Premiere der restaurierten Fassung von Stummfilm-Epos "Die Nibelungen" (1924/2010) in der Deutschen Oper Berlin



"Erst "Metropolis", nun beide Teile von "Die Nibelungen" – das Jahr 2010 steht für die Rückkehr von Fritz Langs Meisterwerken auf die Kinoleinwand", so Eberhard Junkersdorf, Kuratoriumsvorsitzender der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung. Vor ausverkauftem Haus feiert der Stummfilmklassiker "Die Nibelungen" (DE 1924/2010) in der restaurierten Fassung der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung heute seine festliche Welturaufführung in der Deutschen Oper Berlin. Es spielt das hr-Sinfonieorchester unter der musikalischen Leitung von Frank Strobel.



"Die Nibelungen" wird in der neu restaurierten, originalgetreu eingefärbten Fassung anschließend auf Festivals und in Kinos zu sehen sein. Die Erstausstrahlung findet auf dem europäischen Kulturkanal ARTE statt, eine Auswertung auf DVD ist vorgesehen. "Wir sind stolz, dass die Murnau-Stiftung zwei der bedeutendsten deutschen Filmwerke von Fritz Lang nach langer Restaurierungsarbeit jetzt für das Publikum wieder zugänglich machen kann", so Junkersdorf. Über mehr als vier Jahre hinweg erstreckte sich das bislang umfangreichste Restaurierungsprojekt der Murnau-Stiftung, für das von Montevideo bis Moskau die Filmmaterialien zusammengetragen wurden.

"Mit "Metropolis" erreichte ARTE in Deutschland und Frankreich ein Millionenpublikum. Auch die restaurierte Fassung von "Die Nibelungen", von der ARTE die Bild-Ton-Fassung herstellt, wird als TV-Erstausstrahlung auf dem Europäischen Kulturkanal zu sehen sein. Seit mehr als 15 Jahren gibt ARTE dem Stummfilm einen festen Programmplatz und ermöglicht als Partner umfangreiche Projekte mit aufwändigen Musikproduktionen", so Nina Goslar, Filmredakteurin des europäischen Kulturkanals ARTE. Die Rekonstruktion und Neu-Einspielung der originalen Filmmusik von Gottfried Huppertz (*1887 Köln, †1937 Berlin) wird von ZDF/ARTE und dem Sinfonieorchester des Hessischen Rundfunks verantwortet.

"Für das hr-Sinfonieorchester ist die Aufführung des fünfstündigen Opus eine besondere Herausforderung und große Freude zugleich. Dabei erklingt dank zweijähriger gemeinsamer Anstrengung erstmals die gesamte Originalkomposition von Gottfried Huppertz für großes Orchester", so Andrea Zietzschmann (hr-Musikchefin und Managerin hr-Sinfonieorchester). Seit Jahren widmet sich das hr-Sinfonieorchester bereits erfolgreich in einer eigenen Veranstaltungsreihe der Live-Präsentation von Stummfilmmusik.

"Die sinfonische Originalmusik von Gottfried Huppertz, die er im Auftrag der Ufa und in enger Zusammenarbeit mit Fritz Lang und Thea von Harbou komponierte, gehört zu den Schlüsselwerken der deutschen Filmmusikgeschichte", sagte Beate Warkentien von der Europäischen Filmphilharmonie. Mit der Rekonstruktion und Synchroneinrichtung der Musik waren Frank Strobel und Marco Jovic beauftragt. Als Grundlage diente dabei das in der Deutschen Kinemathek (Berlin) erhaltene Originalmanuskript von Gottfried Huppertz.

"Die Nibelungen" (DE1924/2010) feiert als Koproduktion von Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, dem Hessischen Rundfunk sowie ZDF in Zusammenarbeit mit ARTE am heutigen Tag in der Deutschen Oper Berlin seine Uraufführung, die mit freundlicher Unterstützung von Zentis und Škoda stattfindet. Den Weltvertrieb der restaurierten Fassung übernimmt die Transit Film GmbH.

"Die Nibelungen" in orangefarbener Viragierung

Ausgehend von den Kameranegativen des Bundesarchiv-Filmarchiv, Berlin, und des Deutschen Filminstituts – DIF, Frankfurt am Main, kann eine deutsche Version in hervorragender Bildqualität sowie, entsprechend der erhaltenen Verleihkopien, in orangefarbener Virage präsentiert werden. Darüber hinaus konnte die Schlussszene vervollständigt werden: Dabei handelt es sich um die Einstellung, in der zu sehen ist, wie Kriemhild erstochen wird. Sie befand sich in einer Rolle nicht verwendeten Filmmaterials (outtakes), die in der Stiftung Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen (Berlin) erhalten ist. In den bisher vorliegenden Fassungen sieht man lediglich, wie Kriemhild nach vollendeter Rache sterbend zusammenbricht.

"Die neue, von der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung aufwändig restaurierte Filmfassung des Nibelungen-Epos wird eine bisher nicht gekannte Annäherung an die historischen Versionen darstellen. Erstmals war es möglich, die ungewöhnlich reichhaltige Überlieferung von achtzehn zeitgenössischen Filmmaterialien, die weltweit in Filmarchiven erhalten sind – darunter auch die Kameranegative – für die Restaurierungsarbeiten zu berücksichtigen", berichtet Restauratorin Anke Wilkening von der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Siftung. Bei einer früheren, in den 1980er Jahren fertig gestellten Restaurierung war dies noch nicht möglich.

"Die orangefarbene Viragierung steht für den typischen ästhetischen Charakter des Films in den 1920er Jahren. Dass die Murnau-Stiftung dabei das aufwändige historische Verfahren bei der Einfärbung der restaurierten Fassung gewählt hat, wird dem Stummfilmklassiker in ethischer Weise gerecht", so João S. de Oliveira, Direktor des Kopierwerks Prestech Film in London, das mit der Filmrestaurierung beauftragt war.

An der Restaurierung sind insgesamt 17 Einrichtungen aus neun Ländern beteiligt. Filmmaterialien werden verwendet von: British Film Institute (London), Bundesarchiv-Filmarchiv (Berlin), Cineteca Nazionale (Rom), Deutsches Filminstitut – DIF (Frankfurt am Main), Filmarchiv Austria (Wien), Filmmuseum im Stadtmuseum München, Filmoteca Catalunya (Barcelona), Fondazione Cineteca Italiana (Mailand), Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung (Wiesbaden), Gosfilmofond (Moskau) und Stiftung Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen (Berlin).

Zur Restaurierung tragen außerdem bei: Archivo Nacional de la Imagen – Sodre (Montevideo), Cinémathèque de Toulouse, Filmmuseum Potsdam, Filmoteca Espanola (Madrid), Museum of Modern Art (New York) und UCLA Film & Television Archive (Los Angeles).
Zum Film und der Musik
Der Film folgt im Wesentlichen der Nibelungen-Sage: Im ersten Teil ("Siegfried") geht es um den strahlenden Helden Siegfried, der Brunhild für Gunther besiegt, Kriemhild freit und schließlich das Opfer von Hagens Intrige wird. Im zweiten Teil ("Kriemhilds Rache") erlebt das Publikum die dunkle Seite der Tragödie, die im Inferno des brennenden Hofes von Etzel endet. Beide Teile sind in jeweils sieben "Gesänge" unterteilt.

Die Originalkomposition wurde anlässlich der aktuellen Filmrestaurierung neu editiert auf der Grundlage der in der Deutschen Kinemathek erhaltenen Original-Manuskripte und Skizzen von Gottfried Huppertz. Seine "Nibelungen"-Musik ist in ihrer Klangsprache stark an die Musik der Spätromantik angelehnt und arbeitet mit Leitmotiven zur Charakterisierung der Figuren und Handlungsmotive. Unverkennbar ist aber auch Huppertz" Bestreben, in diesem Werk eine eigenständige Filmmusik vorzustellen, die in ihrem Zusammenspiel mit dem Bild viele Techniken der modernen Filmmusik vorwegnimmt. Ediert wird das neue Notenmaterial von der Europäischen Filmphilharmonie.

Zur Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung
Seit ihrer Gründung im Jahr 1966 setzt sich die in Wiesbaden ansässige Stiftung für das deutsche Filmerbe ein. Ihre Bestände, zu denen zahlreiche Klassiker wie "Metropolis" gehören, umfassen insgesamt 2000 Stumm- und 1000 Ton- sowie 3000 Kurz-, Werbe und Dokumentarfilme. Darunter finden sich neben "Die Nibelungen" die großen Klassiker des deutschen Kinos wie "Das Cabinet des Dr. Caligari", "Der blaue Engel", "Die drei von der Tankstelle", "Münchhausen", "Große Freiheit Nr. 7" und "Helden", ebenso eine Vielzahl von Filmen bedeutender Regisseure wie Friedrich Wilhelm Murnau, Fritz Lang, Ernst Lubitsch, Detlef Sierck, Helmut Käutner und Wolfgang Staudte.

In der hessischen Landeshauptstadt betreibt sie das Deutsche Filmhaus mit Büro-, Technik-, Verwaltungs- und Veranstaltungsräumen sowie dem Kino "Murnau-Filmtheater.

Weitere Informationen unter
www.dienibelungen2010.de

Quelle: Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung