein, daß er nicht leicht oder schnell urteilt und also verurteilt, Er markiert Kritisches und Sympathisches, ohne Balance und Ausgleich zu suchen (wie schon bei "Seitensprung" angemerkt). Aber er sammelt im Fortgang der Geschichte immer mehr Punkte gegen Erp (und findet sie auch), so daß man am Ende diesen Erp; mit dessen Ausbruchsversuch man anfangs sympathisieren mochte, nur noch schäbig und klein finden kann (so sehr und so tapfer sein exzellenter Darsteller Dieter Mann auch dagegen ankämpfen mag). Frl. Broder (Ute Lubosch) hingegen bleibt durchgängig fremd-anziehend, bescheiden, anspruchsvoll, leicht umweht von etwas, dem sie am selben Ende eindrucksvoll die Note "traurig" gibt. Und man begreift sie, fühlt mit ihr. Erps Gattin (Jutta Wachowiak) dagegen – tapfer, tüchtig, manchmal, weise sogar, findet zu Neuem. Und wie die Wachowiak den letzten Satz dem Zuschauer direkt und doch um eine Nuance gebrochen mitgibt, holt sie jäh und wohltuend unsentimental jenen Diskussionscharakter wieder herein.


So findet man Gelungenes und weniger Gelungenes mehrfach beieinander, in der Umsetzung der Geschichte, in der Führung der Darsteller (darunter einprägsam Peter Bause als netter Kulturfunktionär und anhänglicher Freund Erps). Ausgesprochen Mißratenes sah ich nicht. Gut ist, daß Regisseur Herrmann Zschoche gerade mit diesem Film auch für sich selbst wieder zur Auseinandersetzung mit aktuellen Fragen findet. Verläßlich und gediegen unterstützt von Günther Jaeuthe an der Kamera und den anderen Beteiligten.

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