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Elizabeth Loftus gehört zu den international einflussreichsten Psycholog*innen. Seit den 1970er-Jahren erforscht sie die Funktionsweise menschlicher Erinnerung und zeigt auf, wie leicht sich Erinnerungen verzerren oder beeinflussen lassen. Ihre Gutachten und Expertisen spielen in zahlreichen prominenten Prozessen eine Rolle, unter anderem in Verfahren gegen Michael Jackson oder Harvey Weinstein, ebenso wie in Fällen von Mord und sexuellem Missbrauch. Der Dokumentarfilm zeichnet Loftus' wissenschaftlichen Werdegang nach, verbindet ihn mit Material aus bekannten Gerichtsverfahren und stellt die Frage nach der Beweiskraft von Erinnerungen im Rechtssystem. Der Film beleuchtet das Spannungsfeld zwischen individueller Wahrnehmung, juristischer Wahrheit und gesellschaftlicher Gerechtigkeit.
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Was wesentlich mit ihrer wissenschaftlich exakten Beschreibung des „Missinformation Effect“ zusammenhängt. Im Deutschen Fehl- oder Falschinformationseffekt genannt bezeichnet die Sozial- und Rechtspsychologie mit ihm Verzerrungen bei Erinnerungen an bestimmte Ereignisse, die durch Informationen im Nachhinein entstehen. Danach sind menschliche Erinnerungen individuelle Konstruktionen, die durch Einflüsse von außen verändert werden können. Etwa Zeugenaussagen in Gerichtsverfahren durch Vorverurteilungen Angeklagter in den Medien.
Ihre Arbeit führt Elizabeth Loftus, die zunächst in Stanford mathematische Psychologie studierte und dabei erste Studien zur semantischen Erinnerung durchführte, in die brisantesten Gerichtsverfahren unserer Zeit, darunter Guantanamo-Prozesse, die Fälle Michael Jackson und Harvey Weinstein sowie viele weitere, in denen es um Mord, sexuellen Missbrauch und systematische Gewalt geht. In diesen medial inszenierten Prozessen hinterfragt Elizabeth Loftus, zumeist im Auftrag der Verteidigung, den Wahrheitsgehalt von Zeugenaussagen und regt damit eine grundsätzliche Debatte um die Beweiskraft von Erinnerungen an.
Naturgemäß hat Elizabeth Loftus, die in Wahrnehmungs-Experimenten mit gestellten Unfällen die Widersprüchlichkeit von Augenzeugen, bisweilen nur durch die Wortwahl beeinflusst, nachweisen konnte, mit ihren Stellungnahmen zur Glaubwürdigkeit der Zeugen speziell in den beiden bereits genannten Prozessen, aber etwa auch in den Verfahren gegen Ghislane Maxwell, Ted Bundy, Kevin Spacey und O. J. Simpson Shitstorms in den Sozialen Medien hervorgerufen. Gerade als Frau und Wissenschaftlerin ist sie zur Zielscheibe der MeToo-Aktivistinnen geworden, die der „Söldnerin“ Verrat am eigenen Geschlecht aus rein kommerziellen Gründen vorwerfen. Höhepunkt der Kampagne war der New Yorker Prozess gegen Harvey Weinstein mit der Folge, dass die Psychologin für ein Nachfolgeverfahren in Kalifornien nicht mehr zur Verfügung stand.
Basierend auf ihrer Forschung und Material aus aufsehenerregenden Fällen werfen Caroline Ektander und Hendrik Löbbert in ihrer Dokumentation „Memory Wars“, die auf nachgestellte Szenen verzichtet, die Geschichten dafür mit Bilder etwa einer nächtlichen Highway-Fahrt begleitet, einen eindringlichen Blick auf das Spannungsfeld zwischen Wahrheit und Gerechtigkeit – und rücken dabei die Macht der Erinnerung ins Zentrum. Ein Film, der grundlegende Frage stellt, wie „Können wir unserem Gedächtnis trauen?“ oder „Was, wenn das System Dir nicht glaubt?“ – freilich ausschließlich aus der Perspektive Elizabeth Loftus‘.
Der Titel der Dokumentation bezieht sich auf die als „Erinnerungskrieg“ bezeichnete heftig geführte Debatte Mitte der 1990er Jahre zwischen zwei Wissenschafts-Schulen: Eine Gruppe hielt wiedergewonnene Erinnerungen insbesondere an sexuellem Missbrauch generell für wahr und glaubhaft. Eine andere, zu der Elizabeth Loftus gehörte, war der Ansicht, das Missbrauch auch im Kindesalter nicht verdrängt werden könne. Mit der Folge, dass erst während einer laufenden Therapie aufkommende Erinnerungen extern verifiziert werden müssten.
In Zeiten wachsender Fake News, KI-unterstützter Polit-Influencer und der Suggestionsmacht angeblich sozialer Medien sollte der Film auch ein deutsches Publikum interessieren, auch wenn das US-Geschworenensystem mit unserem Justizwesen nicht vergleichbar und die Psychologin selbst durchaus angreifbar ist als hochstilisierter Fels der Wissenschaft in der Brandung der Meinungsmacher.
Pitt Herrmann