Ulzhan - Das vergessene Licht

Frankreich Deutschland Kasachstan 2006/2007 Spielfilm

Inhalt

Nach einem schweren persönlichen Schicksalsschlag beschließt Charles, sich in den schier unendlichen Weiten Zentralasiens, in Kasachstan, auf eine "letzte Reise" zu begeben. Aber auch hier, fern der Heimat, meint das Schicksal es nicht gut mit ihm: erst werden ihm seine Papiere gestohlen, dann wird er auf einem Ölfeld als "Spion" verhaftet und nach Astana verfrachtet, in die futuristische neue Hauptstadt, einem "Brasilia" in der Steppe. Nach seiner Freilassung kauft er der jungen Nomadin Ulzhan ein Pferd ab. Gegen Charles Willen folgt sie ihm durch die endlose Steppe – Ulzhan ist fest entschlossen, den schweigsamen Mann, bei dem sie spürt, dass er sein Leben längst aufgegeben hat, zu retten.

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
Der Franzose Charles Simon hat nach einem Autounfall seine ganze Familie verloren und will nun alle Brücken hinter sich abbrechen. In den Weiten Zentralasiens, nach Kasachstan, soll ihn seine letzte Reise führen, zum Khan Tengri-Berg, wo die Seelen verstorbener Schamanen umherfliegen sollen. Obwohl er der russischen Sprache mächtig ist und wissen sollte, welche Gefahren hinter der Grenze zu Kasachstan auf ihn lauern, lässt der Mittvierziger alle Vorsicht fahren, feiert und trinkt mit Einheimischen auf exzessivste Weise und kann sich kaum darüber wundern, dass ihm am nächsten Morgen alles Geld und sämtliche Papiere fehlen. Als auch noch sein Auto streikt, macht er sich zu Fuß auf den Weg.

So trist wie die wüste Landschaft inmitten von Ölpumpen war der freudlose Sex in der Nacht zuvor, aber es kommt noch schlimmer: Als angeblicher Spion verhaftet wird der französische Hochschullehrer in die aseptisch-futuristische Hauptstadt Astana verfrachtet, einer unglaublich hässlichen Mischung aus dem inzwischen fast nostalgisch anmutenden Retorten-Regierungssitz Brasilia und den gesichtslos-austauschbaren Protz-Metropolen der Golfstaaten.

Zwar kann Charles alsbald die Gefängniszelle mit einer Luxushotel-Suite tauschen, was aber seine Stimmung ebenso wenig hebt wie eine an diesem Ort geradezu groteske Dessous-Modenschau, die ihn die Flucht ergreifen lässt. Auf dem Weg zum Heiligen Berg Khan Tengri, an dem sich die Schamanen einst zum Sterben zurückzogen, begegnet ihm ein solcher: Shakuni hat deutsche Vorfahren, die einst die russische Zarin Katharina die Große ins Land geholt und die Genosse Stalin in die Weite der kasachischen Steppe deportiert hatte.

Shakuni ist mit dem Beiwagen-Motorrad unterwegs und handelt mit Worten, seltenen Exemplaren fremder Sprachen, die er sammelt, notiert und, wenn er Abnehmer findet, was freilich immer seltener geschieht, verkauft oder wenigstens in Naturalien umsetzt. Bei ihm kann der ausgehungerte Charles Brot und Obdach für eine Nacht finden – in den Überresten eines einstigen Gulag-Straflagers.

So zieht der Pariser Professor im Habitus eines Landstreichers allein zu Fuß weiter und trifft ganz zufällig in einem Dorf auf Kinder, die ein Lied in seiner Sprache singen. Dafür ist die Lehrerin Ulzhan verantwortlich, die Tochter eines Pferdezüchters: Sie war noch nie in Frankreich und hat die Sprache aus Büchern gelernt. Ulzhan braucht eine Weile, bis sie es übers Herz bringt, dem Fremden ihren Lieblingsschimmel zu verkaufen. Fortan wird sie beide, Pferd und Reiter, nicht mehr aus den Augen lassen...

„Ulzhan – Das vergessene Licht“ ist das erste Roadmovie des 68-jährgen Volker Schlöndorff – und zugleich eine Art Alterswerk. Was auch mit der Besetzung der Rolle des Schamanen zu tun hat, den sein „Blechtrommler“ David Bennent gibt – als nicht nur äußerlich sehr skurriler Geschichtenerzähler. Wir lernen mit den matten Augen eines lebensmüden Franzosen ein wildes Land im fernen Osten kennen, das auf dem wohl unvermeidlichen Weg zur Zivilisation westlich-europäischen Zuschnitts um seine Identität ringt. Und das so gar nichts mit der künstlichen „Borat“-Welt des Sacha Baron Cohen gemein hat.

Die so schöne wie kluge Lehrerin Ulzhan, die sich zum melancholischen und dabei gleichzeitig so naiv auftretenden Franzosen hingezogen fühlt, der stets von seiner „geheimen Mission“ und einem „verlorenen Geheimnis“ spricht, bringt das Dilemma ihres Landes, das dank Öl und Gas, Platin, Gold und Kupfer zu den reichsten Staaten der Welt gehört, so auf den Punkt: „Früher war Kasachstan ein Zoo, heute ist es ein Dschungel. Diejenigen, die im Zoo geboren sind, finden sich nicht zurecht. Dafür die, die im Dschungel reich geworden sind, umso besser.“

Ulzhan ahnt, dass hinter der vorgeblichen Suche nach einem Vermächtnis nestorianischer Christen, den vergessenen „Trägern des Lichts“, die im 8. Jahrhundert aus Persien nach China geflohen sind, um Schutz zu suchen, mehr steckt als der vorgebliche Drang nach dem am Fuß des Heiligen Berges vergrabenen Goldschatz. Weshalb sie Charles auch durch ein radioaktiv verseuchtes, früheres Atombomben-Testgebiet folgt, und all seinen Versuchen trotzt, sie abzuschütteln. Selbst im tiefsten Winter und im heftigsten Schneesturm gibt dieser Schutzengel die Hoffnung nicht auf...

Volker Schlöndorff erzählt eine fast stumme Liebesgeschichte, entführt die Zuschauer in eine noch weitgehend unbekannte, von Tom Fährmann in großartigen Bildern auf Zelluloid gebannte Landschaft zwischen Archaik und Neuzeit. Und setzt dabei mehr als einhundert Minuten lang auf die meditative Geduld eines auch kulturhistorisch interessierten Publikums. Was bei der Uraufführung in Cannes naturgemäß ebensowenig ein Problem gewesen ist wie bei der Deutschen Erstaufführung beim Münchner Filmfest, sehr wohl aber beim (Programm-) Kinostart. Volker Schlöndorff im X-Verleih-Presseheft: „Es ist ein sehr lyrischer Film, eine Liebesgeschichte fast ohne Worte. Zur Abwechslung mal keine Literatur, keine Politik, auch keine Vergangenheitsbewältigung, sondern reine Kür, eine Hymne auf das Leben.“

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Regie-Assistenz

Drehbuch-Mitarbeit

Kamera

Kamera-Assistenz

Kostüme

Ton-Schnitt

Ton-Design

Produzent

Executive Producer

Associate Producer

Produktions-Koordination

Erstverleih

Dreharbeiten

    • From 15.10.2006: Kasachstan
Länge:
2884 m, 105 min
Format:
35mm, 1:2,35
Bild/Ton:
Farbe, Dolby SRD
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 13.11.2007, 112128, ab 6 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (FR): 21.05.2007, Cannes, IFF - Sondervorführung;
Erstaufführung (DE): 28.06.2007, München, Filmfest;
Kinostart (DE): 13.12.2007

Titel

  • Originaltitel (DE) Ulzhan - Das vergessene Licht
  • Originaltitel (FR KZ) Ulzhan

Fassungen

Original

Länge:
2884 m, 105 min
Format:
35mm, 1:2,35
Bild/Ton:
Farbe, Dolby SRD
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 13.11.2007, 112128, ab 6 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (FR): 21.05.2007, Cannes, IFF - Sondervorführung;
Erstaufführung (DE): 28.06.2007, München, Filmfest;
Kinostart (DE): 13.12.2007

Auszeichnungen

Deutscher Kamerapreis 2008