Deutscher Dokumentarfilmpreis 2020 verliehen

Nicht nur die unabhängige Jury des SWR Doku Festivals hat dieses Jahr aufgrund der Ausnahmesituation durch Corona per Videokonferenz getagt – auch die Gewinner wurden 2020 online gekürt.

 

Gestern Abend überreichte Moderator Max Moor den Deutschen Dokumentarfilmpreis in vier Kategorien an die Gewinner. Der mit 20.000 Euro dotierte, vom Südwestrundfunk und der MFG Filmförderung Baden-Württemberg gestiftete Hauptpreis wird in diesem Jahr geteilt: Er geht an Elke Margarete Lehrenkrauss für "Lovemobil" und an den syrischen Dokumentarfilmer Feras Fayyad für den Film "Eine Klinik im Untergrund – The Cave". Die meisten der nominierten Filme können bis 3. Juli online unter SWR.de/dokufestival bundesweit kostenfrei angeschaut werden.

Den mit 5.000 Euro dotierten Preis der Norbert Daldrop Förderung für Kunst und Kultur erhält Ulrike Ottinger für "Paris Calligrammes". Für einen dokumentarischen Film aus dem Bereich Musik wurde Oliver Schwabe für seinen Film "Die Liebe frisst das Leben - Tobias Gruben, seine Lieder und die Erde" der mit 5.000 Euro dotierte Musikpreis der Opus GmbH verliehen. Der Film "Lost in Face" von Valentin Riedl wird mit dem Förderpreis des Hauses des Dokumentarfilms, dotiert mit 3.000 Euro, ausgezeichnet.

Für ihren Film "Lovemobil" kehrte die 1979 geborene Filmemacherin Elke Margarete Lehrenkrauss drei Jahre lang immer wieder in ihre niedersächsische Heimat bei Wolfsburg zurück, um Prostituierte aus aller Welt in ihren Wohnmobilen am Straßenrand aufzusuchen, ihr Vertrauen zu gewinnen, sie zu filmen. "Lovemobil" erzählt von Heimat, Vertrauen, Hoffnung und dem Abgrund eines Mikrokosmos, der Prostitution als knallhartes Endstadium eines globalisierten Kapitalismus erfahrbar macht.

Der Dokumentarfilm "Eine Klinik im Untergrund – The Cave" begleitet die 30-jährige angehende Kinderärztin Dr. Amani im kriegsgeschüttelten Syrien bei ihrer täglichen Arbeit in einem verborgenen unterirdischen Feldkrankenhaus. Als Leiterin eines Teams aus Ärzten und zivilen Betreuern arbeitet sie unermüdlich daran, in Al Ghouta bei Damaskus die Opfer von Bombenangriffen und chemischer Kriegsführung mit der wichtigsten medizinischen Hilfe zu versorgen. Der syrische Filmemacher Feras Fayyad zeigt in seinem Film den täglichen Mut von Dr. Amani und ihrem Team und lässt dabei das Wesen von Menschlichkeit zutage treten.

5.000 Euro Preisgeld gehen an Ulrike Ottinger für ihren Film "Paris Calligrammes". Die Künstlerin erkundet in ihrem Film die Landschaft ihrer Erinnerungen an jene Stadt, die sie 20 Jahre lang ihre Heimat nannte und die ihre Anfänge als Malerin und Filmemacherin mitprägte. Sie zog in ihren Zwanzigern nach Paris und tauchte dort in die Kulturszene ein, die von Avantgarde-Helden und einer neuen Generation von Künstler*innen und Intellektuellen bevölkert war. "Paris Calligrammes" präsentiert eine entscheidende Ära sowohl in der Kunst als auch in der Politik, wo zwischen Nachkriegshoffnungen, Algerienkonflikt und 68er-Bewegung vieles auszutragen war. Trotzdem bleibt der Film eine intime Annäherung, die ein überreiches Repertoire an Filmszenen, Meldungen, Fotos und Liedern mit tagebuchartiger Sorgfalt zusammenfügt.

Mit 5.000 Euro verbunden ist auch der Musikpreis der Opus GmbH, der dieses Jahr an Oliver Schwabe für "Die Liebe frisst das Leben - Tobias Gruben, seine Lieder und die Erde" vergeben wird. Der Film spürt dem Werk von Tobias Gruben nach, der auch zwanzig Jahre nach seinem Tod als ungeschliffener, weil nahezu unentdeckter Diamant deutscher Popkultur gilt. Erzählt wird hier nicht nur von einer unvollendeten Musikerkarriere, sondern auch vom anhaltenden Kampf eines Sohnes um die Anerkennung seines Vaters. In Interviews, teils unveröffentlichter Musik und Briefen führt "Die Liebe frisst das Leben" direkt in das Herz und den Kopf eines fast vergessenen Musikers, der kurz vor dem kommerziellen Durchbruch an einer Überdosis stirbt und dessen Texte und Lieder bis heute berühren.

Der mit 3.000 Euro dotierte Förderpreis des HDF geht an Valentin Riedl für seinen Film "Lost in Face". Carlotta kann keine Gesichter erkennen, nicht einmal ihr eigenes. Wie bei einem von hundert Menschen ist bei ihr genau diejenige Region des Gehirns blind, die eigentlich Gesichter verarbeitet. Auf ihrer rastlosen Suche findet sie schließlich in der Kunst einen Zugang zum eigenen Gesicht und ertastet sich den Weg zurück zu ihren Mitmenschen.

Der Deutsche Dokumentarfilmpreis wird seit 2017 jährlich (zuvor zweijährig) vom Südwestrundfunk (SWR) und der MFG Filmförderung Baden-Württemberg gestiftet.

Quelle und weitere Informationen: www.deutscher-dokumentarfilmpreis.de