Wir können auch anders...

Deutschland 1992/1993 Spielfilm

Inhalt

Die Brüder Kipp und Most sind nicht besonders helle, aber gutmütig: redselig und altklug der eine, hemdsärmlig und knurrig der andere. Sie wollen in den Osten, wo sie von Oma einen Gutshof geerbt haben. So machen sie sich mit einem klapprigen Lastwagen auf den Weg, wobei es sich als hinderlich erweist, dass sie nicht lesen können. Ein entflohener Rotarmist, der nur Russisch spricht, überredet sie mit einer Kalaschnikow, ihn ein Stück mitzunehmen. Und bald hinterlassen sie unfreiwillig eine Spur des Verbrechens und werden verfolgt von einer Armee von Polizisten. Unterwegs nehmen sie die Bedienung einer Dorfkneipe als Geisel, eine rothaarige Schöne im kurzen Rock, die sie damit der Langeweile entreißen. Und damit ist ihre Odyssee noch lange nicht zuende.

 

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
Rudi Kipp, genannt Kipp, ist ein Heimzögling mit leichtem Sprachfehler, der sich ganz weltmännisch gibt. Sein Bruder Moritz, genannt Most, ist schon rein äußerlich das genaue Gegenteil: ein gutmütiger Hüne, wortkarg – aber nicht sprachlos, und wie Kipp weder des Schreibens noch des Lesens mächtig. Beide machen sich mit einem alten Pritschenwagen, der kaum die Schlaglöcher der Nebenstraßen der neuen Bundesländer übersteht, auf nach Mecklenburg-Vorpommern. Ihre Oma ist gestorben und hat den beiden ein, wie sie hoffen, stattliches Anwesen an der Ostsee vermacht. Und so begeben sie sich, ausgestattet mit notariell beglaubigtem Erbschein und den buchstäblich letzten Kröten in den wilden Osten.

Der Wagen macht häufiger schlapp und auf einer dieser unfreiwilligen Unterbrechungen stoßen sie auf den fahnenflüchtigen Rotarmisten Viktor, der in seine Heimat am Don zurückkehren möchte. Nun wird aus dem Duo ein Trio infernale, das dann zunehmend weniger Rücksichten kennt. Denn Viktor hat mit seiner Kalaschnikow einfach die besseren Argumente. Mit Wegelagerern wird kurzer Prozess gemacht, bald pflastern Leichen ihren Weg. Als sie von einem Autohändler aufs Kreuz gelegt werden, rächen sie sich an einem anderen Neureichen im Ossiland, den sie um seinen Wagen prellen. Und ganz nebenbei muss dessen Kompagnon auch noch sein Leben lassen.

Die Polizei ist dem Trio inzwischen auf der Spur. Aber die trotteligen und dabei ausgesprochen selbstüberheblichen Beamten beherrschen nur scheinbar die moderne Technik der Nach-Wende-Zeit, es fehlt an Grips, diese auch sinnvoll einzusetzen. So können die Brüder und ihr russischer Freund immer wieder entwischen, zuletzt aus einer Dorfkneipe, wo sie die hübsche Kellnerin, die sogleich auf den jungen Russen abgefahren ist, als „Geisel“ mitnehmen – auf einem von zwei Pferden. Und diese Nadine ist es auch, die die Polizei in einer beinahe klassischen, auf den zweiten Blick dann aber doch ironisch gebrochenen Showdown-Szene am Ostseestrand auf die falsche Fährte lockt. So kann das zum Quartett aufgestockte Trio mit einem gekaperten Schiff nach Russland fliehen. Doch bis sie am stillen Don in Sicherheit sind, Viktor von seiner alten Mutter und der Dorfgemeinschaft herzlich empfangen wird und Kipp vergeblich versucht, die Kolchosebauern mit modernen Aufzuchtmethoden aus dem Westen vertraut zu machen, nehmen die abenteuerlichen Verwicklungen noch lange kein Ende...

Ein tolldreistes Road-Movie, das nicht von seiner Story lebt – gibt’s das? Detlev Buck macht es mit „Wir können auch anders“ vor: Er treibt mit dem schieren Entsetzen seinen Spaß und kümmert sich herzlich wenig um die Plausibilität der hanebüchenen Geschichte. Diese lebt von den vielen kleinen Begebenheiten am Rande. Und von Joachim Król in der Hauptrolle, für die er in einem Behindertenheim trainierte. Wie er den Sprachfehler seiner Figur Kipp beherrscht, wie er als schmächtiges Stehauf-Männchen seinem bärenstarken „Bruder“ und dessen Wassersport-Marotten Paroli bietet und wie beide in Gutsherrenart im vermeintlichen Erbhof auftreten – das ist große Klasse deutscher Komödienkunst.

Die so unspektakulär daherkommende anarchische Ost-West-Komödie ist keineswegs unpolitisch, lässt den Holzhammer aber in der Dramaturgenschublade. Ein paradigmatisches Beispiel hierfür ist die Dorfkneipe, wo arbeitslose Jugendliche abhängen, mit kurz geschorenen Haaren offenbar der „rechten Szene“ zugehörig. Es sind Gestalten ohne Perspektive, die bereit sind, jeden Strohhalm zu ergreifen, um Halt zu finden in haltloser Zeit. Was hätten andere Regisseure daraus alles gemacht. Detlev Buck begnügt sich mit einigen stummen Bildzitaten und einem Mini-Auftritt als furchtsamer Skinhead – der Rest bleibt der Intelligenz des Zuschauers überlassen.

Die 92-minütige Underdog-Geschichte, deren Helden Menschen wie du und ich sind, die freilich kriminelle Wegelagerer und nicht weniger gerissene Neu-Kapitalisten in Neufünfland zur Strecke bringen, ist rund um das brandenburgische Kreisstädtchen Zehdenick entstanden. .

„Wir können auch anders“ war der Durchbruch Joachim Króls auf der großen Kinoleinwand. der ihm bei der Uraufführung am 22. Februar 1993 im Wettbewerb der Berlinale einen mächtigen Rummel bescherte. Die Koproduktion mit dem Westdeutschen Rundfunk kam am 1. April 1993 in die Kinos und flimmerte Mitte 1995 zum Auftakt der zweiten Staffel der ARD-Reihe „Wilde Herzen“ erstmals über den Bildschirm. Beim Deutschen Filmpreis 1993 gabs das Filmband in Silber in der Kategorie „Bester Film“ und gleich drei Filmbänder in Gold für Joachim Król und Horst Krause („Darstellerische Leistung), Ernst Kahl und Detlev Buck („Bestes Drehbuch“) sowie für Detlef Petersen („Beste Musik“).

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Regie

Regie-Assistenz

Kamera-Assistenz

Material-Assistenz

Standfotos

Ausstattung

Außenrequisite

Innenrequisite

Kostüme

Schnitt

Schnitt-Assistenz

Ton-Assistenz

Produzent

Redaktion

Herstellungsleitung

Produktionsleitung

Aufnahmeleitung

Produktions-Assistenz

Länge:
2476 m, 90 min
Format:
35mm, 1:1,85
Bild/Ton:
Eastmancolor, Dolby Stereo
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 15.02.1993, 69176, ab 6 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

DVD-Einsatz: 19.02.1999

Titel

  • Originaltitel (DE) Wir können auch anders...
  • Arbeitstitel (DE) Unternehmen Viktor - Wir können auch anders

Fassungen

Original

Länge:
2476 m, 90 min
Format:
35mm, 1:1,85
Bild/Ton:
Eastmancolor, Dolby Stereo
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 15.02.1993, 69176, ab 6 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

DVD-Einsatz: 19.02.1999

Auszeichnungen

Deutscher Filmpreis 1993
  • Filmband in Silber, Bester Film
  • Filmband in Gold, Beste Musik
  • Filmband in Gold, Darstellerische Leistung
  • Filmband in Gold, Bestes Drehbuch