Weitere Namen
Peter Dörfler (Weiterer Name) Ludwig Trautmann-Trautendorf (Weiterer Name) Ludwig Trautmann-Trautendorff (Schreibvariante)
Darsteller, Regie, Drehbuch, Produzent
Dachsbach Berlin-Schöneberg

Erinnerung an den Stummfilmschauspieler Ludwig Trautmann (1885-1957)

Im Januar 2017 jährte sich zum 60. Mal der Todestag des Stummfilmschauspielers Ludwig Trautmann. Er starb nach einem bewegten Leben im Alter von 71 Jahren im Auguste-Viktoria-Krankenhaus in Berlin. Von Trautmanns tatsächlicher Herkunft, seinen schlimmen Erlebnissen und Demütigungen während der Nazi-Zeit sowie späteren Enttäuschungen wussten nur wenige. Die Filmfreunde hatten ihn und seine Verdienste lange vergessen.

Ludwig Trautmann stammte aus einer kinderreichen Familie. Er wurde am 22. November 1885 im mittelfränkischen Dachsbach (Bayern) geboren. Seine frühe Kindheit verbrachte er in Nürnberg. Von 1892 bis zu seinem 14. Lebensjahr besuchte er im rheinland-pfälzischen Carlsberg die Schule. Carlsberg war die Heimat seines Vaters. Der hatte dort einst als fliegender Händler sein Geld verdient. Später arbeitete er in einem Steinbruch, bis ihn ein Unglück völlig aus der Bahn warf. Er wurde verschüttet. Psychische Spätfolgen machten eine Einweisung in eine Nervenheilanstalt notwendig, wo er nach fast 30-jährigem Aufenthalt starb. Die Familie war seitdem mit einem Makel behaftet.

Ludwig Trautmann hatte sich schon in frühester Jugend der Schauspielerei verschrieben. 1912 wechselte er als einer der Ersten von der Theaterbühne zum neuen Medium Film und unterschrieb als erster deutscher Schauspieler bei der "Deutschen Bioscop-GmbH" in Berlin einen Filmvertrag. Sein Debüt gab er in dem abendfüllenden Film "Madeleine", etwa zwei Monate nachdem in (Neu-)Babelsberg die erste Klappe gefallen war. Das waren filmhistorisch denkwürdige Ereignisse.

Der frühe Stummfilm machte Ludwig Trautmann bekannt und ließ ihn zum Publikumsliebling werden. Mehrere Jahre spielte er Hauptrollen in Harry Piels Sensations- und Detektivfilmen, und das ohne jegliche Scheu vor gefährlichen Aktionen. Die damaligen weiblichen Stars wie Asta Nielsen, Henny Porten und Fern Andra wurden seine Filmpartnerinnen. Das Publikum liebte den gut aussehenden, sportlichen jungen Mann besonders in der Rolle des Helden und Liebhabers. Wie viele seiner Kolleginnen und Kollegen gründete auch er eine Produktionsfirma, die Trautmann-Film Berlin. In Potsdam, in der Nähe der Glienicker Brücke, kaufte er sich eine prachtvolle Villa. Hier führte er ein aufwändiges Leben - für manch einen zu großspurig. Schon bald siedelte er von Potsdam ins bayerische Tittmoning über.

So schnell, wie er durch den Film Karriere gemacht hatte, so schnell ging sie auch zu Ende. Die Ursache dafür war wohl sein Privatleben.

1926 musste er sich in München wegen des § 175 (Homosexualität) vor Gericht verantworten und wurde zu einer Geldstrafe verurteilt. Danach begann für ihn ein ständiger Kampf ums Überleben. 1928 starb in Tittmoning seine Mutter. Sie hatte er immer sehr verehrt, sogar vor Jahren bei sich aufgenommen und bis an ihr Lebensende für sie gesorgt. Zurück in Berlin, verband er mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten die Hoffnung, wieder filmen zu können. Aber im Gegensatz zu einigen Filmkolleginnen und -kollegen war er für sie kein "nützliches Idol". Im Gegenteil. Nach einem Auftritt stand er unter Beobachtung, wurde denunziert, von der Gestapo verhaftet und angeklagt. 1935 kam er in das Konzentrationslager Columbia-Haus in Berlin-Tempelhof, anschließend in das berüchtigte KZ Lichtenburg in Sachsen-Anhalt. Erneut war ihm der § 175 zum Verhängnis geworden. Die geschiedene Schauspielerin Sybille Sabine Gräfin von Lerchenfeld, mit der er zu der Zeit befreundet war, erwies sich als seine Lebensretterin. Sie nutzte ihre scheinbar guten Kontakte zu den Verantwortlichen und erwirkte seine Freilassung. Aber dadurch hatte sie sich selbst in Gefahr gebracht. Ludwig Trautmann entzog sich der weiteren Strafverfolgung. Er setzte sich mit seiner "Verlobten" in die Schweiz ab. Von der Schweiz nach Frankreich abgeschoben, lebten sie in ärmlichen Verhältnissen in Paris.

"Wegen Unzuverlässigkeit" erfolgte in Deutschland sein Ausschluss aus der Reichsfilm- und Reichstheaterkammer sowie aus der NSDAP. Das bedeutete Berufsverbot. Er kehrte nicht vor Ausbruch des 2. Weltkriegs nach Deutschland zurück, sondern wurde nach Beginn des Krieges in Frankreich vorübergehend interniert, nach Einmarsch der deutschen Truppen in Paris verhaftet, zurück nach Deutschland gebracht und Ende Oktober 1940 ins Untersuchungsgefängnis Berlin-Moabit eingeliefert. Im Februar 1941 verurteilte ihn das Amtsgericht Berlin Alt-Moabit wegen widernatürlicher Unzucht, unter Anrechnung der viermonatigen Untersuchungshaft, zu sechs Monaten Gefängnis. In seiner Gefängnisakte wurde vermerkt, "dass es sich bei dem Angeklagten nicht um einen ausgesprochenen Homosexuellen" handele, dass er aber ein "weichlich veranlagter Mensch" sei. Nach der Strafverbüßung kam er nicht gleich auf freien Fuß, sondern in polizeiliche Vorbeugehaft. Die wurde nach einigen Tagen aufgehoben. Es folgten weitere Verhöre durch die Gestapo und die Dienstverpflichtung zu den optischen Werken der Firma Goerz in Berlin-Friedenau.

Ludwig Trautmann überstand alle diese Demütigungen und körperlichen Strapazen nur mit Hilfe seiner Geschwister und Freunde. Aber er war für immer gezeichnet. Nach dem Ende des 2. Weltkriegs wohnte er in sehr bescheidenen Verhältnissen in Berlin-Friedenau, erneut mit der Hoffnung, an seine einstige Karriere anknüpfen zu können. Ein Comeback sollte es für ihn nicht geben. Nach vorübergehender Anerkennung als Opfer des Faschismus (OdF) wurde ihm dieser Status wegen "irreführender und falscher Angaben" wieder aberkannt. Er hatte seine kurzzeitige Mitgliedschaft in der NSDAP ignoriert. Schwerwiegender war die Tatsache, dass er als Verurteilter nach § 175 als vorbestraft und somit als Verbrecher galt. Das rechtfertigte damals erst recht keine Anerkennung als OdF. Ein zweites Mal bekam er Berufsverbot. Wieder war es die Gräfin von Lerchenfeld, die ihm beistand. Sie meldete sich aus Wien und versuchte, in einer eidesstattlichen Erklärung die Vorwürfe gegen ihn zu widerlegen. Doch das beeinflusste die Entscheidung nicht. Erst Mitte Oktober 1948 durfte er seinen Beruf wieder ausüben. 1951 wurde er in die Jury des 1. Internationalen Filmfestivals in Berlin, der Berlinale, berufen. Er bekam kleine, unbedeutende Nebenrollen im Film, stand auch wieder auf der Theaterbühne, synchronisierte und gab Schauspielunterricht. An der (Ost-)Berliner Volksbühne spielte er 1954/1955 zusammen mit dem jungen Armin Müller-Stahl, mit Rolf Ludwig und Harry Hindemith. 1956 war er dabei, als sich anlässlich der Berlinale im Titania Palast in Steglitz auf Einladung der Illustrierten "Der Stern" die noch lebenden "Stars aus der großen Zeit des deutschen Films" trafen und von einem begeisterten Publikum begrüßt wurden. Danach erklang in einem Interview im Radiosender Freies Berlin (SFB) ein letztes Mal seine Stimme.

Wenige Monate später, am 24. Januar 1957, verstummte sie für immer. Seine Beerdigung fand am 31. Januar auf dem Alten Kirchhof der Gemeinde Schöneberg (Evangelischer Friedhof Alt-Schöneberg) statt. Nur eine kleine Trauergemeinde hatte sich eingefunden. Sein Freund Erich Skladanowsky, Sohn des legendären Filmpioniers Max Skladanowsky, widmete ihm in Nr. 4/1957 der Zeitschrift "Der Filmspiegel" einen Nachruf: "Mit Deiner Darstellungskunst hast Du viele, viele Menschen erfreut und glücklich gemacht. Deine alten Kollegen, Deine Verehrer und die große Gemeinde der Filmfreunde werden Dich nicht vergessen, denn Du lebst ja in Deinen Filmen weiter." In zahlreichen Stummfilmen hat Ludwig Trautmann sein schauspielerisches Können gezeigt, aber auch als Drehbuchautor, Regisseur und Produzent war er aktiv. Im Tonfilm blieben für ihn nur unbedeutende Nebenrollen.

Die Grabstelle wurde 1982 eingeebnet. In Berlin erinnert heute nichts mehr an diesen Schauspieler, der ebenfalls zu denjenigen gehört, die vor über 100 Jahren vor der Kamera den Weg für die Entstehung des deutschen Films geebnet haben. "Ich habe wohl das Möglichste und Unmöglichste getan, was je für den Film getan werden konnte", äußerte er bereits 1919 in einem Interview für die Zeitschrift "Bunte Film-Blätter". Daran hat sich lange Zeit niemand erinnert.

Christiane Witzke
 

Quellen:
-    Familienarchiv; E. Dörner, Carlsberg
-    Bundesarchiv Berlin
-    Landesarchiv Berlin
-    Brandenburgisches Landesarchiv
-    Schweizerisches Bundesarchiv
-    Deutsches Exilarchiv Frankfurt/Main 1933-1945
-    Archiv der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz Berlin
-    Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt

Rechtsstatus