Die Büchse der Pandora

Deutschland 1928/1929 Spielfilm

Die Büchse der Pandora


Hansjürgen Wille, 8 Uhr-Abendblatt, Nr. 35, 11.2.1929


Ein oft virtuoser Film. Aber ein leerer Film. Ein Film ohne Substanz. Ein Film ohne Wedekind. Man kannte das große Hindernis Zensur, und man wollte es listig umgehen; nichts einfacher als das: man umging Wedekind. Man machte aus "Erdgeist" und "Büchse der Pandora" Variationen "auf" Wedekind (dieses "Auf" ist so seltsam wie mancher der hier erscheinenden Zwischentitel; man scheint sie erst ins Deutsche übersetzt zu haben). Man gab den lockeren Aufriß einer Dichtung, den silhouettenhaften Umriß eines genialischen Werkes – aber man vermied klug, von seinem Geist allzusehr berührt zu werden. Kulissen werden so gewissermaßen zu Vordergründen. Mit den Hintergründen hielt man sich im übrigen nicht allzu lange auf.

Was allerdings Lulu betrifft, so suchte der Regisseur G.W. Pabst monatelang verzweifelt nach einer geeigneten Darstellerin. Er reiste schließlich nach Amerika und brachte von dort Louise Brooks mit, eine sehr geschmeidige, sehr biegsame, sehr anmutige Schauspielerin – leider nur nicht: Lulu. Traurigerweise scheint Herr Pabst aus Amerika aber noch einiges andere mitgebracht zu haben. Der moralinhaltige Schluß seines Films, mit Heilsarmee, Mistelzweig, Weihnachtskerze, Schauerroman und zärtlichem Idyll – ganz zuletzt sieht man Alwa Schön, der bei Wedekind stirbt, fassungslos weinen, während die Gräfin Geschwitz, diese lästige Person, in diesen Partien überhaupt nicht mehr auf die Leinwand gelassen wird, nicht einmal, um, wie bei Wedekind, von Jack the Ripper ermordet zu werden – scheint auf amerikanischem Gefild gewachsen zu sein. Eine recht zweifelhafte Frucht. (...)

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