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Marko ist Anfang dreißig und lebt seit seinem Studium in Berlin – weit genug entfernt von seinen Eltern Gitte und Günter, mit deren bürgerlichen Lebensentwurf er sich nie recht anfreunden wollte. Ein, zwei Mal im Jahr besucht er die beiden, in erster Linie um ihnen ein paar gemeinsame Tage mit ihrem Enkel, Markos fünfjährigem Sohn Zowie, zu ermöglichen.
Marko hofft auf ein halbwegs ruhiges Wochenende in der Kleinstadt, doch es gibt Neuigkeiten: Gitte, die seit Markos Kindheit manisch-depressiv ist, fühlt sich nach einer homöopathischen Behandlung zum ersten Mal seit langer Zeit wieder gesund. Sie verzichtet auf ihre Medikamente und baut auf einen gemeinsamen Lebensabend an der Seite ihres Mannes, nicht ahnend, dass sie mit ihrer unerwarteten Genesung seine Pläne durchkreuzt. Auch Markos jüngerer Bruder Jakob und dessen Lebensgefährtin Ella stehen an einem Wendepunkt, denn Jakob richtet sich mehr und mehr auf ein Leben in Blicknähe zu seinen Eltern – vor allem zu Gitte – ein, Ella hingegen würde gern ihre beruflichen Pläne erst mal im Ausland weiterverfolgen.
Markos Anwesenheit wirkt wie ein Katalysator, er provoziert die Konfrontation mit den unausgesprochenen Wahrheiten, die Fassade des harmonischen Familienlebens bröckelt.
Quelle: 62. Internationale Filmfestspiele Berlin (Katalog)
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Marko, der sich mit seiner Lebensgefährtin Tine Gronau gezofft hat, fährt mit seinem Sohn zu den Eltern in die westfälische Kleinstadt. Doch seine Hoffnung auf ein ruhiges Wochenende im Kreis der Familie erfüllt sich nicht, denn Gitte, die seit Markos Kindheit manisch-depressiv ist, fühlt sich nach einer homöopathischen Behandlung zum ersten Mal seit langer Zeit so gesund, dass sie ihre Medikamente absetzt. „Meine Krankheit und ich feiern das Dreißigjährige“ gibt sich Gitte aufgeräumt, die nun schon seit zwei Monaten ohne Psychopharmaka ausgekommen ist.
Sie bittet darum, von nun an nicht mehr wie ein kostbares und daher zu schonendes Möbelstück, sondern wie ein vollwertiges Mitglied der Familie behandelt zu werden und freut sich, jetzt, da ihr Mann Günter seinen Verlag verkauft hat, auf einen gemeinsamen Lebensabend an dessen Seite. Doch der Sechzigjährige, der seit zwei Jahren heimlich mit der attraktiven Buchhändlerin Susanne Graefe liiert ist, hat sich seinen Un-Ruhestand ganz anders vorgestellt als in trauter Zweisamkeit mit der Gattin daheim.
Auch sonst fallen die Reaktionen auf Gittes Ankündigung eher verhalten aus. Markos jüngerer Bruder Jakob besteht aus Angst um die Gesundheit der Mutter auf eine Fortführung der medizinischen Behandlung. Zudem hat sich der Zahnarzt, der sich bisher stets vergeblich in den Fußstapfen seines Vaters versucht hat, mit der Praxis übernommen. Er muss ein gerade erworbenes Röntgengerät wieder zurückgeben und seine Freundin Ella Staudt stellt die Frage, ob es nicht besser sei, hier in der Kleinstadt die Zelte abzubrechen und im Ausland ganz neu anzufangen.
Nur Marko steht hinter Gittes Entschluss, endlich festen Boden unter ihre Füße zu bekommen, nachdem es ihre beiden Söhne beruflich und privat geschafft haben. Doch das ist nur die halbe Wahrheit und Marko traut sich, seine Mutter mit der ganzen zu konfrontieren: Jakob hat sich nicht nur mit dem Bau eines Hauses übernommen, sondern seine Arztpraxis macht Monat für Monat fünftausend Euro Miese. Das Ende also ist absehbar.
Als gesagt ist, was gesagt werden musste, ist Gitte plötzlich verschwunden. Und das Auto auch. Eine Suchaktion der Polizei erbringt zunächst nur den R 4, der verlassen am Waldrand steht – der Schlüssel steckt noch. Erst in der Nacht findet Marko seine verstörte Mutter im tiefen Gehölz. Weiß sie etwas von der Beziehung ihres Gatten zur Buchhändlerin? Das vermeintlich gut eingespielte Familiengefüge ist nun endgültig aus dem Gleichgewicht geraten...
Mit einem Ensemble hochkarätiger Schauspieler erzählt Regisseur Hans-Christian Schmid in „Was bleibt“ aus der Perspektive Markos, wie eine Familie innerhalb weniger Tage auseinanderbricht und nach einem schmerzlichen Prozess neu zueinander findet. Neben etablierten (Bühnen-) Stars wie Corinna Harfouch, Birge Schade, Lars Eidinger und Ernst Stötzner gibt es neben dem 2004 in Berlin geborenen Egon Merten, der erstmals vor einer Kamera stand, zwei Leinwanddebütanten des Geburtsjahrgangs 1981: Der in Ost-Berlin aufgewachsene Sebastian Zimmler absolvierte die Ernst Busch-Hochschule und gehörte bei Drehbeginn zum Ensemble des Thalia-Theaters Hamburg, während die Kölnerin Picco von Groote die Stuttgarter Hochschule absolvierte und seinerzeit Mitglied des Dresdener Staatsschauspiel-Ensembles gewesen ist.
Die nach den preisgekrönten Filmen „Requiem“ (2006) und „Sturm“ (2009) dritte Zusammenarbeit Hans-Christian Schmids mit dem Drehbuchautor Bernd Lange ist erneut eine leise, zurückhaltende, wohltemperierte Ausnahme-Produktion gegen das actionreiche Mainstream-Kino, die am 19. Juni 2014 auf Arte erstausgestrahlt worden ist.
Lars Eidinger im Pandora-Presseheft: „Es geht im Film ja auch um die 68er-Generation und die Schwierigkeiten, die das mit dem Nachwuchs bringt, wenn die Eltern nicht mehr die klassischen Autoritäten sein wollen und ihren Kindern auf Augenhöhe begegnen wollen, mehr wie Freunde. Das hat natürlich was Zwiespältiges, weil es wie eine Errungenschaft klingt, aber zugleich gibt es eine Sehnsucht nach positiver Autorität im Sinne von Geborgenheit. Wenn dieses Urvertrauen in die Mutter aufgeweicht ist, wird es schwierig. Ich denke, das hat viel mit diesem Gefühl meiner Generation zu tun, sich in dieser Welt nicht wirklich glücklich und ein bisschen verloren zu fühlen. Da fragt man sich als Außenstehender: Was ist eigentlich euer Problem? Ihr seid gut versorgt, vielleicht funktioniert es mit dem Beruf noch nicht so richtig, aber es gibt zumindest keine existentiellen Nöte. Und trotzdem hat man den Eindruck, die Leute hadern und sind unzufrieden. Je besser man versorgt ist, desto eher stellt sich die Sinnfrage. Was soll das alles? Wofür? Das ist natürlich ein Luxusproblem. Aber das kenn' ich auch. Das andere Phänomen unserer Zeit ist diese Bindungsunfähigkeit, die auch im Film thematisiert wird. Es ist doch mittlerweile eine Ausnahme, wenn Paare heute trotz aller Konflikte zusammenbleiben. Das liegt aber auch daran, dass einem Familie heute nicht mehr wirklich vorgelebt wird, weil jeder seine Individualität ausleben will.“
Pitt Herrmann