Treffen in Travers

DDR 1988/1989 Spielfilm

Lohn des Risikos


Klaus Wischnewski, Film und Fernsehen, Berlin/DDR, Nr. 6, 1989


Der Auftakt: erzählende Bewegung, noch anonym, undeutlich wie das diffuse Licht der Morgendämmerung in den Gassen, durch die die Kamera uns führt, erst allmählich Aufbruch und Fahrt einer Kutsche bewußt werden lassend. Die Bewegung nimmt zu, suggeriert den "Blick" eines noch Unbekannten; plötzlich ein Akzent: ein hohes Gerüst im Dämmerdunkel, näher als Guillotine erkennbar, drei Personen hantieren, enthüllen das Fallbeil, horizontale und vertikale Bewegung endet in bedrohlicher Ruhe. Harter Schnitt, optisch und akustisch. Dann folgt wieder Bewegung, zunehmend, jagend oder gejagt die Kutsche in rasch wechselnder Landschaft.

In diesen ersten, vielleicht drei, vier Minuten ereignet sich etwas, was fatal selten in einem DEFA-Film ist, anderswo und eigentlich zu den bis zur Perfektion (und Schablone) trainierten Selbstverständlichkeiten gehört: Es fängt Kino an! Der beschriebene Auftakt von "Treffen in Travers" – weich trefflich alliterierender Titel, welche Vieldeutigkeit im intimen und halbmilitärischen Begriff "Treffen"! – ist eigentlich die Folie für den Titelvorspann. Nein: dieser ist über eine Bildmontage gelegt, die Zeitumstände, Gefühls- und Seelenzustände, Ton und Klima exponiert. De facto stimmen beide Feststellungen; und das eben ist Kino, unverwüstlich, gefährdet, deformiert, widerlich, traurig, strahlend und hinreißend, Jahrmarkt und Kunst, Zote und Politik, Zeitgeist und Glosse… All das kann es sein, man kann es mögen oder bekämpfen, nur eines darf Kino nicht sein: lau, von allem ein bißchen und nichts (…)

Ein kluger Film, durchdacht, gegliedert, gebaut. Ein Dramaturg (Christoph Prochnow) entdeckt in der Erzählung von Fritz Hofmann das Thema, die Möglichkeit eines Films. Der Szenarist Thomas Knauf hat das Glücksgefühl des Autors ausgesprochen, der sein Gedachtes und Geschriebenes ganz auf der Leinwand verwirklicht sieht. Der Betrachter kann Arbeitsstufen nicht zurückverfolgen. Auf mich wirkt der Film wie ein Autorenfilm, als könne, würde, müsse dieser Regisseur seine Stoffe selbst in den Film übersetzen. Regisseur (Michael Gwisdek) und Kameramann (Claus Neumann) scheinen einig wie eine Person; daher offenbar jeder auf seins konzentriert, wach und vertrauend auf den Partner. Das alles vorausgesetzt, ist das ein Schau-Spiel; ein Schauspielerfilm, mit Schauspielern, die einander kennen und schätzen, einem Regisseur, der weiß, was Schau-Spielen heißt, was bei Filmregie durchaus nicht selbstverständlich ist!


Das Kammerspiel mitten im Weltdrama 1793 ist ein Melodram für drei Personen, eine Dreieckskollision, die die Zeiten überdauert. So wird es gespielt, elementar, existentiell, exemplarisch. Wenn etwas im ernsthaften Sinn "allgemein-menschlich" ist, so dieses sehr konkrete, bis zum Äußersten gehende Aufeinanderzugehen, dieses Mit- und Gegeneinander der drei Menschen-Schauspieler Corinna Harfouch, Hermann Beyer, Uwe Kockisch. Balancieren am Rande der Katastrophe, ungewollte Verletzung, unerträgliche Beherrschung, zerstörerisch-erlösender Ausbruch. Höhepunkt nach der leise komischen Nichtscheidung auf dem Bürgermeisteramt, dem fast idyllischen Spaziergang und der Alkoholtour der Männer – wird die überraschende Liebesszene des Ehepaares im Waschhaus. Aufbruch und Absturz in Lust und Schmerz und Illusion der sexuellen Vereinigung. Das Krude und Gewalttätige von Situation und Milieu, der Kosmos von Empfindungen und Affekten auf dem Gesicht der Harfouch, Angst, Hoffen, Wollen, Zurückschrecken, Verzweiflung, Lust und der ratlos erschrockene, erlöst ausbrechende Beyer geben der grotesk-schrecklich-schönen Szene eine tragische Dimension. (…)

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