Treffen in Travers

DDR 1988/1989 Spielfilm

Treffen in Travers


Fred Gehler, Sonntag, Berlin/DDR, Nr. 21, 21.5.1989


Ein Herbststück, ein Novemberstück. Georg und Therese Forster, Ludwig Ferdinand Huber. Drei Tage und drei Nächte im schweizerischen Travers. Diese Konstellation wird zum Modellfall, zum Glücksfall für eine filmische Reflexion – zweihundert Jahre danach. (…)

In dieses unauflösbare Psychodram wetterleuchtet aber noch die Zeit. Das individuelle Glücksverlangen ist verknotet und verschlungen mit den zeitgenössischen Träumen und Alpträumen. Der Striptease dieser Ehe und Liebe geschieht vor einer historischen Dimension, die ein Mann wie Forster – wie nur wenige seines Formats – hellsichtig erkannt und beschworen hat, und der er sich als ein Handelnder verband. Forster am 10.11.1792: "… Wir leben in einem seltsamen Zeitpunkte, wo man die Menschen kaum mehr richtig beurteilen kann, wenn man sie nur nach ihren äußern Verhältnissen richtet; wo die Maßstäbe, womit wir sonst einander zu messen pflegten … zerbrochen werden müssen." Grundsätze, Charakter, Wandel, Laufbahn, an allem könne man jetzt irre werden. Als übriggebliebenes Regulativ "die Humanität". (…)

Travers – der Glücksfall eines Gleichnisses. Ein Erlebnis. Das Wie der Vermittlung macht das Erlebnis komplett. Das Buch balanciert geschickt die privaten und öffentlichen Elemente des vieldeutbaren Sujets, sortiert nicht die Verwicklungen und Verwirrungen, sondern macht, einen Knoten daraus. Man gibt dem Melodram, was des Melodrams ist, und beschneidet doch nie die Ansätze zum weiteren Assoziieren.

Ein intimer Film in mehrfacher Beziehung. Wenige Schauplätze, präzise ausgeschrieben. Der Rhythmus der Zeit im Einklang mit den Wellentälern der Emotionen. Michael Gwisdek hat seine Theatererfahrung scheinbar mühelos in filmische Chiffren transformiert. Der Schweiß des Machens ist mit schöner Leichtigkeit getilgt (ab und an glitzern verborgen noch ein paar Perlen). Im Darstellerischen ein unverstelltes Bekenntnis zum Eigenen, zur Vertrautheit des Zueinander- und Miteinanderspiels. Ohne falsche Prüderie, ohne Dezenz. Gwisdek: "… das Eindringen der eigenen Welt in die große". – Der Film weiß an keiner Stelle mehr als seine historischen Figuren. Er zeigt mir, daß er sie liebt und ihre Verstrickungen zu begreifen sucht. Auch damit hat er Georg Forster verstanden. Einen knappen Monat nach dem Treffen in Travers schrieb Forster an Therese: "Aber der Gesichtspunkt der Gerechtigkeit ist hier für Sterbliche zu hoch. Was geschieht, muß geschehen …"

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